NO CHECKS / NO BALANCE (1 JAHR REST)

2018 | 25. APRIL
wieder lissabon.

tagebuch gone tagebuchprojekt vom letzten, dem langen, aufenthalt abgeschlossen, will meinen: abgegeben. (beim verlag.) abgeschlossen klingt total unangemessen, es hoert halt irgendwann auf. sinneinheit: naja.

entscheidend 1: es gab da direkt interesse dran. vollkommen absurd. blosze wichtigtuerei das ganze ding. nein, stimmt nicht: erst mal wichtignehmerei, wichtigtuerei ist der gedanke ans veroeffentlichen. darin dann ja wieder nur konsequent. (zumal schreiben eh immer wichtignehmerei und publikationsambition eh immer wichtigtuerei; nur weil der autor sonst nicht wie der autor heiszt, sondern utz oder nebenfigur #4, noch lange nicht weniger persoenlich, nur halt anders hingeworfen. insofern vielleicht auch nicht absurder als der per-se-gedanke, dass irgendwer die gedanken von irgendwem anders zu publizieren bereit ist. wer soll das lesen?: frage stellt sich nicht, beziehungsweise stellt sich halt immer, aber nicht bei einem text mehr als bei einem anderen. zumal: so entsetzlich viel entsetzlich schlimmer scheisz da drauszen, also warum nicht ich.)

entscheidend 2: taegliches notieren fehlt. als sammelschublade fuer ideen und praeideen und klumpen, die noch nicht mal ideen sind und vermutlich auch keine mehr werden, aber das weisz man ja nicht. alles totalenthemmt, null schwelle, nichts ist genuegend oder ungenuegend, nichts richtig oder falsch. nicht mal prosa; paraprosa, quasiprosa, alles geht. alles per se in ordnung, nur gelegenheiten, nie literatur, was soll man damit.

vor allem: moegliches praeventiv gegen ideenlosigkeitspanik. deswegen das hier. eventuell sinnvoll, muss sich zeigen.


2018 | 26. APRIL
vernachlaessigte dimension des widerstands nach wie vor das widerstehen. nicht nur kaempfen, sondern auch mal sachen einfach nicht machen, nicht sein, nicht sein wollen. wer sich selbst nicht misstraut, glaubt an den durch systeme unkorrumpierbaren menschen oder nimmt die systeme hin. beides fuehrt nirgends hin, wo mensch nicht schon ist, und wo wir sind, muessen wir weg. widerstand nach innen richten.

(à propos nicht nur kaempfen: mehr kaempfen. arsch hochkriegen.)


2018 | 27. APRIL
man muss vom man weg. nicht ortografisch, gendertechnisch, sondern inhaltlich, was verbindlichkeit angeht. gefaehrliche einwortfloskel, man, distanzinstrument. einzelverantwortung(en) ernst nehmen, wir ist nicht dasselbe wie: du. und ich. nicht, wenn man nicht anfaengt, sich jenseits von kollektiven in die pflicht zu nehmen.

sich einsehen.


2018 | 28. APRIL
»zeitaufwendig ist ja nicht das schreiben – sondern, ewig gleiches altes lied – das definieren des nichtzuschreibenden.« – schreibt goetz.
stimmt schon.

glaube, hier wird zu einem groszen teil nichtzuschreibendes zu stehen kommen. all das, was zu unausgegoren und unraffiniert und undurchdacht ist fuer den roman. auch: versuch, die kruste der plumpheit von zu verhandelnden themen zu broeckeln. explizites, direktes abarbeiten an thematiken, des verstehens willen, spaeter dann hoffentlich faehig, diese thematiken subtil einzuarbeiten, ohne sie aussprechen zu muessen. einzige moeglichkeit, sowas wie konzept zu stemmen, ohne den holzhammer zu schwingen.


2018 | 29. APRIL
seit (endlich? nein, sowas ist ja quatsch) mit »abfall fuer alle« angefangen, andauernd denken in BLOCKBUCHSTABEN, so innerliches AUSRUFEN, full caps

zB: ey die traegt LATZHOSE, mach das nicht, das geht nicht, latzhose ist ein proletarisches ding, das proletariat ist kein fundus fuer deine bindestrich-ironie
(– WAR dann gar keine latzhose, aber TROTZDEM)
um mit goetz zu sagen:
KRANK

beeinflusst das DENKEN, diese exklamationslust, provoziere mich selbst dazu, regelmaeszige pointen ins denken zu bauen (– zu fingieren –), fuehlt sich alles direkt meinungsstaerker an, dabei geht es nicht darum, irgendwas irgendwie zu finden, sondern um RHYTHMUS, die capswoerter werden anderes gesprochen und anders gedacht, wenn man die beim sprechen SCHREIT, auch tonlos und intern: groszer spasz –

das ist gestaltloser slapstick,
metrische befriedigung, brachial und simpel.


2018 | 30. APRIL
meine generation alle zu SCHoeN und zu STILKONSEQUENT, ich kann das nicht, moechte das nicht, dieses

KATALOGLEBEN.
oder doch? warum nervt das denn sonst, dass die SCHoeN sind. ja, siehste.

– the surface, the surface –

danke, beuys, vielen dank auch, danke
INSTAGRAM

natuerlich alles voellig GEHEUCHELT die aufregung, und mit dem SCHREIEN wird jetzt auch wieder aufgehoert, ist doch schwachsinn, please follow me on instagram for less information.


2018 | 1. MAI
dmd, wie bitte?
DMD KIU LIDT.
this is no adventure, not even a trip.

gute nacht.


2018 | 2. MAI
kraft brauchen, um zu sein, wer man ist.

wenn einem, von krankheit geplagt, die kraefte schwinden und man nur noch aus basisemotionen besteht und – voruebergehend – aufhoert, bestimmte dinge zu glauben oder zu empfinden oder zu sagen: wie sehr kann man dann sagen, dass diese dinge, die im reservemodus verblassen, im kern zu uns gehoeren? kann man das? oder reine intellektuelle errungenschaft, nicht zum default gehoerige themen und agenden zum alltaeglichen bestandteil des bewusstseins zu machen?

glaube: ja. (letzteres.)


2018 | 3. MAI
manuskript verschickt. wieder mal. abwarten. wieder mal. ansprueche hoch, lider tief, das prekariat
kommt klar,
waehrend es stirbt und arbeitet und stirbt. und arbeitet.

hinterm haus bauen sie irgendwas und machen laerm dabei, was soll das.


2018 | 4. MAI
der punkt ist ja nicht, dass einem das nicht passieren darf: stimmungswandel dank wetter, verfassungsschwankungen, die von licht und wind und temperaturen diktiert werden. schon okay. man muss das nur echt nicht aufschreiben. nicht mal man selbst liest das und empfindet das urspruengliche gefuehl nach. da noch lieber ein foto machen, das man dann niemandem zeigt. diese blinde hybris; als saehe man etwas bislang ungesehenes oder waere in der lage, altes neu zu praesentieren.

nein.

zenit literarischer langeweile: eh naturbeschreibungen. lass es einfach.



2018 | 5. MAI
und der mann am steuer glotzt so rueber, her, rein; als koennte ICH was dafuer, dass die zeit vergeht oder dass sie so langsam zu vergehen scheint oder fuer seinen lebensentwurf.

langeweile brutaler luxus. was machen denn menschen, die sich nicht fragen, was sie machen?

auto, auto.
auto.
alkohol?

andererseits: alles andere.

er hat so einen schlenkerigen schwung in seinem gehenden koerper, alles wippt nach, wie so ein echo des wohlseins, und ich gucke und unterstellte ihm: das machst du nur, weil du ein mann bist und weiszt, dass du ein mann bist, und es total geil findest, ein mann zu sein, warum auch nicht.

entidentifikation.

andererseits: ich weisz nicht.


2018 | 6. MAI
immer wieder: nein, kann ich nicht, diesen modus des dasstehtmirzu. nicht mal, wenn das recht objektiv so ist – falls es das ueberhaupt gibt –, dass einem da was zusteht, oder das zumindest argumentierbar waere. gefuehl grundsaetzlich zu enorm, unendlich bevorteilt zu sein, es grotesk bequem zu haben, um ein fass aufzumachen wegen sachen, die man nicht bekommt.

zustehen?

selbgerechtigkeitsprovozierende kategorie, privilegiertenrhetorik, laecherlich. meistens. funktionieren. haben.

fuck off.

so menschen mit vorformulierten beschwerden auf der zunge, und dann lecken sie alles ab, was sich nicht an sie schmiegt.

gibt bestimmt einen mittelweg, kann ich aber nicht.
nicht das schlechteste, ehrlicherweise.
(luxusproblem.)
bitte mehr aushalten. wenn schon, dann fragen, was
ALLEN
zusteht.


2018 | 7. MAI
»neuland« von eshkol nevo damals: erste vollepunkterezension, die ich vergab. groszer, komplexer roman, zerfasert, geduldig. nevos neuen angefangen, »ueber uns«. nach 117 seiten ist schluss. ist ja nicht auszuhalten. keine unnoetigen buecher mehr, keine zeit. nevos frauen zu frauig, maenner zu maennerig, verschiebungen im tonfall, der wortwahl, der sprechtemperatur, die sensibel sein sollen, aber klischiert sind. mann betruegt, frau ist gefangen in der emotionsanonymen vorstadthoelle, die gar kein idyll ist, wer haette das gedacht.

soso.

so eine unueberspitzte, im rahmen bleibende reproduktion von klischees, klar sind das irgendwie realitaeten, die es gibt, aber uff. aber hey, es menschelt gar arg, alle sind VERLETZLICH, »man weisz niemals genau, was sich hinter der wohnungstuer unserer nachbarn abspielt«, offensichtlisiert der bucheinband. meine fresse. verehrtes publikum: et voilà, feuilletonstoff.

instantane schlussfolgerung: »neuland« war auch schlecht, du hast es nur nicht bemerkt. qualitaetsschwankungen fuer weniger wahrscheinlich befunden als die urteilsfaehigkeit des juengeren selbst. ich traue mir nicht. will aber auch nicht das vollepunktebuch aus dem regal holen, um mein urteil zu pruefen. hat mit sanktisierung nix zu tun, blosz mit faulheit.

zweites buch in folge, das abgebrochen. (vorher schon krebstagebuch von schlingensief.) nervt. nebenher goetz, aber das ertraegt man ja ueber stunden nicht.

was jetzt?

hier liegt noch ein anderes von nevo auf dem nachttisch, aber das heiszt »die einsamen liebenden«.


2018 | 8. MAI
gedanken zum morgen.

eins: gestern ganzen tag unterhose verkehrtherum angehabt. soso.

zwei: spinn ich oder klingt elias bender rønnefelt, sobald er woerter halbwegs, und nur halbwegs, ausartikuliert, wie carl barât? leichte libertines-nostalgie bei der neuen und ziemlich geilen iceageplatte.

drei: neuer kanye west: donald glover?

vier: alter kanye west: erinnert sich noch jemand an »the real world« auf mtv? dieser tmz-clip: uff.



2018 | 9. MAI
unfug am morgen (bisschen wie vor ein paar jahren balestrinis »tristano«, nur weniger ambitioniert. funktioniert auf die kurzstrecke aber auch nicht schlechter.):

begriffskontextualisierenden beispielsatz aus dem wiktionary copypasten, dann naechste – zufaellige – seite, erneut einen satz copypasten, aneinanderhaengen. liest sich, dramaturgisch angeordnet, zB so:

»meine tante hingegen setzt die ubiquitaere existenz des internets und aller in ihm enthaltenen wunder als gegeben voraus. apple zeigt es wieder einmal allen.

– ja, dann gehen wir doch mal in medias res, sie koennen sich also eine investition vorstellen?

– jetzt beruhige dich erst einmal!

wegen ihres kranken kindes musste die frau die ganze nacht aufbleiben. mit ulf und udo tollte ich ums haus, bis oma uns durchs schlafzimmerfenster mit wasser aus dem waeschesprenger bespritzte. das verhalten des jugendlichen ist sehr draufgaengerisch. solche aktionen schueren den rassenhass. (die OeNB stuetzt sich in ihrer prognose auf vergleichswerte aus deutschland und schweden, denen zufolge im jahr 2017 nur knapp 10 prozent der zugezogenen, asylberechtigten personen einen job gefunden haben. im ergebnis zeigt sich u. a., dasz polyzentrisch organisierte metropolregionen den vorteil geringerer ballungsnachteile als monozentrische stadtregionen haben. andererseits kommt es in polyzentrischen metropolregionen zu einer ineffizienten dopplung von infrastruktureinrichtungen.)

in der baumpflege ist der birkenporling ein indikator fuer die gesundheit eines baumes. ich spreche kein ukrainisch.«

wer bin ich und wenn ja wieviele werden das missverstehen. tot ist der autor nicht, ein bisschen verzweifelt aber schon.


2018 | 10. MAI
i’m hardcore but i’m not that hardcore –

singt john darnielle, und ja, glaube, da hat er wahrscheinlich vermutlich moeglicherweise recht.

dass mich das aber echt einen scheisz angeht.

– ach ja?
– nein.
– ACH JA??
– nein.
– ach so.
– alles okay bei dir?
– haha. raketen, verstehst du? RAKETEN.
– wo?
– genau.


2018 | 11. MAI
andererseits: prozent wovon?


2018 | 12. MAI
und dann ertappt man sich halt dabei, dass man gar nicht mehr ein etwas beklatscht, sondern sich selbst, weil man gefaellt sich so, klatschend fuer die gute sache, auf der richtigen seite, klatschend auf der richtigen seite –

solidarisch oder self serving oder beides oder gibt es einen unterschied?

ja.

macht der unterschied einen unterschied? nicht immer. aber oft genug.

kann man sich ja beglaubigen lassen, notar sagt dann: ja, hat geklatscht, wie es sich gehoert. und dann?

brav oder brave.

– aber theoretisch –
– aus. pfui.
– stimmt so, danke. prost.


2018 | 13. MAI
durchsage, bitte nehmen sie jetzt die kopfhoerer ab, und es passiert genau gar nichts, weil nur die den appell hoeren, die er ueberhaupt nicht betrifft. sitze da und denke, ich sollte ein buch schreiben mit dem titel »von offenen tueren und geschlossenen systemen oder jeder fuer sich allein, arschgesicht«, darin enthalten waere dann ausschlieszlich die feststellung, dass sich niemand mehr (gegenseitig) hilft, die natuerlich wiederum niemandem hilft, weswegen sich das buch dann auch hoffentlich extrem schlecht, im optimalfall gar nicht, verkauft, und dann rede ich mir ein, zumindest dem kapitalismus ein schnippchen geschlagen zu haben –

aber manchmal:
ist man nicht nur marktwirtschaftlich irrelevant, sondern ganz und gar, wahrscheinlich sogar ziemlich oft, was total

OKAY

ist, ABER: die frage, ob da eigentlich irgendwer irgendwas von hat, muss man sich schon gefallen lassen oder sich vielleicht einfach selber stellen.

der kopfhoerertyp nickt so ein bisschen gefaellig vor sich hin oder in sich rein, keiner sagt, heyda, nimm mal ab jetzt, die zeigen, wo die notausgaenge sind, warum auch, sind ja immer an derselben stelle, und wenn irgendwann wirklich mal was passiert, weisz eh exakt niemand, wie die rettungsweste aufgeblasen wird, und gab es eigentlich einen schleudersitz? ich setze auch die kopfhoerer auf, und der steward guckt mich an, ohne mich anzugucken, ihn interessiert das nicht, die kopfhoerer, rettungsutensilien, yadayadayada, unwahrscheinlichkeitsstatistik, what happens, happens. und irgendwie denken alle, sie wissen alles, was sie wissen muessen, und alle denken, naja, das war ja garantiert eine bewusste entscheidung von xyz, da jetzt wegzuhoeren, und vermutlich stimmt das alles eh, aber wenn nicht, wuerde man das halt auch nicht wissen. man quatscht sich halt nicht voll. habe das gefuehl, die pointe muesste sein, dass das irgendwie nicht gut ist, aber mir kommt das sehr entgegen.
2018 | 15. MAI
soso. schlechter hiphop wirklich gar nix gegen diesen drecksschreiberling, puns, bitches and bling, da jagt ein klischee dem naechsten einen schrecken ein, das schwache geschlecht rand- und unselbststaendig, letztlich fordert er das recht, als mann, und nur als mann, verbohrt, verbissen und von dumpfer zielstrebigkeit angegeilt zu sein, weil frauen koennen das halt nicht, und irgendwer muss das ja koennen und duerfen, weil wo kommen wir da sonst hin, diese maertyrerinszenierung, die eigentlich nur krass angst davor hat, dass alle rauskriegen, dass zielstrebigkeit und sturheit ueberhaupt keine maennlichen eigenschaften sind, was dann bedeuten wuerde, dass mann gar nicht mehr pseudoargumentieren kann, naja, irgendwer muss ja das ueberleben der menschheit sichern, und dann muesste man sich fuer seine eigenschaften noch als individuum verantworten, als waere der hoehlenmensch ueberwunden, was soll das. geil, das war alles ein satz. uga uga.

du null.

kollektivschuld? armer bub. immer geil, wenn ultraprivilegierten nix mehr einfaellt, warum auch sie es schwer haben. dann denk dir halt ne krankheit aus, aber halt die fresse von wegen kollektivschuld.

goenn denen die aufmerksamkeit nicht, hat t. gesagt. deswegen,

NUR

deswegen anonymisiert, weil t. recht hat, es hier aber gleich knallt sonst, wenn der kopf vor lauter ekel platzt, und nachwachsen tun dann zwei neue, frisch und ausgewachsen ins patriarchat geboren, pomade und alles, und bukowski war ein genie, ist klar.

du hast angst und recht damit: niemand braucht dich. schleich dich halt.


2018 | 16. MAI
die naegel werden ganz bruechig unter der einwirkung des ungewohnten lichts, trockene waerme und auszenwelt, werden poroes, rissig, brechen und kruemeln von der fingern. kommt mir komisch vor, dass der

VERFALL
nach witterungsbedingungen, lebensumstaenden fragt, vielleicht doch nur

calciummangel oder so.


2018 | 17. MAI
beim kaffee spontan bisschen zu arcade fire geheult,
spike lee haelt zensoren auf trab, waehrend er ueber trump redet,
die ganz rechte wird von der fast ganz rechten geruegt,
laufen gewesen,
gleich mail an verlag schreiben, der mein manuskript nicht haben will,
nichten besuchen,
arbeiten.

keine 10 uhr, und der tag ist emotional schon wieder durchgespielt. spaeter mehr.

(vielleicht.)

ELSTERN sind auch voll die asis! – pause – oder? –

fragt ein weiszbiertrinker den anderen, der andere scheint sich da nicht ganz sicher zu sein. sie sind beinahe die letzten. sie reden ueber asoziale tiere. sie reden ein bisschen aneinander vorbei und ein bisschen miteinander, sie reden langsam, hefeschwere zungen.

dann feierabend.


2018 | 19. MAI
vor dem penny haben sie die rollregale verschoben, die mit den blumen drauf. stehen jetzt weiter links. (vom laden aus.) die frau, die taeglich niemanden stoert, indem sie zurueckhaltend auf kleine spenden wartet, sitzt jetzt nicht mehr daneben, sondern dahinter. man sieht jetzt nicht mehr, wie sie niemanden stoert. sieht sie nicht, wenn man den laden verlaesst. erst wenn alle blumen verkauft sind, wird man sie durch die gitter der metallenen floristikauslage wieder bemerken. sitzt da wie eingesperrt, und da kann man jetzt sagen, naja mach mal halblang –

halt die fresse.

leben in nicht neutraler unsichtbarkeit ist das eine, aber versteckt werden? die wuerde des menschen, ja genau. am arsch.

zwei straszen weiter ein kuehlschrank an der strasze. zettel dran:

was soll das, nachbar. entsorgen, bitte!

schon irgendwie. aber. man regt sich echt ueber die falschen sachen auf und nicht auf.


2018 | 20. MAI
zwischen den baeumen steht einer, telefoniert, dann hoert er auf, legt auf. und ich denke: da steht einer zwischen zwei telefonen und baeumt sich auf, dann hoert er auf, gibt auf. ich denke das wirklich. nicht: ich denke mir das AUS, ich DENKE das, ich denke einen kalauer, irgendwas laeuft da falsch.

glaube, menschen mit hang zu kalauern sind menschen mit hang zu selbstzweifeln, kann diese vermutung aber nicht wirklich begruenden. vielleicht weil kalauer immer etwas erzwungenes haben, etwas produziertes, kuenstliches, das der fassade der indifferenz undoder staerke irgendwie aehnlich ist, beides fuehlt sich unecht an, entspricht nicht einem ehrlichen umgang mit den dingen, wie sie sind: meistens nicht besonders spannend, nicht ueberaus toll. groszartigkeitsbedarf aber generell zu grosz, entertainmentism et cetera.

ueberall sonne, warm.

dann dunkel, die haut glueht nach. muede auf eine art, die keine geraeusche ertraegt, musik, gar nichts. zufriedendste art zu sein, wenn ablenkung unangenehm wird.

innere ruhe viel zu selten.


2018 | 21. MAI
ungefaehr fuenfzigjaehriger mann faehrt mit anderem ungefaehr fuenfzigjaehrigen mann auf dem gepaecktraeger auf ungefaehr fuenfzigjaehrigem fahrrad vorbei, klappernd, quietschend, beide grinsen, als gaebe es dafuer entweder keinen konkreten oder einen sehrsehr guten grund. so ein spiegelonlinemoment, friedhelm und ansgar fahren seit 30 jahren zusammen zur arbeit, aber ihr glaubt nicht, wie, mit emoji in der artikelueberschrift, irgendwas entzuecktes, die welt gerettet fuer ein paar minuten.

ihr sollt NACHRICHTEN machen.

moment trotzdem irgendwie sehr gut.

putztag, um prokrastination vorzubeugen. erstes romandrittel ist grob durchgeplant, morgen wird weitergeschrieben. endlich wieder lust drauf, lange her. roman seit einem dreivierteljahr unangetastet, mal sehen, ob anknuepfen ueberhaupt noch moeglich; ansonsten alles neu. fast alles. kernaufgabe: figur #1 ihre sprache finden lassen. allmaehlich ungefaehre ahnung, wer sie ist, wie sie ist, was sie will – jetzt zuhoeren: wie redet, denkt sie?

nochmal zu oben: schon ziemlich geil, wie bei der figurenentwicklung das affektive, intuitiv stimmige zuweilen staerker ist als jedes konzept. zB: oft keine ahnung, worueber eine figur sprechen wuerde, aber praezise vorstellung von ihrer art, dinge zu sagen, von ihrem vokabular, der tonlage, dem gesichtsausdruck, und das alles bringt dann bestimmte aussagen hervor und verunmoeglicht andere.

textarbeit einfach zu einem enormen teil bloszes ausprobieren, irgendwie auch eine laecherliche taetigkeit.


2018 | 22. MAI
ich mache alles falsch /
ich mache alles richtig /
wir machen alles falsch /
wir machen alles richtig.

– neue nervenplatte irgendwie total wahnsinnig, also wirklich wahn-sinnig, total schizophren, mehr noise und mehr zaertlichkeit als zuletzt, verfuehrung, abschuss, rabiatesse, was. WAS.

ist das noch troubleshooting oder schon das kapitulationskapitel,

entschuldigung,
wollte nur das WORT benutzen,
ist ja hier nicht tocotronic, was soll das.


2018 | 23. MAI
dachte immer, einschlafen faellt mir auf die linke seite gedreht einfacher. jetzt, nach 30 jahren, gemerkt: liegt wahrscheinlich daran, dass ich immer erst die rechte seite ausprobiere, dann wechsel auf links, dann schlaf. starte ich auf links, vorher nie gemacht, dreh ich auf rechts, und schlaf kommt trotzdem.

trivial und gar nicht.
trivial und egal ist nicht dasselbe.
hauptsache schlafen, aber
trotzdem.



2018 | 24. MAI
– hallo.
– hallo.
– zwei grosze bier bitte.
– da, zwei grosze bier.
– danke. kannst du einen zettel machen?
– ja.
– auf thomas?
– ungern.
– wieso das denn?
– geht ulf?
– aber ich heisze thomas.
– sicher?
– ja.
– geht trotzdem ulf? oder reinhardt? den hab ich lange nicht gehoert.
– was spricht denn gegen thomas?
– was spricht denn gegen reinhardt? ich mach mit dt, das ist geil, komm schon.
– mach doch, was du willst.
– echt?
– ja.
– dann mach ich louis xvi.
– aber …
– trink dein bier, louis.

zoegernd ab.

ja, nein, ist so gar nicht passiert. sonst passiert aber auch nichts. bararbeit im sommer. mische tonic mit wasser, und auch ansonsten koennte die post vom abgehen nicht weiter entfernt sein.

neue mouse on mars allerdings ziemlich gut.




2018 | 26. MAI
man begegnet ihnen gar nicht wirklich, den abgelegten und durch das system gefallenen, man begegnet ihnen mit distanz,

mit uneigentlichkeit

bestenfalls guten absichten, von denen niemand was hat, aber:

MENSCHLICHKEIT? wichtig ja, genug nein, es ist so scheisze.

begegnen. worte zuweilen wirklich merkwuerdig, zynisch, unangemessen.

und sie gehen vorbei, man blickt: sie an, an ihnen vorbei, was einem am besten erscheint, nicht ignorieren, nicht exponieren, himmelschreiend bemueht um

NEUTRALITaeT

natuerlich der totale witz, die gibt es hier schon lange nicht mehr.

2018 | 30. MAI
wenn sie nicht direkt bezahlen, machen sie zettel, und natuerlich ist man faul und schreibt schon aus prinzip nichts aus, weswegen da dann halt nur buchstaben stehen, die woerter abkuerzen, aber es gibt nunmal nur so und so viele buchstaben und nur so und so viele sinnvolle abkuerzungen, da kann es schonmal mehrfachbelegungen geben, das bleibt nicht aus, und wenn dann jemand zwei glaeser weiszwein bestellt, steht da eben WW II, und wenn dann jemand drittes hinzukommt, ist der dritte weltkrieg eben einfach da, geht ganz schnell, liegt auf dem tresen rum und wartet darauf, dass ihn jemand bezahlt, aber ey, kein problem, dann schreibt man eben an, was ist schon ein krieg mehr oder weniger.

es ist so brutal schwuel, ich bin nur noch minipli und augenringe, the/das im hintergrund, es verdunkelt sich zusehends. gezapft oder flasche, es ist ihnen so krass egal, sie wollen keine fragen beantworten, sie wollen welche stellen und betrunken sein.



2018 | 8. JUNI
motorischer gleichklang,
notorischer gleichklang,

sitzen da, heben an, neigen die koepfe ein bisschen nach hinten dabei, perfekte gleichzeitigkeit, kleines ballett der traurigkeit oder des gluecks – sie flaschenbier (a), er e-zigarette (b).

(a) was dagegen? – was geht dich das an.
(b) sieht einfach scheisze aus.

im bett liegen mit kopfschmerzen, gestern vielleicht ein bisschen zu lang und eine zigarette zu viel, ja, wer sieht jetzt scheisze aus. aufstehen, rausgehen, von vorn.

ferner: laechle immer oefter hunden zu. statt menschen? oder zusaetzlich? ich glaube, ich schaetze, i don’t know.




2018 | 9. JUNI
zu dritt auf einem fahrrad, ein wenig bergauf geht es auch. ob spasz an der

absurditaet

oder spasz, der so verbissen gehabt wird, dass er die absurditaet gar nicht bemerkt,

man kann das oft nicht unterscheiden,
kaum von auszen und
noch weniger von innen,
und wenn doch, will man es eh nicht wahrhaben.

untaetig sein, nicht schreiben, ist schlimm, aber notwendig, im sinne von: notwendiger teil des prozesses, nichtschreiben gehoert genauso dazu wie schreiben, weswegen »schreiber« auch so eine unzureichende beschreibung ist. unter anderem.



2018 | 10. JUNI
»gute laune« von tao lin gekauft. neben »taipeh« leider der einzige uebersetzte titel. lins themen einfach zu gegenwartssensibel und -spezifisch, woran wieder deutlich wird: natuerlich gibt es nicht eine, sondern diverse gegenwarten. diverse realitaeten, und die amerikanische ist nun mal nicht die deutsche. nicht im alltaeglichen, im kleinen. wobei man sich nicht einreden darf, diese inkongruenz waere der einzige grund, warum lin hier keine buecher verkauft. die leute kaufen eben nach wie vor hauptsaechlich dreck.

zwei ausgaben »metamorphosen« bestellt, die aktuelle und eine alte. neues thema ist journal, also tagebuch- und tagebuchige formate, interessiert mich, jetzt da meines im herbst veroeffentlicht werden soll, dann doch irgendwie noch mal besonders. stelle fest: nicht nur, weil ich wissen will, was andere dazu zu sagen haben, sondern auch aus immenser genervtheit darueber, dass ich da anscheinend wieder ein thema beackert habe, das eventuell laengst ueberbeackert ist. (eigentlich gar kein thema, sondern ein format. wobei das in diesem fall irgendwie nicht gaenzlich voneinander zu loesen ist.) letztlich bedeutungslos, haette am vorgang des schreibens nichts geaendert, an der veroeffentlichung auch nicht, aber trotzdem. im trend liegen ist immer scheisze. altes thema, bei »metamorphosen«: new sincerity. tao lin ja auch posterchild dieser – verzeihung: – bewegung. erster gedanke: total logisch, dass eine stroemung, ein trend, eine aesthetik wie new sincerity in der en-vogue-ness von tagebuchformaten muendet. zweiter gedanke: je nachdem, wie ernst man es mit der tatsaechlichkeit von tagebuchinhalten haelt, wie sehr man zugunsten von selbstdarstellung, selbstbeweihraeucherung, selbstbemitleidung et cetera luegt und schoent und verfaelscht, laesst sich die vermeintliche aufrichtigkeit aufs effektivste aushoehlen, weil die leserIn nicht davon ausgehen will, belogen zu werden, es wird im gegenteil davon ausgegangen, nah dran zu sein, ganz nah dran, man will die autorIn im text atmen hoeren, den bitteren kaffeeatem riechen, will sich sicher sein, ein stueck eigentlichkeit zu bekommen, ein stueck direktheit, gern schonungslos oder distanzlos oder ungeschoent. das ding ist: wenn ich ins tagebuch schreibe, mir nach dem aufwachen einen runtergeholt zu haben, hat das keinen groeszeren wahrheitsanspruch als alles, was ich einer romanfigur zu tun vorschreibe. nicht, wenn es um beweisbarkeit geht. tagebuecher sind immer selbstdarstellung, und jedeR mit einem generellen bedarf, sich darzustellen, ist eitel genug, um ueber kleine faelschungen hier und da mindestens nachzudenken. aber was lesende nicht vermuten wollen, das vermuten sie auch nicht. also vermuten sie eben keine faelschung, sondern echtheit. sie vermuten – sorry again: – authentizitaet.

(dass luegen in sich oft das authentischste sind, was menschen so von sich geben, ist fast schon wieder oder auch gar nicht nur fast ein thema fuer sich, glaube ich.)

jedenfalls: mich interessiert das potenzial der unaufrichtigkeit und inszenierung mehr als eine notwendige ehrlichkeit. new insincerity. formate, die die grenzen verwischen, was echt ist und was nicht, obwohl sie vorgeben, das gegenteil zu tun.

houellebecqs »unterwerfung« als fernsehfilm: fuehlt sich an wie die motivationslose antwort auf die frage, wie man einen stoff sonst noch zu geld machen kann. selge in theateradaption wunderbar, im film: naja. atmosphaere geht anders. vermutlich nicht seine schuld. reicht halt als folie fuer die tausendste anmaszende talkshow. film nicht zuende geguckt.


2018 | 11. JUNI
nikolaidis‘ »der sohn« gelesen. kurzformatig und duester, wie schon »die ankunft«. diesen dreh ins surreale, so dezent nikolaidis ihn halten mag, und er haelt ihn wenigstens im »sohn« sehr dezent, ich mag ihn wirklich nicht. wenn die realistische realitaet verlassen zu werden droht, die geschichte zu offensichtlich geschichte wird und das potenzial aufgibt, tatsaechlich zu passieren: da kann der hinweis auf uebernatuerlichkeit noch so beilaeufig, noch so vermeintlich unbedeutend sein, es macht mich wahnsinnig. ich will das nicht. (letztlich sind hinweise auf uebernatuerlichkeit next-to-niemals unbedeutend, und gerade, wenn sie beilaeufig erscheinen, sind sie das nicht.)

ich glaube, der grund ist, dass mein schreibprozess immer mit erfassung und loesung von problemen zu tun hat, realen problemen, vorrangig meinen eigenen. das verlassen der realitaet fuehlte sich an wie flucht, parabelhaftes schreiben liegt mir nicht. wahrscheinlich kann ich es einfach nicht gut, das mag aber auch daran liegen, dass ich kein interesse daran habe. nichts gegen raetselhaftes, unaufgeloestes, (vorgeblich) arbitraeres, das ist zumutbar und im sinne einer leserInnenerziehung sogar gut, da soll die literaturkritik sich meinetwegen die an allerlei veralteten kanons geschaerften zaehne dran ausbeiszen, solange am ende nicht nichts rumkommt, muss nicht alles dialektik und logikhygiene sein.

aber.

so sehr ich metaphorische verspieltheit schaetzen kann, so wenig erdulde ich das ausweichmanoever ins maerchenhafte, ins surreale. ich bin ueberfordert genug damit, meine probleme in der welt, wie sie ist, zu loesen, da fuehlt es sich (a) unnoetig und (b) wie betrug an, das eroertern in traumwelten auszulagern, es erscheint widersinnig. gewiss gibt es ausnahmen, aber die gibt es immer. der universalvorwurf beim lesen von surrealitaeten: da schafft es jemand nicht, mit dem zu arbeiten, was da ist – dabei ist das so viel! wenn du es nicht schaffst, deine probleme im realistischen zu isolieren und zu verhandeln und eventuell sogar zu loesen, probier’s erneut. und erneut. flieh nicht einfach, denke ich dann. ein freund von mir nimmt, wenn wir diskutieren, gern realitaetsferne praemissen zur hand und sagt: aber jetzt mal angenommen, es waere so …, und will dann, darauf aufbauend, seine argumentation konstruieren. klingt harsch, aber da kann man das gespraech auch seinlassen. worueber reden wir denn hier? wollen wir zu einer echten loesung kommen oder zu einer fantasieloesung?

schon klar: literatur muss nicht loesungsorientiert sein. sie ist es nur fuer mich. beim schreiben. und das laesst mich auch bei der privaten lektuere nicht los. (die es natuerlich irgendwie nicht mehr gibt, weil es zwar solche buecher gibt, die ich explizit zu recherche und vorbereitung eines projekts lese, und solche, von denen ich mir keinen beitrag zu meinem schaffen verspreche – aber eben nicht zwei menschen, die diese buecher lesen, nicht mal zwei anteile oder haelften desselben menschen, sondern einfach nur mich, der liest und schreibt und muesli isst und raucht und hosentraeger irgendwie ganz geil findet, das ist alles eins, ein menschklumpen, der dinge tut und dinge gut oder schlecht findet.)

ausnahmen auf ganz anderer ebene, systemische ausnahmen quasi, bilden buecher, deren ganzes setting ein unrealistisches ist. wenn die uebertragbarkeit unzweifelhaft notwendig und unmissverstaendlich ist, dann geht es. auch davon kein riesenfan, aber zuweilen mag ich das sogar. leif randt kann das, thomas von steinaecker auch. leif randt sowieso meisterhaft, was das erschaffen abgeschlossener selbstgenuegsamer erzaehlkosmen angeht. aber das ist eben der unterschied: erschaffen eigener welten versus gelegentliches verlassen der eigentlichen, urspruenglichen.

keine ahnung, vielleicht reizt mich das irgendwann doch. das spiel mit dem surrealen. hat es schon mal. derzeit kommt es mir unmoeglich vor, etwas zu schreiben, das nicht gegenwartsbezogen und realweltlich kompatibel ist. was lustig ist, da der geplante roman der gegenwart einige jahre voraus sein wird. aber gerade da geht es eben um die strenge pruefung, welche entwicklungen aus dem jetzt realistisch erscheinen. parabolisch darf es natuerlich immer werden, gegen uebertreibung habe ich grundsaetzlich nichts. ist etwas vollkommen anderes.

abschlieszend: naturbeschreibungen habe ich an dieser stelle bereits verteufelt, hiermit sei eines der unertraeglichsten genres ueberhaupt der liste literarischer no-gos hinzugefuegt, die im verlauf dieses blogs sicherlich fortgesetzt werden wird und sich voruebergehend so liest:

- naturbeschreibungen
- magischer realismus

das wars. achja, eins noch. nein, doch nicht.


2018 | 12. JUNI
gestern abend zum schreiben kanne espresso getrunken. frage, ob inzwischen gegen die wirkung immun, hiermit geklaert. bin ich nicht. was ja nicht heiszt, nicht muede zu sein. himmelschreiend muede in der theorie, faktisch hellwach. wachbleiben und weiterschreiben keine option. kopf komplett geraeumt.

sekundenschlaf, vielleicht
minuten –

wach. und muede. frust, weil ich das fenster schlieszen muss, der nachbar macht bei offenem fenster irgendwas sehr laut, nur um dann bei geschlossenem fenster sowieso nicht zu schlafen. laptop an, irgendwas bei youtube raussuchen, alles nervt. laptop weg.

sekundenschl–
vielleicht.

schaetzungsweise 4 uhr: schlaf. wach um 5 uhr 30. unveraendert muede und unveraendert wach, jetzt mit kopfschmerzen. kapitulation. aufstehen, mehr espresso. jetzt ist ja egal. tag ist trotzdem schon gelaufen. sollte lesetag werden, viel auf dem zettel, wird nicht klappen. jetzt schon unkonzentriert, und wenn ich zu lesen beginne, werde ich einschlafen. DANN werde ich schlafen. zu erledigen: zur bank, zur post, einkaufen. so kriegt man keinen tag rum.

seltsam spezifischer gedanke beim warten auf den espresso: privilegiertsein einsehen bedeutet auch: einsehen, dass einem die nichtprivilegierte PERSPEKTIVE fehlt. sagen, ja, ich bin privilegiert: reicht nicht. es geht um mehr als faktische umstaende. um erfahrungen, erduldenmuessen, hinnehmenmuessen, delegitimierte affekte. einsehen, keine einsicht zu haben. wer seine privilegien eingesteht und trotzdem meint, fuer alles und alle einklaerung zu haben, gesteht seine privilegien nicht ein. nicht die, um die es im kern gehen muss.

der espressokocher pfeift inzwischen irrsinnig laut. es ist 7 uhr 56.


2018 | 14. JUNI
warte seit heute vormittag auf die anfrage irgendeines egalenwelchen drecksblatts, ob ich nicht eine woechentliche kolumne schreiben wolle, es gaebe auch gutes geld, kommen sie, wir wissen, dass sie das brauchen koennen, nur weil ich gerne sagen wuerde, ja, stimmt, bisschen geld waere gut, aber ich bin nicht bereit, meine ueberzeugung als geisel herzugeben, weil geiselnahmen eine heikle sache sind, wenn man nicht zufaellig liam neeson ist oder kennt. bislang hat sich niemand gemeldet, aber es eilt ja nicht; sollte nur eben passieren, bevor ich liam neeson kennenlerne oder werde oder ich das geld ueberhaupt nicht mehr noetig habe. halte alle drei szenarien in etwa fuer gleich wahrscheinlich.

auszerdem total zufrieden mit der neuen website. da liefen aesthetische vorstellungen (gern eher spaerlich) und programmiererische faehigkeiten (eher sehr spaerlich) gut ineinander. tatsaechlich aehnlich geiles gefuehl wie wenn ich irgendwas handwerkliches gemacht habe, was weniger an den taetigkeiten selbst liegt oder dem gestalterischen aspekt, sondern eher daran, dass ich weder das eine noch das andere wirklich beherrsche, am ende mit viel ausprobieren und neumachen aber trotzdem irgendwas halbwegs ansehnliches rauskommt. feinheiten nicht beherrschen und trotzdem ans ziel gelangen ist eine ganz andere form der befriedigung, irgendwie genuegsam und trotzdem nicht frei von stolz. und wenn dann eben ein loch zu viel in der wand ist und man erst mal ein paar stunden an html verzweifelt ist, bevor das ergebnis das gewuenschte oder immerhin sowas aehnliches ist: voll egal. gelingt mir bei der tresenarbeit nicht. da muss jeder drink sitzen, es geht um zutatenmilliliter, jedes bier ordentlich gezapft sein. à propos. dann will ich mal.


2018 | 17. JUNI
arbeit am einen, danach transitgetraenk am anderen tresen, die nacht ist der morgen ist strukturlose struktur, ich muss aufgestanden sein, stehe aber nicht auf, bleibe einfach wach, bleibe angezogen, bleibe ungeduscht, zum glueck unbetrunken.

los. 0.75 stunden geschlafen im flugzeug, ich bin wach. »metamorphosen« zum literarischen arm der new sincerity gelesen, dem zeitgenoessischen: uff. schon zum groeszten teil schlicht (und) langweilig, habe ich gedacht. wahrscheinlich genau wie das hier, habe ich gedacht.

meco: parken geht fuer 80 cent, fuer 1 euro, fuer 2 euro. die 1-euro-parkplatzvermieter wirken von weitem irgendwie zufriedener als die 2-euro-parkplatzvermieter. vielleicht zahlt man vor allem dafuer drauf: performte diskrepanz zwischen denen, die arbeiten muessen, und denen, die sich an den strand legen koennen, die jetzt frei haben, weil das hat man sich verdient. aufpreis fuer die muerrisch dargebotene gewissheit: da hat es jemand schlechter als ich. wahrscheinlich aber nicht, parken wird einfach zum strand hin teurer.

sardinen auf brot, weil fuck it.

café/kaffee in einer muehle.

parque natural de arrábida: wildwuchs, geroell. dinosaurier, frueher mal. pfade, gelegt und zerfurcht von wasser, das nicht da ist, das einzige wasser rauscht unten im tal, begrenzt den park nach suedosten hin. steigen hinab ueber verwaiste wege, manche steine sind locker. dauerhafhtes gefuehl von: in deutschland gaebe es sowas nicht, unadministrierte haftbarkeitsrisiken, absturzgefahr, auf eigene gefahr. keine warnhinweise, keine befestigungen, einfach nur wege oder was von ihnen uebrig ist.

wasser, autowrack, darueber thronen klippen. instagram. wieder rauf. kapelle, pilgerstaette, foodtruck.

sesimbra: fuesze im wasser, seafood. big time fuck it. laufen am strand. dann heimwaerts.

viel kreisverkehr beziehungsweise viele kreisverkehre. in der regel die zweite abfahrt.

sonnenbrand.




2018 | 18. JUNI
rauchen auf dem balkon. gegenueber einer, der telefoniert, er interessiert sich nicht fuer mich, ich danke es ihm. schnipse den kippenrest auf die strasze hinunter, landet auf einem auto. laufe runter, so geht das nicht, werfe ihn auf den gehweg.

intendente wahnsinnig angenehm, gemischt, unpolished, wer weisz, wie lange noch. fuer den moment: zuhausegefuehl, zumindest im ansatz.

rastlos, unruhig. von-der-welt-abgeschnitten-sein-gefuehl. garantiert nichts als sebstmitleidige totum-pro-parte-uebersteuerung, aendert aber nix. aendert aber nix: vielleicht genau die falsche einstellung an dieser stelle beziehungsweise sehr oft. eventuell einfach emotionaler defaetismus, der alles nur schlimmer macht, so ein naja, mir geht’s halt schecht, was soll ich daran schon aendern?

naja, IRGENDWAS halt.


2018 | 19. JUNI
»nur eine gesprochene sprache kann in sich selbst oder in anderen sprachen die neuen ausdrucksschattierungen, die neuen wortverbindungen finden, die den neuen beduerfnissen entsprechen; sie findet sie in der vergangenheit, die wieder auflebt, sie findet sie in einer region, die ueber einen beliebten, volkstuemlichen schriftsteller einen ausdruck bereitstellt, der bisher nur dialektal gewesen ist; sie findet sie in einem buergerlichen oder proletarischen milieu, das neben der gemeinsamen hochsprache seinen berufsjargon aufweist, der zu einem bestimmten zeitpunkt der gemeinsprache eine metapher, ein bild, einen namen bietet, der bisher gefehlt hat. die sprache haengt in hoechstem masze von der allseitigen entwicklung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen taetigkeiten ab und wirkt nur zu einem kleinen teil auf diese zurueck oder bestimmt deren veraenderungen« –,

bringt gramsci das regionale, dialektale, soziolektale gegen den vorschlag einer welt- oder generalsprache, einem esperanto, das er grundsaetzlich ablehnt, in anschlag. lediglich die annahme, dass sprache nicht auf gesellschaftliche sowie wirtschaftliche taetigkeiten – und damit: strukturen, strukturierungen – zurueckwirke, stoert mich daran, diese aber nicht wenig. wenn er mit wirtschaftlichen entwicklungen jetzt das bip oder vergleichbares meint, hat er sicherlich recht – aber wo bleibt da das bewusstsein fuer soziale schieflagen, fuer diskrimierung im zugang zu arbeit, ungleiche bezahlung? ist nicht sein fokus an dieser stelle, schon klar. derlei faktoren auszer acht zu lassen, ist aber gefaehrlich. jargon-, branchen-, soziolektalsprachliche strukturen, die diskriminierend sind, wirken sich sehr wohl wirtschaftlich und gesellschaftlich aus, wirken zurueck auf lebensrealitaeten, nur nicht auf jene derer, die in der mehrheit sind und sich das recht der diskrimierung herausnehmen. schade, dass er da nicht praeziser war. verleidet mir doch in ansaetzen einen punkt, den ich grundsaetzlich schluessig finde. naemlich den, dass esperanto letztlich eine schnapsidee ist, eine romantische vorstellung, die, weil generalsprachen notwendigerweise starrer sein und spontaner veraenderbarkeit gegenueber verschlossener bleiben muessen, nicht mal in der theorie wirklich sinn ergibt, sofern die sprache ausdrucksmittel fuer mehr als allgemeine und allgemeingueltige sachverhalte sein soll – die es eben nicht gibt, sondern hoechstens gueltig fuer die mehrheit. eine sprache ohne feinheiten wird zum bloszen werkzeug, noch dazu zu einem stumpfen. sprachliche abstumpfung bedeutet auch abstumpfung auf anderen ebenen. sie wirkt zurueck. von daher hat er eben im grunde absolut recht: es braucht die subsprachen. nur sind diese eben nicht ueber kritik erhaben, nur weil sie, von idealistischen kriterien befreit, feinheiten abzubilden in der lage sind. sprache ist nie ideologiefrei, nie unpolitisch, nie ungesellschaftlich. das muss einfach klar sein.


2018 | 20. JUNI
hoellische schwuele, dann regen. luft etwas besser; was bleibt, sind die kopfschmerzen. einsam, ringen um rationalitaet. morgenfrueh flug nach hamburg, ich will nicht und will doch, will nichts. nein, nicht nichts. aber wieder einmal: etwas anderes.

where is my mind? kann meine gedanken nicht ordnen. nicht hier, jetzt, allein. brauche hilfe oder zuhause. musik geht nicht, angst vor ihrer affektiven wirkung.

komm mir nicht so. aber komm. komm her.

kopfschmerzen.


2018 | 21. JUNI
gelandet. die frau mit dem snoopytattoo ueberm knoechel traegt lacosteschuhe zur dreiviertelhose, wie es ihr geht, weisz ich nicht. frage mich, ob sie gluecklich ist, oder ob sie sich schonmal gefragt hat, was sie zum gluecklichsein braeuchte. vielleicht ja nur ein bisschen flippige tinte unter der haut und ein semiteures paar sneaker, alter, das waere geil. aber vermutlich nicht.

der typ, der zu musik vom band trompete in der s-bahn spielt, tritt mir auf die fuesze. ist aber nicht der grund, weshalb ich ihm kein geld gebe. was soll der scheisz. in der proppevollen bahn, morgens um, jesusherrgott, es ist schon wieder halb 12. transit, transit, transit. reicht irgendwann. waeren gar nicht so schlimm, diese einzelnen momente im zwischenland, wuerde sich nicht alles so unfertig anfuehlen, so voruebergehend und anonym und unverbindlich. bin gerade aber auch merklich nicht neutral, ich ruhe nicht, der transit kommt von innen oder breitet sich da immerhin aus.

guertel am flughafen vergessen. vielleicht jetzt einfach zu- und nicht wieder abnehmen, geld fuer neuen guertel sparen, und die hose bleibt, wo sie ist.

transit, tranSHIT, kleiner transIT-BOY.

neue buecher sind da, neue »metamorphosen«. sehr gut. mehr tao lin: mehr gut. goetz' »dekonspiratione« zur recherche. irgendwann wird das doch noch was mit dem roman.


2018 | 22. JUNI
die nachbarin von oben holt ihr paket ab. warum ich eigentlich immer da waere. weil ich zuhause arbeiten kann. was ich denn taete. schreiben. ob man schon was lesen koenne. erscheint im herbst. dass es eine ehre sei, einen kuenstler im haus zu haben. halte ich fuer quatsch. nein, das finde sie nicht, auszerdem sei ich ohnehin ein engel, wegen der pakete andauernd.

praedikat engel definitiv eher verkraftbar als die behauptung, meine anwesenheit sei eine ehre, weil ich tue, was ich tue. da ist sie wieder, diese aufladung von allem, was kuenstlerische arbeit ist. waere ich krankenpfleger haette sie das nicht gesagt, aber viel mehr grund dazu gehabt.

so viel zu lesen.

vor dem schlafengehen neue erkenntnisse und inhaltliche zielsetzungen fuer den roman notiert. unglaubliches gefuehl, mit ideen einzuschlafen. kleine rettung gerade, lenkt kurz davon ab, womit ich nicht einschlafe. respektive mit wem.


2018 | 23. JUNI
gestern abend notiert: david axelrod. reingehoert, sehr schoen.

spontan in traenen ausgebrochen, minutenlang heulen und einsamkeit. dann zur ablenkung raus, mikrofon gekauft. testweise ein paar textstuecke eingelesen, verfremdet, hall drauf et cetera. klingt ganz gut. fuer das bandprojekt mit e. glaube, tut uns beiden gerade gut, sich auf etwas konzentrieren zu koennen. sind fuer dienstag verabredet.

gestern abend saal II. bekam ein getraenk ausgegeben und war ganz geruehrt. so ungewoehnlich jetzt nicht, aber trotzdem. man ist nett zu mir. es ist irgendwie schoen: die prekaere nische, sie organisiert sich selbst. man bringt sich gegenseitig durch. von bar zu bar. hier ein augenzwinkern, da ein augenzwinkern, man hat nicht viel, und man teilt und mogelt sich so durch.

muss dringend einen neuen schreibtisch kaufen, einen groeszeren. merke, dass ich den jetzigen immer oefter meide, so geht das nicht mit dem arbeiten.

arbeit in der bar, wir zeigen das spiel. im hinteren raum, ich kriege wenig mit. spiele im vorderbereich die neue oneohtrix point never in schleife, geiler kontrast. weisz bis jetzt noch nicht, wie das spiel ausgegangen ist. lese waehrend der schicht die neue »metamorphosen« und mache notizen. ueber tagebuecher lesen und nebenher tagebuch schreiben: lustig.

nach der schicht in die beat boutique, L. legt auf. gute gespraeche und schnaps, im hellen heimwaerts. gerade geht’s.


2018 | 24. JUNI
um die alster gelaufen. gut gefuehlt. dann schlecht gefuehlt. fast weinen auf dem fahrrad. sonntag komischer tag, trotz lebensmodell, in dem feste tageweise einteilung der woche in arbeit und pause unnoetig ist.

saal II, tao lin lesen. »vielleicht hatte sie nur aus hoeflichkeit zehnmal hintereinander so begeistert gesagt, dass sie sich blendend amuesierte. vielleicht war es sarkasmus gewesen. vielleicht sind hoeflichkeit und sarkasmus auch dasselbe.« uff. lins monotonie, das repetitiv-phlegmatische: strengt mich gerade wahnsinnig an. muss es womoeglich, soll es. trotzdem.

phở, dann wieder saal II, diesmal mit c.; reden viel und lange. tut gut.

ein instragramhashtag macht mich traurig. ich hasse das alles. viel wein. zu viel? was weisz ich.

mehr schreiben auszerhalb von langzeitprojekten, auszerhalb vom tagebuch. mehr mittelstrecke, essayistisch, es gibt so vieles, das pressiert. thema macht & sprache laesst mich nicht los, nur keine ahnung, ob ich etwas neues beizutragen habe. ist wahrscheinlich egal, manches muss einfach immer und immer wieder gesagt werden, verstaendlich gemacht werden, es geht auch darum, dass themen praesent bleiben, nicht verblassen, nicht einer muedigkeit weichen. das gros ist sowieso muede, nicht anstecken lassen. weitermachen. einfach weitermachen. verdammt nochmal. wo publizieren? weisz nicht. vielleicht erst mal hier, dann weitersehen. exklusivitaet ist scheiszegal, sichtbarkeit nicht. darum bemuehen, das eigene schreiben irgendwo stattfinden zu lassen. um outlets bemuehen, plattformen.


2018 | 25. JUNI
essay zu macht & sprache angefangen. einfach machen. nebenher ideen fuer das bandprojekt sammeln. ueber eine health-app mit dem namen »preventicus heartbeats« gestolpert. verflucht, ist das ein guter songtitel.

wo andere, dem klischee nach, sich liebesfilme angucken, um sich einer emotionalisierung hinzugeben, schaue ich traditionellerweise »the newsroom«. der kampf um pressefreiheit und integritaet, die verteidigung inhaltlicher relevanz gegen die kapitalistische verwertbarkeit, das ist mein kitsch, mein kick, meine romantik. nimmt mich total mit.

pflanzen fuer die wohnung gekauft. kann ich mir ueberhaupt nicht leisten. aber es fehlt hier was. leben. jetzt blosz nicht denken: gesellschaft. so endgueltig vereinsamt und verschrullt bin ich doch noch nicht. hoffentlich. bisschen umgeraeumt auszerdem, jetzt alles gruener, besser. vielleicht jetzt auch wieder besser arbeiten koennen. wohngeld immer noch nicht da. bald sind die reserven alle.

besuch, aber schlechte laune. bald sind die reserven alle.



2018 | 26. JUNI
sie arbeiten mit einem neuen system, hat der mann vom amt gesagt. das denken die sich doch aus.

essay weitergeschrieben. geht langsam, aber voran. laufen, kurz und schnell, zu pathosmusik. weitergeschrieben. konkretes projekt haben: unglaublich gut. lenkt ab. freude darueber, sich ablenken zu koennen: spricht fuer sich. ablenkung dringend noetig.

tao lins »gute laune«: wahnsinnig anstrengend. dachte, das gibt sich. tut es nicht. schon klar, das soll alles so sein, wie es ist. aber wie es ist, ist eben anstrengend. und ziemlich unspannend. nichts von der raffinesse, die »taipeh« ausmacht, keine absurd guten sprachbilder, was natuerlich auch an der erzaehlperspektive liegt. penetranter, in nervigen schlaufen durchgepeitschter ultraemostil, dem man, waehrend er inhaltlich das totale nichts durchwabbelt, seine konstruiertheit so wahnsinnig anmerkt, dass er sich selbst total entlarvt, da bleibt irgendwie nichts uebrig. hat was von maeszig kreativer, aber fuer sehr kreativ gehaltener hausaufgabe fuer ein (maeszig-)kreatives-schreiben-seminar. bisschen angetaeuschter nihilismus und stilistische pseudoselbstaufgabe reichen dann doch nicht, um bret easton ellis zu sein.

»the chief officer of age uk, mark robinson, warned that social isolation could be worse for a person’s health than smoking fifteen cigarettes a day.« aus dem new yorker. seit anfang des jahres gibt es in england einen minister for loneliness.

abends kitty. treffen mit bruder, auszerdem letzte schicht von j., bevor er wegzieht. sehr schade. (letzteres.) ersteres schoen, aber anstrengend. warum? weisz nicht. gereizt und geduldlos. viel wasser, dann bocklos schnaps, dann semibocklos schnaps, dann erkenntnis: hierbleiben und heimfahren ist irgendwie dasselbe, alles ist dasselbe, ich will gehen. fahren. schnell. schnell klappt: gut 6 minuten bis zuhause.

ich liebe es, wenn die ampeln schon abgeschaltet sind. achja, waren sie gar nicht.



2018 | 27. JUNI
seit tagen morgens keine lust mehr auf kaffee. aus gewohnheit weiter morgens kaffee. morgen vielleicht auf tee umsteigen, so unflexibel kann man doch ueberhaupt nicht sein.

stimmt ja, die intro hats auch weggerafft. naja. und auf die letzte ausgabe soll jetzt wirklich ein morrissey-zitat, bzw. smiths-? there's a light und so weiter? come on. wenn morrissey eins bewiesen hat, dann, dass einige lichter sehr wohl sehr ausgehen. oder nur noch braeunlich vor sich hinflackern. natuerlich kann man das trennen, das damals und das heute, wenn man das moechte, aber als letztes lebenszeichen einen rassisten zitieren, dessen 80er-vermaechtnis ohnehin schon zum abgegrabbelten abziehbild des abgegrabbelten abziehbildes des melancholischen zitats geworden ist? enttaeuschung ist ein zu groszes wort, aber ein bisschen scheisze ist das schon.

rough draft des essays beinahe fertig. morgen beenden, dann an t. schicken, zweite meinung hoeren.

abends zu e. weisz, dann rot. rauchen am offenen fenster irgendwie ein lustiger ausdruck; rauchen am geschlossenen fenster ergibt echt wenig sinn. im hinterhof musik. stimmung nicht gut, aber irgendwie doch. man hilft sich. es muss gehen.

sanft angesoffen mit dem fahrrad heim.


2018 | 28. JUNI
wach nach vier stunden schlaf, sachter nachhall von wein im system, eher ahnung als kater. tatsaechlich immer noch kein kaffeebeduerfnis beim aufstehen. trotzdem kaffee. mittelbefriedigend. direkt tagebuch fuer gestern nachgetragen, dann laufen mit noch kleinen augen. wieder zurueck, kurz muesli, dann essay fertiggeschrieben. noch total rough, aber das gerippe steht jetzt.

bett neu bezogen. website fuer bandprojekt angemeldet; instagram-account gibt es auch schon, seit gestern abend. casual dedication. naechste woche: sticker bestellen. irgenwann: vielleicht auch musik machen.

15 uhr, und alle to-dos des tages weggearbeitet. goetz' »dekonspiratione« angefangen; mischung aus gar nicht so anstrengend, wie ich dachte und exakt so praetentioes, wie ich dachte. liest sich bislang aber gut. zerschossenheit, ich mag das ja, nur eben nicht zum selbstzweck. zwei stunden mittagsschlaf.

nachmittags kaffee ein riesending. also doch kein leben ohne koffein. feinschliff am essay, kamasi washington.

abends hinter den tresen. muss mich zwingen, eine kleinigkeit zu essen, wenig hunger in letzter zeit. wie alt ich denn waere, wenn ich zeit haette, buecher zu schreiben. ich mach ja nix anderes, sag ich, da hat man die zeit dann eben. logischer volltreffer, dieser satz.


2018 | 29. JUNI
dreieinhalb stunden geschlafen, aber wach. halbwegs. schlafbeduerfnis nein, aber runtergeregelt. ganze kichererbse im hummus. glaube, ungefaehr so fuehl ich mich gerade. uebrig. meine fresse, so geht das auch nicht weiter, pathosmetaphern et cetera, emoscheisz. was soll das.

vorlaeufige website fuers bandprojekt aufgesetzt. eigentlich ganz huebsch. korrekturen zum essay erhalten. text erscheint mir jetzt vollkommen ueberfluessig, eine aneinanderreihung von ungenauigkeiten. fuehle mich entsprechend. wie eine aneinanderreihung von ungenauigkeiten. vermutlich nicht ganz unrealistisch.

laufen, kopf freikriegen. klappt kurz, dann kopf wieder voll. leider mit unnuetzem geruempel.

kitty, am tresen. bekannte menschen. zigaretten kratzen im hals, immerhin reichen die blaettchen noch. heimwaerts um 3, der lautgaehner von oben begleitet mich laut gaehnend in den schlaf.


2018 | 30. JUNI
schon wieder viel zu frueh wach. mogwai. »crossing the road material«. was ein wahnsinn.

menschen sitzen bei mir am tresen und sprechen ueber ihr – ihre wortwahl: – liebesleben. typ benutzt formulierungen wie »da hat das letzte quaentchen gefehlt«, und er sei »das mit angezogener handbremse« angegangen. okay.

frage mich, ob es einen zusammenhang gibt zwischen einem sprechen ueber dinge in phrasen und einem entsprechend phrasigen leben dieser dinge. glaube: ja. schaetze, es kann schwierig werden, jenseits von vorformulierten anspruchs- und beduerfniskategorien zu empfinden, wenn man nicht jenseits von ihnen denkt und spricht. man muss schon hinter die woerter gelangen. bisschen prosa schadet nie, so ganz generell und auf alles bezogen.


2018 | 1. JULI
schlechter tag fuer notizen, guter tag fuer mich. nichtstun, ruhen. nachmittags korrekturen an der abschlussarbeit von e. im saal II, dann kurz zu ihr, korrekturen durchsprechen.

voellig absurd: lese nichts, denke an nichts, trotzdem ideen fuer den roman, erkenntnisse. einfach so. das hirn ist ein vollidiot.

kochen fuer mich allein; kein gespraechszwang, kein alkohol. rumliegen, einschlafen. war mal wieder noetig, so ein tag. plan fuer die nacht: 7 bis 8 stunden schlafen und morgen unsagbar fit sein. haha.


2018 | 2. JULI
wach um 6:30 uhr. come on. letzte korrekturen an e.s arbeit, tagebuch. jetzt wuerde ich wirklich gern schlafen. geht aber nicht, ich soll auf meine nichten aufpassen. bei ankunft: oh, hatten wir ganz vergessen, du kannst wieder gehen. mach ich.

nachmittags ein geburtstag, familie. man trinkt, ich nicht. einfach keine lust. man wundert sich. was mich nicht wundert. manchmal ist einfach nicht die zeit.

ob es »where's waldo?«-fanfiction gibt? ueber sein privatleben?

spaetabends laufen einfach fantastisch. der tag hat aufgegeben, die luft ist abgekuehlt, die menschen sind weg. wenn niemand mich sieht, zaehlt nur das laufen selbst. kein aussehen, kein ausweichen, nix, einfach weiter und weiter, am ende noch nicht befriedigt und einfach noch ein stueck weiter.


2018 | 3. JULI
letzter beitrag in den aktuellen »metamorphosen«, eine sammlung von tagebucheintraegen: am datum meines geburtstages notiert der autor lediglich: »warum noch schreiben?«

es gibt wirklich »where's waldo«-fanfiction. ein eintrag endet mit: »waldo knows where he is. he's in purgatory.« rede mir ungefaehr siebzehneinhalb sekunden ein, mich koennte interessieren, was da sonst noch so steht. komm lass.

kitty, tresen. laenger als geplant und zu lange, da ist ein groszer unterschied, und wenn schon kein groszer, dann doch immerhin irgendeiner, einer, der morgen nicht mehr spuerbar ist, aber heute sehr, und gut fuehlt der sich an, mischung aus pubertaetsschweisz und erwachsenenkomplex und gesellschaft.

»und ich, ich bin der junge, den du nicht mann nennen sollst /
weil das fuer alles steht, was falsch ist.«


2018 | 4. JULI
fotos fuer das tagebuch gescannt. qualitaet super, druckfaehig. fuehlt sich gut an. weiterer schritt richtung tatsaechliches, fertiges erzeugnis. will unbedingt ein ding in haenden halten, ein buch, meins.

wohnung untervermietet, dabei bin ich in der stadt. das war, literally, so nicht geplant. einige tage zu c. auf die couch.

merke, dass ich damit anfange, nahesetehenden menschen meine sorgen vorzuenthalten. will nicht der sein, dem es andauernd schlecht geht. frage, was ich zu gewissen freundschaften eigentlich beizutragen habe, steht im raum und blaeht sich auf und verunsichert mich enorm.

abends laenger aus als geplant. again. naechsten drei tage tresendienst, das wird gut und anstrengend, arbeit ist gut, dazwischen zwielichttage, zwischenwelt, das licht, das zwischen naechten liegt.


2018 | 5. JULI
twilight. hunger. einkaufen. zurueck auf die couch, doesen und kaffee und youtube-randomness, die keine randomness ist, weil algorithmus, jaja.

doesen, doesen, doesen. schlafen: nein. schlau ist das auch nicht.

bestenfalls maeszige betriebsamkeit in der bar, viel zu tun ist nicht. irgendwie unangemessen, aber geil: aphex twin hoeren, jon hopkins hoeren.

nach der schicht in die mutter. als letzter raus. ups.


2018 | 6. JULI
objektiv zu kurz, gefuehlt ausreichend geschlafen. kaffee. keine ruhe. laufen am hafen. ruhe.

»auf ein paket gegen illegale migration und eine verschaerfung der asylpolitik geeinigt« / »fachkraefteeinwanderungsgesetz«. man nimmt, was man braucht. seehofer sagt jetzt nicht mehr transit-, er sagt transferzentren. die perspektive wird verschoben. benennen darf, wer die macht hat. fuer die, die harren und hoffen und abgeschoben werden, ist es transit – fuer horst und seine freunde sind es transfers. da werden menschen verschoben, transferiert, ganz so, wie es den transfereurinnen und transfereuren gefaellt. faktische hoheit ja eh, da wird jetzt auch die deutungshoheit nicht abgegeben.

arbeit im stoer. lese »metamorphosen«. kriegt mich sehr: mario osterland. vielleicht nicht mal inhaltlich. aber die form seiner notationen, die kuerze, die willkuer. dieses geistesblitzhafte zieht mich an, das aphoristische. auch, weil man immer die eitelkeit und nervositaet der notierenden person darin spuert. einfaelle, erkenntnisse: sie muessen fixiert werden, konserviert. sicherlich im nachhinein kuratiert, man notiert ja nie nur kluges, sondern alles, was man instantan fuer potenziell klug haelt. da ist immer auch ein beduerfnis spuerbar, kluger gedanken faehig zu sein. sehr relatable, was mich angeht. arbeit: kaum zu tun, aber besuch. cocktails.

feierabendsoda in der kitty. begleite t. nach hause. dann ins bett. das neue »spiegel«-cover: »wie liebe gelingt.« jesus christus. ja, darum geht’s: scheitern und gelingen. alles ist errungenschaft und leistung, was nicht gelingt, wurde nicht vehement genug versucht. fuck off.


2018 | 7. JULI
c. ist uebers wochenende nicht da, ich darf bis morgen bleiben. kraftlos rumhaengen, weil nicht ausgeschlafen, aber auch nicht wieder hinlegen, weil sich das nach verschenkter zeit anfuehlt. also verschenke ich die zeit eben im wachzustand. kurz lesen, notiz fuer den roman gemacht. fahnen fuer das tagebuch gehen jetzt in die zweite von drei korrekturrunden, meinte n. gestern. sehr gut. dringend recherchieren, welche moeglichkeiten es gibt, das projekt foerdern zu lassen. auszerdem dringend liste mit verlagen machen, an die die novelle gehen soll. beitrag fuer den hamburger literaturpreis muss auch noch ueberarbeitet werden. aber alles nicht jetzt.

g20 ist ein jahr her, es gibt einen demorave. bleibe fast fuenf stunden, dann schnell essen, arbeit. beine schwer vom stehen und rumlaufen, aber angenehm berueckt. schicht zieht sich, von muedigkeit keine spur.

2018 | 8. JULI
kaffee, laufen, duschen. dann mit e. fotos machen fuers bandprojekt, das es abgesehen von auch nur einem akkord oder sonstigem fitzelchen komposition dann jetzt anscheinend so semioffiziell gibt. waehrend wir fotografiert werden, laeuft frank spilker vorbei, die sonnenbrille verbirgt seine augen, nicht seine skepsis. und er hat noch nicht mal was von uns gehoert. also musik. aber wir ja auch nicht. positiv: musik machen kann auf keinen fall schlimmer sein als fotos machen.

spaeter essen im »asia house«. einer von sehr wenigen laeden, in die ich seit jahren immer wieder gehe, gerne auch allein. allein essen ohnehin sehr gut. danach fotos sichten, e. beginnt bereits mit der bearbeitung. sind doch ein paar gute bei rausgekommen.


2018 | 9. JULI
buecher gekauft: canetti, handke, handke, bachmann, johnson. nach wie vor kreisen um themenkomplex tagebuch. wird jetzt, wenngleich weniger zentral beziehungsweise formbestimmend als in der novelle und im, naja: tagebuch, auch fuer den roman wichtig, das thema. diese moeglichkeit des ultrapersoenlichen und die frage, wie sehr man sie nutzt, was man ausspart, was man verraet, welche eitelkeiten man versteckt und welche exponiert, finde das alles sehr spannend.

e. will unbedingt mit dem musikmachen beginnen. also ersten songtext geschrieben. macht irrsinnig spasz. man codiert und expliziert ganz anders, das register ein vollkommen anderes. auch pflicht der nachvollziehbarkeit auf einmal weg, was geil ist. e. mag es nicht ganz so abstrakt wie ich, deshalb noch ansatzweise mit sowas wie saetzen arbeiten, trotzdem geil fragmentarisch. auch ganz okay geworden, glaub ich.
inzwischen haeufig assoziative halluziationen, optische taeuschungen: wenn ich ein bestimmtes wort lese, sehe ich daneben oder stattdessen ein anderes wort, weil ich beide irgendwann mal zusammen aufgeschrieben habe, meistens, um sie spaeter nachzuschlagen. gerade auch wieder. lese shangri-la, aber durch den kopf schieszt: havarieren.

journaleintrag zu einer florenzreise: mein augenscheinlich mehr als plumper stereotype unfaehiger assoziationsapparat stempelt mir aus unerfindlichen gruenden den begriff dolce vita ins bewusstsein. vielleicht auch nur, weil das franzoesische wort fuer »leben« im text vorkommt. egal. mir faellt dazu jedenfalls ein, dass ich als kind, ich schaetze, mit acht oder neun, und auch noch einige zeit spaeter, immer dachte, es hiesze deutsche vita und wuerde das distinktive verhalten deutscher urlauber beschreiben. bemerkenswert: schon als kind hatte ich den eindruck, dass es nicht nur ein spezielles, sondern speziell unangenehmes gebaren gibt, das den deutschen eigen ist, wenn sie zu ferienzwecken das ausland bereisen. da war, glaube ich, immer eine ahnung von dieser unangenehmen kunde-als-koenig-mentalitaet, und wer im urlaub ist, ist natuerlich kunde, man gibt ja geld aus. gleichzeitig der stolz des muendigen touristen, sich nicht uebers ohr hauen zu lassen vom findigen und windigen auslaender, der es auf das hartverdiente deutschmoney abgesehen hat. i don't know. ganz so damals bestimmt nicht gedacht, aber da war ein gefuehl, das kein gutes war. das wissen, nicht wie deutsche urlauber sein zu wollen, auch wenn man deutscher urlauber war.

merke, dass ich vielleicht weniger rauchen muss. nicht generell, herrgott, aber zuhause, in der wohnung. kriege kopfschmerzen davon, nicht so richtige, aber ein druecken, vernebeln, und das nimmt mir die lust zu lesen, weil man nur halb lesen kann, verstehen, und das frustriert mich, weil ich unbedingt lesen moechte und verstehen. die letzte woche war zu viel. brauche dringend tage ohne kneipe drin.

2018 | 10. JULI
der fruehe morgen. man weisz, da sind schon menschen wach, sie sind aber noch leise. sogar die luft scheint noch befreit vom staub aller tage, der spaeter unweigerlich wieder aufgewirbelt wird und die synapsen verdreckt. alles wirkt eindeutiger, geraeusche stehen fuer sich, sind noch nicht teil der groszen kakophonie. die GESAMTHEIT von allem draengt sich noch nicht in den vordergrund, die dinge isolieren sich noch, es gibt noch die illusion von ueberschaubarkeit.

ob ich nicht beim artville lesen wolle. ja, okay. wenn dinge sich ergeben: immer die frage, ob man das verdient hat. ist ja aber egal. einfach machen. wenns scheisze wird, wird man beim naechsten mal eben nicht gefragt. chancen hinnehmen.

»dekonspiratione« ausgelesen. stelle fest, dass es mir bei goetz nicht darum geht, gar nicht darum gehen kann, praezise zu lesen. tonalitaeten wahrnehmen, gefuehle wahrnehmen. den ganzen angetrockneten referenzschmodder abklopfen und AHNUNGSVOLL lesen. verstehen? da sollen sich meinetwegen ueberambitionierte jungstudentInnen dran versuchen, die hermeneutische fleiszuebungen noch missverstehen als instrumente im werkzeugsinne, dabei sind sie instrumente im musikalischen sinne, mit denen man bestimmt irgendwas erzeugen kann, das gut klingt, aber letztlich bedeutet das alles herzlich wenig.

e. hat den ersten songtext bereits zu vertonen begonnen. motivation steckt total an. direkt ein bisschen musik zusammengeknueppelt, morgen neue songtexte.
2018 | 11. JULI
n. bringt ihre huendin vorbei, darf sie den tag zu mir nehmen. haengen im bett rum, blaettere auf der suche nach zitaten fuer einen text ein paar buecher durch, neben mir gleichmaesziger atem, zwischendurch ein blick: alles okay? ja, alles okay, schlaf wieder ein.

dachte zuerst, mein songtext stoert mich, weil er kitschig ist. ist er aber nicht. er klingt so, arbeitet aber genau dagegen an. was also stoert? dass man denken koennte, er sei kitschig. genau das muss abgestellt werden, sonst kann man das doppelboedige, subversive schreiben auch direkt lassen. wir wissen ja, wie es gemeint ist. man kann sich nicht gleichzeitig vor eindeutigkeit UND vor fehldeutung schuetzen.

abends auf der ms seute deern, alte helgolandfaehre. erster von fuenf oder sechs abenden, an denen, ermoeglicht von der hafencity-kuratorin, hier kleine veranstaltungen stattfinden, bisschen kultur, kunst, bisschen zusammensein. alles antipraetentioes und angenehm, low-key, kein buhei darum, ob man irgendwo dazugehoert oder irgendwelche menschen kennt. am letzten abend werden t. und ich hier die bar machen, der erloes soll die druckkosten meines buches decken. hoffe, das klappt. saufen fuer die literatur.


2018 | 12. JULI
laufen faellt anfangs schwer. ich bin muede vom wiederankommen im normalmodus, im nuechterbleiben, im versuch, hier und da was zu arbeiten. ich ruhe aus und brauche alle kraft dafuer.

buecher sind da. blaettere in bachmann, canetti, handke. doese weg. zweiter kaffee zum wiederaufwachen, dann weiterlesen, stellen markieren, zitate rausschreiben. habe beschlossen, fuer die artville-lesung einen neuen text zu schreiben. fiktives vorwort fuer den tagebuchtext. thema: die unzuverlaessigkeit des autors. also konkret: meine unzuverlaessigkeit. als autor. alles andere fuehrte wirklich zu weit und geht die artvillagepeople auch nichts an. will hier nicht zu viel verraten, aber: wird schon in richtung posse gehen. ich mag die nehmen-haltung von eventbesuchern nicht, die festen erwartungen. was nicht heiszt, dass ich enttaeuschen will. moechte das risiko aber fuer die freiheit, etwas zu machen, das nicht total middle of the road ist, in kauf nehmen. buecher haben sich jetzt schon ausgezahlt. gerade bei canetti und bachmann findet sich einiges, um den text dran entlang zu fuehren. klar, das arbeiten mit wohlgewaehlten zitaten ist auch irgendwie ein crowdpleaser, da kommen sich dann gleich alle kollektiv ganz bildungsbuergerlich vor oder unterstellen dem lesenden menschen bildungsbuergerlichkeit, aber egal, ich mag es, an zitaten langzuarbeiten. sie duerfen nur nicht platziert werden, um eigene ausfuehrungen zu vermeiden. zitate sind keine argumente, sie sind à-propos, plakate auf litfasssaeulen, auf die man zeigt und sagt: guck mal da, uebrigens, dazu faellt mir ein, dass dingsbums. man kann sich nicht hinter zitaten verstecken, man kann sie aber fuer sich nutzen.

nochmals laufen. beim hausverlassen neuen nachbarn getroffen. hallo. wenn er ist wie alle anderen nachbarn, dann sehe ich ihn ab jetzt nur noch, wenn er seine pakete bei mir abholt. manchmal das gefuehl, im halben haus wohnt ueberhaupt niemand. an der tankstelle sagt die tankstellenfrau mit den kurzrasierten schlaefen: du siehst aus, als wuerdest du gerade joggen. ja. schoen zum kippenholen? genau. bitte. danke. lass dir schmecken. tolle frau. mein ich ernst. beim heimkehren wieder nachbarn getroffen. wie er eigentlich heiszt. david. brauch ich nicht, kenn schon drei. umgehend wieder vergessen. im hinterhof niest jemand wie eine bazooka. jetzt doch wieder eingefallen: david. dann kenn ich jetzt vier. ist egal, die anderen seh ich auch nicht so oft.

erstaunlich: direkt nach dem laufen an den schreibtisch und schreiben: funktioniert unglaublich gut. resthigh von der anstrengung, alle systeme up and running, alles sehr jetzig, sehr hierig, sehr momentig dieser moment, abgeschlossen. kuerzlich dokumentation ueber die pillensucht in den usa gesehen; kann das schon verstehen. wenn ich mir vorstelle, diesen zustand, wie jetzt, auf quasiknopfdruck haben zu koennen: holy shit.


2018 | 13. JULI
wach um 6, motiviert wie sonstwas. kaffee, schreiben bis 8, dann direkt einkaufen. leere geschaefte, es ist so geil. nachtrag zum kuerzlichen lob des morgens: die relative menschenlosigkeit ist entscheidend. die tatsache, dass alles mit ihnen voll ist, ueberall, draengt sich noch nicht so auf.

laufen, fruehstuecken. 10 uhr und das gefuehl: heute wird gut, heute wird viel geschafft. eineinhalb saetze lesen, zweieinhalb stunden schlafen.

zweiter kaffee. leseversuch, part 2. wegdoesen, part 2. was soll das. zusammenfassung des nachmittags: illusion von geschaeftigkeit, dann zur seebrueckendemo. dann arbeit.

immerhin: toppe schicht. arbeite mit c., laden ist so voll wie lange nicht. sage einer frau, sie soll aufhoeren, mir kosenamen zu geben. sie denkt: spatzi ist verboten, spatz ist okay. ist es nicht, sie solle mich einfach beim namen nennen. »okay, hase.« sie war sehr betrunken.


2018 | 14. JULI
5 stunden schlaf, kaffee, laufen. kunstverein harburger bahnhof. ausstellung bzw veranstaltung zum thema liebe. schoener ort, schoen hergerichtet; gute sache. army of love: funktioniert fuer mich nicht. gruppe, deren mitglieder/vertreter sich zur aufgabe gemacht haben, liebe fuer alle zugaenglich zu machen, allen, undiskriminierend in jeder hinsicht, das erhalten und geben von liebe zu ermoeglichen. grundgedanke: gut. klar. liebesbegriff bleibt aber schwammig und scheint auszerdem exklusiv eine romantische dimension zu meinen oder allermindestens zu bevorzugen. aergerlich. sie sprechen von mechanismen der anziehung, aber es bleibt entweder unklar oder unwahrscheinlich, ob/dass da auch eine platonische anziehung gemeint sein kann. offenheit: immer gut. yes, please. aber die welt wird sich nicht gesundficken und auch nicht gesundlieben, wenn liebe nicht alle formen von empathie und akzeptanz und fressehalten mitmeint, zu denen menschen faehig sind oder sein sollten.

arbeiten bis 1. tresen. naechster tresen. sprechen und trinken; irgendwie schoen, zugleich gefuehl von vermeidung. unsicher, was da genau vermieden wird. angespannt. als strebten teile von mir, die unloesbar ineinander verhakt sind, in unterschiedliche richtungen. anonyme richtungen, die mit orten nichts zu tun haben, die der himmel nicht beschreiben kann. woanders. heim um 7; die erleichterung des hinlegens.


2018 | 15. JULI
schlafen bis 14 uhr. so weit in den tag hinein: seit ewigkeiten nicht. aufstehen. laufen, lange und langsam. wieder hinlegen.

aufstehen. kochen. wieder hinlegen.

handke: »ich rede mir nicht woerter ein, sondern woerter reden mich mir aus.«

2018 | 16. JULI
frueh aufstehen und saugen, einkaufen, waschen, notizen machen. fruehstuecken und nochmal hinlegen. ab mittags arbeit am artville-text. seit tagen zum ersten mal konzentriert und motiviert laenger als ein paar minuten an etwas gearbeitet. geht gut voran, wird vielleicht morgen fertig. muss unbedingt von jemandem auf humorlosigkeit getestet werden. beim schreiben ueber das schreiben werde ich schnell harsch. harsch und normativ und unverzeihend. anspruchslosigkeit bei schreibern und lesern halte ich irgendwie nicht aus. problem: ich moechte die notwendigkeit guter und etwas-wollender texte vermitteln, ein unbedingt-vermitteln-wollen fuehrt aber nicht intuitiv zu einer unterhaltsamkeit, und wenn die leute nicht zumindest ein bisschen unterhalten werden, gehen sie halt, und zurueck bleibt eine handvoll leute, denen man das, was man zu erzaehlen hat, gar nicht erzaehlen muss, weil sonst waeren sie auch schon weg. also lernen, zugestaendnisse zu machen. zumal: unterhaltsamkeit ist ja nicht schlecht. ist wie mit allem anderen: muss halt gut sein. sie liegt mir nur nicht. ich bin nicht sehr lustig. was sich, wenn man gleichermaszen den eindruck hat, nicht allzu intellektuell befaehigt zu sein, zuweilen desastroes anfuehlen kann. aber irgendwas halbwegs kluges, halbwegs unterhaltsames, halbwegs wohlformuliertes ringt man sich dann ja doch immer ab. man ist ja nicht dumm und oede, das nicht, man verlangt nur viel von sich und wird dem niemals gerecht. ist vermutlich gut so, sonst wird man nur traege.

ich wollte doch nicht mehr so oft man schreiben.

abends elbstrand. die stockbesoffenen teenager ein paar meter weiter erschricken vor einer maus, wollen sie erschlagen. schaffen sie nicht. sitzen, bis die dunkelheit die lichter erzwingt. schon ziemlich unmoeglich, das nicht geil zu finden.

»ich traue keinem, der romantik nicht empfindet.« (oliver heidkamp in »metamorphosen«)


2018 | 17. JULI
novellenmanuskript an einen wiener verlag geschickt. haette ich schon vor ewigkeiten machen wollen, jetzt aber endlich geschafft, die zur neuen homepage gehoerige mailadresse auch im mailprogramm einzurichten. die ausreden liegen ueberall. morgen vielleicht gleich noch ein paar leuten das buch vor die sprichwoertlichen fuesze werfen. bisschen streuen, kann nicht schaden. tatsaechlich eine einsicht, die emotional nicht ankommt. mag es nicht, mehrere verlage parallel anzuschreiben. dieser playing-the-field-gedanke, dieses sondieren und abchecken und alle moeglichkeiten freihalten: bin dafuer vielleicht zu naiv, zu sehr sozialer, ideeller monogamist. ich mag den gedanken: ich frage jetzt jemanden, ob wir nicht zusammenarbeiten wollen, dann warte ich auf eine antwort, damit ich, wenn das gegenueber ja sagt, auch ja sagen kann. dass da definitiv der glaube drinsteckt, die eigene arbeit waere so gut, dass die gute moeglichkeit besteht, eine zusage zu bekommen, ist wohl ein gutes und ein schlechtes zeichen zugleich.
arbeit am artville-text laeuft heute ueberhaupt nicht. mir fehlen buecher, habe sie nach meiner letzten tresenschicht liegenlassen. ist aber nicht der eigentliche grund. bin unsicher, ob ich etwas zu erzaehlen habe. vor allem: ich bin unkonzentriert. der wenige schlaf in letzter zeit raecht sich, auszerdem 31 grad, nichts geht. ich sollte kurz schlafen und wasser trinken, schaue youtube, trinke kaffees nummer zwei und drei.

vergessene buecher (canetti, handke) aus der kitty abgeholt. auf zwei alkoholfreie getraenke geblieben. auf zwei alkoholische getraenke geblieben. dann vernunft oder muedigkeit, wer weisz. ab nach hause.

ueber den hinterhof penetriert ein kraechziger wecker die eigentlich ruhige wohnung, eigentlich ruhige nacht, endlich ruhig, jaja. von wegen. wecker klingt wie ein elektrofrosch, der es fertiggebracht hat, seine robotische lunge durch exzessives rauchen unheilbar zu versehren. eigentlich merkwuerdig, dass es heiszt: den geist aufgeben. sagt man ja nie ueber lebewesen, sondern ueber dinge. ueber etwas, das eine funktion hat, die nicht mehr erfuellt wird. diese dinge erhalten doch gerade kurz vor ihrem quasiableben, ihrem kaputtgehen, erst etwas lebensaehnliches. ich will nicht sagen: etwas menschliches, aber etwas, das sich kurz auszerhalb des binaeren funktionieren/nichtfunktionieren bewegt, das elektronische geraete beschreibt. wenn displays nur noch kurz aufleuchten, ehe sie wieder erloeschen, einer von zwei ohrstoepseln aufgibt, mahlwerke immer langsamer und stoehnender mahlen, bis schlieszlich selbst die einzelne kaffeebohne dem letzten rest kraft der maschine ueberlegen ist: ganz kurz gibt es dann den moment, in dem man sich tatsaechlich einbilden koennte, ein seelisch steriles ding haette soetwas wie einen geist, der nun aufgegeben wird, ein bewusstsein dafuer, dass es zeit ist, ins meer zu gehen. geraete geben den geist nicht auf, sie entdecken ihn. nur eben zu einem tragischen zeitpunkt.


2018 | 18. JULI
gestern einfach nicht muede geworden, wach bis 3, voellig unnoetig. trotzdem aufwachen um 7. plan: heute mittagsschlaf.

doch nicht schlafen, lieber arbeiten. artville-text verworfen und von vorn begonnen. jetzt geht’s wieder. makuloese texte, also solche, mit denen wirklich grundsaetzlich etwas nicht stimmt, durch korrekturen im detail zu aendern versuchen ist ein bisschen wie ungeschicktes stochern nach einem splitter unter der haut. irgendwann liegt alles halbwegs offen und blutet bereits so, dass man gar nicht mehr sieht, wonach man sucht oder was man gerade genau tut, und man hat dauerhaft vollkommen zu recht das gefuehl, man wuerde alles nur schlimmer machen und sollte einfach aufhoeren, aber man kann nicht – KANN DOCH ALLES NICHT SO SCHWER SEIN. ja. doch. darling, arrête. start over.

zuhause bleiben. sehr merkwuerdige asmr-videos ansehen. kurzdoku ueber instagram-influencer ansehen. alles komplett kaputt.

irgendwer ganz in der naehe haelt sich einen privatwolf. keine ahnung, was das sonst fuer ein geraeusch sein soll. einzige andere assoziation: eule, die weinendes kind nachahmt. ein anderer nachbar niest unter kampfschreiartigen ausstoeszen: ha-jaa! im hintergrund eine sirene. irgendwer lacht. irgendwer macht »hhmmmmmm«. das akustische setting: wie die klangbestueckung einer irrenanstalt im comic. heulheul, ha-jaa, hahaha, martinshorn. immerhin die hundsmiserable elektromusik von vorhin ist weg. niemand hier hoert gute musik. zumindest nicht laut.


2018 | 19. JULI
lese gar nicht beim artville, sondern beim dockville. war mir nicht bewusst. erst mal aergerlich, weil man ein ticket braucht, bedeutet letztlich aber nur, dass freundInnen nicht kommen koennen, und vor denen kann ich auch privat lesen. oeffentlichkeit wird akut und wichtig jetzt, bisschen beaengstigend, ueberraschenderweise aber zuvorderst gutes gefuehl. text erneut komplett verworfen. neue ideen, bessere ideen. der text lebt, verbietet mir, bestimmtes mit ihm zu tun, verlangt anderes. intuition staerker als vorsatz und eitelkeiten, das ist gut. ohnehin oft so: wenn irgendwer pathetisch proklamiert, die sprache sei groeszer als sie oder er, ist, was da einwirkt und steuert, nicht die sprache, sondern intuition, vorwissen, verinnerlichte vorstellungen davon, was ein text sein darf und was nicht. es gibt diese momente durchaus, in denen man das gefuehl hat, von irgendwas geleitet zu werden, man darf nur nicht den fehler machen, diesen umstand metaphysisch oder gleich pseudodeterministisch aufzuladen. alles keine magie. zum glueck, magie kann man nicht lernen, was soll das.

hitzekopfschmerzen oder schlafmangelkopfschmerzen oder krankheitskopfschmerzen, ich weisz nicht. stechen, von dem ich nicht weisz, ob es im kiefersaum oder im ohr sitzt. irgendwas ist immer kaputt, hallo mensch.

arbeit. tresenmitte, spaeterer teil des abends: knutschendes paerchen. wenn sie nicht knutschen, himmelt sie ihn an, er laesst sich anhimmeln. zeigt ihr, wie man einen rubik's cube loest, den sie mitgebracht hat. begruendete, aber ueberzogene abneigung. er fragt nach bier und einem kleinen glas. gebe ihm ein kleines bierglas (0,3 l). ist ihm nicht klein genug. er: »ein KLEINES glas«. stelle ihm ein likoerglas (0,02 l) hin. einigen uns auf ein wasserglas (0,2 l). er: »ich hab ja nicht gesagt, ein kleines BIERglas.« ja. wenn du wuesstest, was ich alles nicht gesagt habe.

feierabendgetraenk am tresen der kleinraumdisko. man gibt mir einen manhattan aus. guter drink.

2018 | 20. JULI
zum zweiten mal in den letzten zwei wochen mehr als 5 stunden geschlafen. noetig. laufen, kram fuer den bootscocktailabend mit t. bestellt. herausgefunden, dass es zwei arten gibt, das existenzminumum zu berechnen. wird schon irgendeinen sinn haben, trieft trotzdem vor zynismus. ein existenzminimum liegt ueber, das andere unter der armutsgefaehrungsgrenze. schon ohne en detail darueber nachzudenken, was sich daraus alles ableiten liesze, so ein kafkagefuehl. vielleicht einfach noch nicht richtig wach. auszerdem: man muss auch nicht immer aus allem etwas ableiten.

zweiten songtext fuer musikprojekt mit e. geschrieben. schreiben auf allen ebenen gerade mehr als seit einiger zeit vereinnahmend und ablenkend und sinnstiftend. man hat zu tun, irgendwo zwischen abm und ambition, hauptsache weiter.
tresenarbeit. zu tun trotz endlosem, ausfransendem sommerloch. zu tun haben: toll. trinke wenig, fuehle mich umso beeintraechtigter. nicht quantitativ, sondern qualitativ. leichter taumel.


2018 | 21. JULI
aufstehen, kaffee machen. auf die uhr schauen: versehentlich viel zu frueh aufgestanden. erst vor drei stunden ins bett, was soll denn das. muss jetzt reichen. laufen, dann zu mutter aufs land. die kleinen nichten sind auch da. sie sind sehr. bevor menschen sehr irgendwas werden, sind sie auf allgemeine weise sehr. sehr alles. intuitiv, laut, expressiv, raumfordernd. sie haben sich noch kein profil angelegt und zurueckhaltung noch nicht als option entdeckt. anything goes. schneide mir tief und glatt in den finger und blute auf die terrasse. esse zu viel kuchen.

hamburg. erneut laufen. da ist noch zu viel nacht in mir, zu viel kneipe, wie kalte asche in den poren, irgendwer atmet mir mit schnapsatem in den nacken. schwitzen hilft. viel schwitzen hilft viel.

tour der traurigen, weil vom wetter entschaeftigten kneipen. kitty: drinnen niemand, drauszen handvoll menschen. saal II: same. mutter: im verhaeltnis: der laden brummt. nochmals kitty: endzeitstimmung, es wird schon aufgeraeumt. kleinraumdisko: naja; immerhin nicht niemand. toast bar: same. geile musik, sehr p-funky. t. moechte noch in die mutter, aber bei mir alles alle: geld, kraft. schlafen jetzt.


2018 | 22. JULI
SONNTAG

laufen, rumliegen. songtext schreiben, rumliegen. sushi. rumliegen.

rumliegen.


2018 | 23. JULI
grosze prokrastinationsvorbeugungsoffensive. bad saubergemacht, staubgesaugt, pfand und glas und pappe weggebracht, eingekauft, waesche gemacht, rasiert, wohnung aufgeraeumt, blumen gegossen. rest der woche: dockvilletext. auszerdem: alkoholfreie woche, so viel wie moeglich schlafen. konzentriert und wach arbeiten. vorsatz haelt fuer gewoehnlich bis zu exakt dem zeitpunkt an, da ich mich nicht mehr verquollen und eklig vom wochenende fuehle. mal schauen.

glasser, »sextape«. yes.

statt mittagsschlaf kaffee und feilen am text fuer den hamburger literaturpreis. fertig. geiler text. wird niemals gewinnen. mag mich nicht selbst als edgy bezeichnen – nicht nur, weil es ein ekliges werberwort ist, auch, weil ich mir das gar nicht ehrlicherweise unterstellen kann, ich schreibe da nicht gegen irgendwas an, die form hat sich einfach gefunden, fragment- und sprunghaft, direkt, kompliziert, bisschen verwirrend: wie sprache und denken nun mal sind, aber trotzdem: sowas wird nicht gewinnen. wenn ich mir die zuletzt praemierten texte ansehe: nein. wirklich nicht. schon wieder vergessen, was fuer texte das waren, jedenfalls nicht spannend. literaturinstitutsgehuber. egal. einfach einreichen.

kochen. erste testvocals fuer bandprojekt eingesungen. autotune einfach dermaszen geil.


2018 | 24. JULI
sieben stunden schlaf sind das absolute limit. laenger geht nicht. koerperlich einfach unmachbar. reicht aber auch. zwei tage aufeinander jetzt geschafft, neuer mensch oder wieder der alte oder wie immer man sagen moechte. irgendwas ist hergestellt oder wiederhergestellt.

vergesse, den kaffee zu sueszen und stelle fest: schmeckt ziemlich nach gummi. dichtungsring des kochers tatsaechlich auch arg laediert, wie lange das wohl schon so ist, keine ahnung. moegliche erklaerung fuer die seit tagen regelmaeszig mich ueberkommenden drueckenden kopfschmerzen und das komische gefuehl im hals sogar bei wenig rauchen. andere erklaerung: es sind einfach siebentausend grad. dass ausgerechnet, wenn es ohnehin so heisz wird und niemand sich mehr konzentrieren oder wehren kann, immer zweiraumwohnung gespielt werden muss, ist einfach pech.

oberfrust, was den dockvilletext angeht. nicht, weil ich ihn nicht schreiben koennte. ginge schon. glaube aber nicht an seine tauglichkeit fuer das setting, den kontext. wer die praemisse des textes versaeumt, ist eigentlich raus. ergibt keinen sinn, weil erwartbarerweise leute mittendrin dazukommen werden, die ganze zeit, ist nun mal ein festival. ich kann da keinen vortrag halten. auszerdem: ich bin einfach nicht unterhaltsam. im gebotenen rahmen ist das durchaus ein problem. habe nicht den anspruch an mich, entertainer zu sein, aber sich da knarztrocken vor leute zu setzen, die im vorbeigehen ein bisschen gelese mitnehmen wollen: da tu ich mir keinen gefallen mit. ginge mehr drum, mir selbst zu gefallen, und das ist nicht so weit gedacht, wie ich mir einreden koennte. immer diese angst, sich zu verkaufen oder irgendwas zu tun, das nicht cool genug ist. text also erstmal weggelegt. morgen mal zweite meinung dazu einholen.

neue dichtungsringe fuer den espressokocher kaufen. total billig, sogar die nicht nicht-originalen, sonst nehme ich die vom billighoeker. dachte: wenn schon neue, dann jetzt anstaendige. fuenf euro. das gefuehlt gesparte geld in den buchladen getragen, auf den tresen geschmissen und MACHEN SIE MIR DAS ZU LITERATUR gebruellt. anja kuemmel haben sie nicht da, stattdessen »das buch der zahlen« von joshua cohen. viel zu teuer, aber egal, kann ich mir jetzt ja quasi leisten. irgendwie.

auch eine moeglichkeit: kopfschmerzen kommen von den neuen pflanzen. aus dem schlafzimmer in die kueche geraeumt.


2018 | 25. JULI
wird langsam voll das schlaflog hier. verdeutlicht mir wieder, wieviel einerseits von schlafrhythmen abhaengen kann, wie sehr man sich andererseits von ihnen unabhaengig machen kann, und zwar laenger, als man glauben koennte. dauerwenig schlaf macht mich einfach anfaellig fuer hoch- und tiefstimmungen, die mitte verschwindet als erstes. kann dauern, bis das auffaellt, dann aber sehr. mitte ist wichtig. zustand, in dem auf dem ruecken liegen, romare hoeren, an die decke starren ausreichend ist.

ganzen tag musik zusammendilettiert. klingt furchtbar rough, nicht auf eine schoene art, sondern einfach unprofessionell as can be. finds super. alles egal. alles skizze. es entsteht was. laesst sich mit ganz anderer art von demut angehen, das projekt, als es beim schreiben moeglich ist, sehr befreiend. wissen: ich habe keine ahnung, keine uebung, keinen druck. ergebnis wird entweder schlecht, aber ganz geil oder einfach schlecht. schlecht, aber ganz geil ist auch schon alles, was ich will. paar tage nicht schreiben jetzt, nicht mit anspruch, ich mag nicht.

abends bruder besuchen. finde 1 euro auf der strasze. waehrend autos druebergefahren sind, ist nur die unterseite, straszenseite zerkratzt. einer von vielen momenten, in denen unausgeschlachtetes metaphorisches potenzial das weitaus wertvollere ist. vierter tag ohne alkohol.


2018 | 26. JULI
joshua cohen zu lesen angefangen. eventuell genau, was ich gerade lesen moechte. in der buchhandlung sprang gleich ein unbeteiligter kunde in mein transaktionsgeplaenkel mit dem buchhaendler, er haette das auch gerade gelesen, sehr gut, aber durchaus anstrengend, aber vielseitig, aber durchaus anstrengend, also angstrengend, aber toll. ich weisz nie so ganz, was leute mit sowas bezwecken. ist das dasselbe wie wenn so ein lederjackenfuzzi durch ein autohaus laeuft und um sich zeigt und sagt: das da hab ich auch, den da drueben auch, in zitronengelb, kein wagen fuer alle tage, aber was eine schoenheit, ne – ?

kurz e. getroffen, neuen songtext durchgesprochen. dann arbeit. danach in die mutter. alkoholfreies bier maeszig geiles feierabendgetraenk.


2018 | 27. JULI
basteln an song 1. immer weiter basteln. singe zweitstimmen ein, lache mich kaputt. ich klinge unfassbar schlecht. macht nichts.

verlag aus wien mag die leseprobe aus der novelle, will das gesamte manuskript haben. bitte. danke.

so frueh feierabend nach einer spaeten tresenschicht: noch nie. kleinraumdisko. eine zigarette, eine grapefruitlimonade. heimwaerts. eine woche ohne alkohol, ein bisschen hatte ich fast gehofft, es waere schwieriger. gelungener verzicht kickt mich immer. hang zu (selbstbestrafung und) selbstdisziplinierung, sich dinge vorenthalten als charakterklimmzug.


2018 | 28. JULI
ueberall rinde, in groszen stuecken von aesten geplatzt, gefallen, getrocknet, birst unter hellem knacken. die hitze schaelt sich die baeume wie obst.

frisch geteerte strasze, auf 35 grad folgt platzregen. es dampft auf 100 meter. die rinde, sie saugt sich nicht voll, versiegelt von trockenheit, zu ploetzlich kam der regen, bricht noch immer krachend, lediglich das geraeusch slightly abgedumpft.

arbeit (salon stoer). hafen. so ein komischer ort. toller ort. alles voll mit mittelstandstouristen; paerchen, familien, kleingruppen, man will was sehen oder muss. man hat keine zeit, sondern spasz. gefaelligst. fuer sie alle ist geld da, fuer sie wird es locker gemacht, von denen, die fuer tourismus und tourismusfoerdernde projekte zustaendig sind. sie, die einigermaszenverdiener, die ein paar mal im jahr irgendwo hinfahren und heute mal nicht so auf den euro gucken. ihnen bietet die stadt sich an, ihnen wird sie angeboten, was soll das.

die europa 2 faehrt vorueber; dazu, à propos: »das identitaer-rechtsextreme europa-narrativ. eine tumblr-recherche« von wolfgang ullrich, via POP-zeitschrift, wirklich lesenswert. man wuergt halt stueckige galle wieder runter, waehrend man liest, aber bei welchem text, der eine realistische bestandsaufnahme macht, tut man das nicht. nach 4 stunden die ersten gaestinnen; cohens »buch der zahlen« unglaublich dicht. wissen oder recherche?, was da an nebenbeiinformationen drinsteckt, ist absurd. nach feierabend: kitty, kleinraumdisko. dann, auf ein letztes, kein bisschen alkoholfreies getraenk, mutter. leichte kopfschmerzen.


2018 | 29. JULI
seebrueckendemo, aber ich komme nicht recht zu mir, zu kraeften oder auch nur: singular. glieder schwer, kopf schwer, rumliegen mit schlechtem gewissen. spaeter informieren, wieviele menschen dort waren: etwa 1500. scheisze. vor zwei wochen noch 4500 – laut polizei, also wahrscheinlich mehr. naechster termin: 2. september. alle hingehen, bitte, das geht auch an mich beziehungsweise vor allem beziehungsweise schon sehr sowohl und sehr als auch.

lust, motivation, ambition, fragen von machbar- und notwendigkeit, die sich selbst beantworten, indem sie unbeantwortet bleiben, aufstehen nur, um zu essen. drei tage, drei unterfordernde tresenschichten, dennoch, trotz unterforderung, vollkommen geschlaucht. (geschlaucht gegoogelt: »entstammt der soldatensprache mit der eigentlichen bedeutung „weich machen wie ein schlauch“«; kommt hin, fuehle mich weich. weich oder erweicht oder aufgeweicht – normal oder geschwaecht? egal, zustand ist zustand, einfach mal nicht den metacowboy spielen.)

irgendein superheldenfilm. nicht, um das hirn auszuschalten, sondern, weil es gar nicht erst anspringt. einer dieser tage, die sich verloren anfuehlen, was nicht stimmt, weil das ausruhen noetig ist, um morgen wieder zu funktionieren. immer wieder das problem mit der selbstschelte, wenn man mal nichts zustande bringt, inhaerente schwierigkeit von lebensentwuerfen, die keine arbeitszeiten vorgeben.




2018 | 30. JULI
nachtrag zu gestern, I: à propos superheldenfilm beziehungsweise à propos filme, in denen ein disparates spezialteam aus allerlei irgendwiegenies oder irgendwieheldInnen oder –spezialistInnen zusammenrekrutiert wird: filmidee: die bekannte einleitung, die gleichzeitig figureneinfuehrung ist, in der die unterschiedlichen menschen an ganz unterschiedlichen orten der welt aufgesucht werden, an denen sie ganz unterschiedliche dinge tun, um auf das rekrutierungsgesuch hin aber entweder direkt oder nach kurzem, unglaubhaften neinsagen alles stehen und liegen lassen und sich der guten oder lukrativen sache verschreiben, auf zwei oder drei stunden auswaelzen, und wenn dann schlieszlich alle an einem ort versammelt sind, sterben sie oder werden erwischt und eingesperrt oder ________ (egal). film bestuende quasi ausschlieszlich aus unzusammenhaengenden, oberflaechlich und selektiv erzaehlten backstorys, deren relevanzpotenzial uneingeloest bleibt.

nachtrag zu gestern, II: zunehmende abneigung gegen den begriff lebensentwurf, aber unsicher, weshalb. glaube, weil irgendwie geknuepft an ein sozialromantisches pathos. lebensentwurf bedeutet nicht, dass alles, was teil dessen ist, so geplant oder gewollt ist, klingt aber immer, als bruestete man sich der vorteile und verschoenhaesslichte die nachteile, sinnhaftigkeit und/versus opferbereitschaft oder so.

nachtrag zu gestern, III: haushalt, waschen, staubsaugen.

was von heute uebrig bleibt: lesen. pressefotos an dockville geschickt. jetzt doch wieder: gedanke an oeffentlichkeit aengstigt. aber nicht nur. das muss reichen.


2018 | 31. JULI
irgendwas stoert mich am cohen. die informationsdichte, die anfangs beeindruckt hat, nimmt entweder ueberhand oder sie ist auf dauer schwer zu ertragen. indem er jedes detail mit subdetails andickt und gefuehlt jede idee, die ihm beim schreiben kam, ausformuliert, entwickelt sich die geschichte nicht schnell genug. in seiner verspieltheit, eigentlich etwas, das ich schaetze, durchaus protzig, was schade ist, weil gelungene experimentierfrohe passagen an schlagkraft verlieren, eingebunden in einen arg flackernden assoziativtext. auch fuer mich selbst eine notiz wert, fuer den roman: dinge entwickeln; figuren, handlung.

dienstbesprechung, danach am tresen sitzen bleiben. abgeschlafft, aber unausgelastet. heim, laufen, ins bett.


2018 | 1. AUGUST
1966: hervé bazin schlaegt in einem essay 6 neue interpunktionszeichen vor: acclamation, authority, certainty, doubt, irony, love. ein ironiezeichen waere entweder der untergang von allem oder ziemlicher wahnsinn. nein, in jedem fall ziemlicher wahnsinn, aber eventuell im guten.

wetter einfach so unendlich auserzaehlt, oede. wer stehenbleibt, geraet ins schwitzen. leben als merksatz von jungmanagern.

abends mit c. im saal II.



2018 | 2. AUGUST
unsicher, ob endlos unmotiviert, dinge zu notieren, oder null gedanken, die ausreichend griffig wuerden, sie auch nur als gedanken bezeichnen zu sollen. eroerterung der frage ohne jede dringlichkeit, was wiederum indiz fuer sowohl als auch sein koennte.

bisschen musik machen, klappt auch ohne denkapparat. in der dusche ohrwurm von britney spears, was soll das.

abends arbeit.


2018 | 3. AUGUST
im hinterhof kinder.

sie: ich bin torwaerter.
er: das heiszt torwart.
sie: warum?
er: weil das so heiszt.

zirkulaere erklaerungen echt nur okay, wenn man kind ist. dennoch genervt. weil das eben so ist. gehoert eigentlich doch auch schon kindern erklaert, dass das nicht reicht.

wieder nicht geschafft, mittagsschlaf einzuplanen. abends auflegen mit c. in der kleinraumdisko. bourbon, brandy, benedictine. zitronenzeste. kopfschmerzen.


2018 | 4. AUGUST
betrunkene frau am tresen solipsiert vor sich hin: haelt die kollegen/bekannten am tresen und mich fuer schwul, weil alle maennlich und alle an gespraech mit ihr uninteressiert. dass das ja auch total okay waere, schwulsein. und ob wir denn auch gut mit unseren lesbischen freundinnen klarkaemen. die leute gehen anscheinend echt von hermetischen welten aus, die sich nur zwangsweise beruehren. parallele erlebniswelten: ja. aber nur, weil es diese menschen gibt, die eine unterscheidung machen, die ein normal und ein anders im kopf haben.

»das kursive buergert fremdworte ja gerade nicht ein, obwohl das so sein sollte.« (j. cohen)

morgens um 5 auf dem heimweg erst tote taube gesehen, 20m weiter tote amsel. zum einschlafen soundfetzen aus dem innenhof: ich hab wodkabombe gesagt. good night, gomorrha.


2018 | 5. AUGUST
je uebernaechtigter und strukturloser das grundgefuehl, desto staerker das beduerfnis nach sport. ein hauch von klarkommen und accomplishment, was soll das. muesste mich dringend um verschiedene texte kuemmern. morgen.

liegen und liegen und kochen. liegen. tagebuchmotivation noch immer gering. gering schoenes wort.


2018 | 6. AUGUST
somnambules nichts, der ablauf ist nicht gestoert, sondern zersetzt, alles eins oder nichts. doku ueber mata hari gesehen, erzaehler, na klar, maennlich, ton furchtbar herablassend, und ziemlich sicher war das nicht mal so gemeint, was es noch viel schlimmer macht.

zugesagt, am wochenende in einem filmprojekt mitzuspielen. eigentlich wirklich keine zeit, naechste woche stipendium und dockvillelesung. egal.

ab morgen berlin, ohne laptop. à toute.


2018 | 9. AUGUST
zurueck aus berlin. eineinhalb tage schwitzen und nichtbewegenwollen gerahmt von zweimal noch schlimmer schwitzen und nichtbewegenkoennen (autofahrten). gelesen: 1 seite. die gespraeche wurden substanziell, als der besuch beinahe vorbei war. wobei, auch eine erkenntnis im lauf der jahre: zuweilen nicht (nur) substanziell, was sich substanziell, umwaelzend, besonders anfuehlt. substanz, das sind ja nicht nur kuriositaeten und scheidewegmomente und pseudoschicksaliges, sondern petitessen und uebersehenes, alltagsgewebe, fadendichte unbekannt, aber entscheidend.

abends tresenarbeit; weniger zu tun als erhofft, dabei hat es endlich gewittert. ein pastis in der mutter, heim. kaum geschlafen in berlin, dennoch nicht muede. der schlafdruck kommt im hellen, nicht im dunkeln. kontrastsuechtiger unfug.


2018 | 10. AUGUST
im bett liegen, neben mir das telefon, das nur noch auflaedt, wenn der mond guenstig steht und ich nett frage. dauerwackelkontakt, deshalb dauervibration, auch eine illusion von sozialleben, das telefon steht einfach nicht still, busybusy. rede den ganzen tag mit exakt einer person. hallo. nein. gerne mit karte. brauch ich nicht. danketschuess. neues kabel bestellt.

fenchel ziemlich grandioses gemuese. »we out here« ziemlich grandioser jazzsampler. viel zu tun bei der arbeit. ziemlich grandios.



2018 | 11. AUGUST
knappe 3 stunden schlafen, duschen, filmprojekt. drehbuch kraut und rueben, impetus unklar, leute nett. und es gibt franzbroetchen. augenringe bis gestern, bisschen tapsig, aber beste rolle von allen, weil auf drogen, also nicht ich, sondern er, die rolle; ich sehe aus, wie ich aussehen soll, verplant und etwas drueber.

es stuermt. ich schlafe.

khruangbin hoeren. drake hoeren. kitty. mutter.


2018 | 12. AUGUST
man koennte meinen, schwanken zwischen ausgeglichenheit und unausgeglichenheit waere im groszen und ganzen doch nur unausgeglichenheit. stimmt aber nicht. ruhe nicht konstant da, aber immer mal wieder, und wenn, fuehlt es sich fantastisch an. gute momente derzeit so gut wie die schlechten momente schlecht, das ist schon mal was. abends in bars setzen gerade eventuell bisschen zwanghaft, daher wenig schlaf, ansonsten alles ziemlich okay. erinnere mich dran, wie ich einer kommilitonin einst erzaehlte, dass ich zum exzess neige, was eine neutrale feststellung sein sollte, nicht irgendeine jungmenschenversion von charakteraufpeppung. sie hat daraufhin nur gelacht. »DU? mit deiner festen freundin« undsofort? hat mich dann doch irgendwie angegriffen. nicht sicher, ob, weil das absprechen eines eskalativen potenzials beleidigend war, oder, weil sie mir damit attestierte, mein leben im griff zu haben, was sich als grundgefuehl nie so recht eingestellt hat und so eine erwartungshaltung an mich enstanden waere, von der ich das gefuehl gehabt haette, ihr zwangslaeufig nicht gerecht werden zu koennen.

exposé fuer den stipendiumstext geschrieben. kaum rauchen, trotzdem kopfschmerzen.


2018 | 13. AUGUST
4 stunden wahnsinnig schlecht geschlafen. geraedert wie arsch. heute laufpause, die knie knirschen wie hartgummi unter druck.

korrekturen fuers tagebuch bekommen und durchgesprochen. wahnsinnig toll. konnte ich zu beginn ueberhaupt nicht, verbesserungen annehmen als das, was sie sind. verBESSERungen. innersprachliche logikschraeglagen, schiefe bilder, unangemessenheit von vokabularen, sowas sieht man irgendwann nicht mehr, spuert es nicht mehr. dankbar, dass da jemand ist, die das sieht. komisches gefuehl, text zu korrigieren, der ein so direktes, impulsives format bedient wie tagebuch, aber eigentlich auch nicht, natuerlich wird redigiert, alles, was zwischen zwei buchdeckel kommt und gedruckt wird, wird redigiert. naechste woche korrekturen umsetzen, dann ein letzter durchlauf. projekt bewegt sich, das ist wichtig. stillstand geht nicht.

mittagsschlaf, dringend notwendig.

anmerkungen zum stipendiumstext beruecksichtigt, gute anmerkungen. text eingereicht. jetzt warten bis mitte november.


2018 | 14. AUGUST
erneut zu kurz geschlafen. halsschmerzen. wie soll man denn so arbeiten. viel tee, die glieder sind schwer. nicht krank werden jetzt.

besitze ab sofort ein buegeleisen. buegle hosen. buegelfalten in hosen seit jeher ein erwachseneninsignium. die ernsthaftigkeit der buegelfalte. man kann auch kindern anzughosen anziehen, aber diese leute verkleiden auch ihre hunde.

kuerze den tagebuchtext auf lesbare und lesenswerte laenge zusammen. zunaechst nicht ganz einfach, dann sehr. eitelkeit haelt zu beginn an allem, was zu streichen waere, fest; dann: ganz ehrlich, das will da alles niemand hoeren, da hat am allerwenigsten deine eitelkeit was von, wenn du das liest und alle gehen. (nicht sicher, ob das eins zu eins stimmt. anteil pubertaerer widerstandslogik, die dem abgelehnten den potenziell groeszeren wert unterstellt, in jeder arbeit enthalten.) text daher nun zu groesztenteils unterhaltsamem eingedampft, wovon es mehr gab, als ich gedacht hatte. schon immenser anteil verschwurbelter innerlichkeit, aber auch so viel anlasslose direktheit, dass sich damit arbeiten laesst.

sehr scharfes curry gekocht. nicht krank werden jetzt.



2018 | 15. AUGUST
muesste eigentlich den text fuers dockville vorbereiten. endgueltige auswahl steht noch immer nicht, auszerdem sollte ich mindestens einmal probegelesen haben, um zu pruefen, ob alles, was dann letztgueltig als zu lesend auserwaehlt wurde, in eine halbe stunde passt. stattdessen 12-stunden-korrektursitzung am tagebuch, unterbrechungen nur fuer kaffee und essen, abends versehentlich ueber einen termin druebergearbeitet. so wichtig wars auch nicht. grenzmanisch, um mitternacht fertig; direkt an n. geschickt zur durchsicht, sie schickt es dann an den verleger weiter, der einen letzten korrekturdurchgang macht.

dockvillekram dann morgen. spaetestens freitag vormittag. komplett entspannt. denkbar, freitag vormittag spontan laufen zu gehen, anstatt mich vorzubereiten, und dann einfach draufloszulesen. nur eine lesung, was soll das.





2018 | 16. AUGUST
probelesen, nebenher kleinstkorrekturen. eingeklammertes, grammatische und sinnellipsen, derlei; einiges laesst sich besser lesen als vorlesen. interpunktion besser les- als hoerbar.

abends tresenarbeit. danach mutter auf ein getraenk. neben mir am tresen ein typ, der denselben namen traegt wie ich und deshalb ganz aus dem haeuschen geraet. wie denn da die chancen stuenden! weisz ich jetzt ad hoc auch nicht, aber, wenn man oft genug am tresen sitzt, sicherlich nicht allzu schlecht. als er herausfindet, dass wir gleich alt sind, ist es endgueltig um ihn geschehen.


2018 | 17. AUGUST
frueh wach, laufen, dann irgendwann los zum dockville. nett im empfang genommen, ins backstage eingewiesen, jetzt ein wenig zeit. lese den text ein letztes mal, tempo stimmt. c. und v. kommen mich abholen, trinken bier, dann zur lesebuehne. lesebuehne bedeutet: podest mit tisch drauf, platziert in einem zu allen seiten offenen zirkuszelt, mitten in die musiklandschaft gestanzt. soundverhaeltnisse katastrophal, wer nicht direkt vor der buehne sitzt, hoert nichts. keine chance darauf, vorbeilaufende auf sich aufmerksam zu machen, ich bin klanglich und optisch regelrecht versteckt. zudem auf der festivalwebsite null info zu meiner person oder meinem text auffindbar, zustaendig fuer den ablauf im zelt: niemand. veranstaltung vor meiner lesung geht 20 minuten zu lang, als sie vorbei ist: setze ich mich hin, sage hallo, beginne zu lesen, es interessiert niemanden. 7 leute, 4 davon kenne ich persoenlich. nicht direkt enttaeuscht, viel erwartet hatte ich nicht. von festivalseite aber eine unverschaemtheit, so mit leuten umzugehen, die man sich einlaedt. wenn ihr literatur veranstalten wollt, dann gebt ihr auch einen rahmen, in dem sie moeglich ist. das hier wirkt wie ein alibi. um sagen zu koennen: wir veranstalten auch literatur. wertschaetzung: null.

nach der lesung halsschmerzen. schnell heimwaerts. war das publikum hier schon immer so unglaublich jung?





2018 | 18. AUGUST

tresenarbeit. spreche wiederholt mit menschen ueber meine lesung, immer gleich:

– wie wars denn?
– schlecht.
– echt?
– ja. sehr.

merke, wie sauer ich tatsaechlich darueber bin. allerdings nicht sicher, ob persoenlich, als ich, oder als stellvertreter der schreibenden, denen wirklich nur im ganz und gar woertlichen sinne eine buehne geboten wurde. anlassgebundene wut, beschraenkt sich auf die verantwortlichen, truebt die allgemeine stimmung nicht. freue mich jetzt umso mehr auf die septemberlesung im gaengeviertel.

nach der arbeit noch lange in der kleinraumdisko.


2018 | 19. AUGUST
es ist
SONNTAG

es fuehlt sich nicht wie
SONNTAG
an,
ich weisz nicht mal, was das heiszt, was soll das.

neue musik (the beths), alte musik (mulatu astatke), d. kommt vorbei und schenkt mir sein altes telefon, das neuer ist als meins, aber auch ein bisschen kaputt. egal, neues spielzeug immer gut, beschaeftigt ein paar minuten oder stunden.

laufen. schaffe es nicht zu »heimatphantasien« auf kampnagel, kraft reicht einfach nicht. mist.


2018 | 20. AUGUST
warten
ich kann das einfach nicht gut

warten. grotesker luxus. moechte mit text arbeiten. geschriebenes vortragen, transformieren, verbessern. geht nicht, texte alle irgendwo anders, um von dieser oder diesem beurteilt zu werden. bis auf den roman. der muss aber warten. zu viele parallelarbeiten wiederum nicht moeglich. auch irgendwie heuchelei alles.
schlafe andauernd beim lesen ein, wache auf, mache und trinke kaffee, lege mich wieder hin, lese eine viertelstunde und bin direkt wieder schlaefrig.

abends kurze krise. im tiefkuehlfach ist noch wodka.


2018 | 21. AUGUST
10 MONATE koennen mauersegler fliegen, ohne zu landen. ich kann keine 10 MINUTEN lesen, ohne einzuschlafen. was stimmt denn da nicht?

noch mehr pflanzen fuer die wohnung gekauft. bislang mit keiner von ihnen geredet.

gelernt: englisches wort fuer guckkasten ist zograscope, und guckkasten ist abgesehen von einem schaugeraet eine suedkoreanische band. voll geil. musik total zerfahren, anachronistisch auf siebzehn unterschiedliche arten gleichzeitig, zugleich hyperzeitgemaesz. die grosze schredderei.

bei t. am tresen. lange mit e. telefoniert. bruder kommt vorbei, bleibt. gemeinsam kleinraumdisko. heim. kurzer nachtlauf, angesoffen. wahnsinnig gut. soundbox innenhof: dudelsackfetzen und kaempfende katzen.


2018 | 22. AUGUST
»manchmal erlebe ich auch absichtlich was, um davon erzaehlen zu koennen« – genau das, was joachim bessing in der aktuellen »metamorphosen« schreibt, derzeit ganz und gar nicht mehr der fall. tagebuch derzeit nur mehr relevant, weil es zeit kostet, die ich mir nehmen muss. die ich mir, und ich weisz nicht mal, ob sich die verwirrte schlange da in den schwanz beiszt oder in den bauch oder nur in die luft schnappt, ja auch nehmen KANN, nicht mal deklarativ NEHMEN muss, sie ist einfach da. aber ich schlage nicht mal mehr ein buch auf, um zum tagesende noch einen schoenen satz hier reinzuschreiben, kreise nur in engen bahnen um mich selbst. heute den ganzen tag rastlos mit dem fahrrad durch die stadt gefahren, hier und da dinge erledigt, dinge besorgt, dinge, die ich vorher als liste notiert habe, damit ich abhaken und das schuechterne gefuehl von produktivitaet beschwoeren kann.

erneut schwerstueberzeugt davon und im klaren darueber, dass sich-aufdraengen

(a) furchtbar und
(b) mir schlicht nicht moeglich ist –

(da wirken grosze kraefte im unterbewusstsein.) in kombination (a + b) dann schon wieder okay.

ganzen tag the beths gehoert.



2018 | 23. AUGUST
hinterhof; kind zu anderem kind: du darfst nicht mitspielen, du bist scheisze. ach fuck you. wenn dieses erbaermliche blag wuesste, wie weh solche saetze tun, selbst wenn man sich das vulgaervokabular spart.

waehrend der tresenarbeit liedtext geschrieben. immer wieder merken, dass ich ein paar minuten brauche, um die klischeeschicht von allem zu broeckeln, ehe bilder entstehen, die nicht nur quasizitate sind von menschen, die man nicht zitieren moechte. l. und bruder kommen unabhaengig voneinander vorbei, sitzen am tresen und geben mir ein gutes gefuehl, das ich nicht konkret noetig haette, ist aber trotzdem sehr schoen. neuen (bald-) mitarbeiter nebenher eingearbeitet, noch sehr schuechtern, aber das wird werden. erstaune mich wiederholt damit, wie gern ich mich in die rolle des anlerners fuege. scheine das ganz gern zu tun; irritiert mich. frage, was das ueber mich aussagt, rumpelt irgendwo herum, bleibt unbeantwortet. der reiz von situationen, in denen man kompetenz- und hierarchietechnisch den groeszeren hammer schwingt. auch wieder narzissmus? i don't know.

nach feierabend zu l. (anderer* l.) in die beatboutique. kurz sitzen, ein getraenk. nett, aber musik zu laut. mutter auf ein letztes getraenk, allein. musik leiser, niemand redet mit mir. sehr gut. unnoetig spaet ins bett.


2018 | 24. (& 25.) AUGUST
kurze infos zur lesung im gaengeviertel rausschicken, lesen, laufen. abends in dieser reihenfolge: saal II, kitty, kleinraumdisko, saal II, mutter. o. kennengelernt; er sagt, ich soll mal zum auflegen kommen. gerne.

waehrend der fahrt ins krankenhaus denke ich: immerhin kann ich das hier aufschreiben. versuche, mir details aus dem rettungswagen zu merken, klappt aber nicht gut. das adrenalin im koerper ueberkompensiert komplett, unwichtiges wird fokussiert, waehrend der schmerz abstrakt bleibt, vermeintliche hyperaufmerksamkeit, informationen werden aber nur schlaglichtartig sichtbar und dann vergessen. einzige verbliebene einzelheit: es gibt 7 vorsortierte faecher mit notfallutensilien, und in fach 7 ist ein geburtshilfeset. (steht dran.) wie ich spaeter erfahre, lief in der fahrerkabine andrea berg.

der rest ist hauptsaechlich warten, unterbrochen von blutabnahme, einigen stichen, erster diagnose, tetanusimpfung, finaler diagnose. nebenher immer wieder zahnsplitter aus dem mund pulen. nach guten 6 stunden: entlassung. kinn ist geflickt, kiefer angebrochen, stimmung nicht allzu schlecht. alles dumpf, seit 30 stunden wach und nicht mal schmerzmittel bisher. ob das fahrrad heil ist? kaufe viele tuetensuppen und allerlei, das sich puerieren laesst. zwei wochen nicht kauen, hat die aerztin gesagt. ich wusste, der pickup aus dem wartesaalautomaten war eine bescheuerte wahl. hauptsache, sie muessen nicht doch noch operieren; ich moechte keine schrauben in den kiefer.

abends nicht arbeiten. waere dann doch uebertrieben.


2018 | 26. AUGUST
nehme die huendin von n. bis morgen zu mir. viel spazieren (schoen), viel suppe (jetzt schon keinen bock mehr).

kieferschwellung geht enorm zurueck. gesichtsmimik noch ein wenig verhindert, botoxcreepy, aber en route zur normalitaet. dienstag verlaufskontrolle im krankenhaus, ich muss dringend fragen, was mit den abgebrochenen zaehnen eigentlich gemacht werden soll und wie schnell. also nicht mit dem bruch, den hab ich nicht aufgehoben, sondern mit dem stehengebliebenen rest. huendin doest neben mir, zuckt zwischendurch im schlaf.

chelsea handler ist toll.


2018 | 27. AUGUST
verbringe den tag hauptsaechlich damit, dinge (lebensmittel) zu puerieren. mail an meinen dockvillekontakt geschrieben, um noch abschlieszend klarzustellen, dass das so alles nicht in ordnung war. oder nein: nur partiell, dass es nicht in ordnung WAR, und zum anderen, dass es fuer autorInnen, die das in zukunft machen, gefaelligst anders sein soll. ich wuerde es nicht wieder machen.

langes interview mit peter handke im »freitag«; er traegt eine aufdringliche art dogmatischer verschrobenheit zur schau, die mir sehr unangenehm ist. zudem andeutungen ideell ziemlich fragwuerdiger ueberzeugungen, gleichzeitig weigerung, sie auszuformulieren. zurueck bleibt ungute beruecktheit.

auf eine empfehlung hin in den buchladen und »ich wollte liebe und lernte hassen!« von fritz mertens bestellt. sehr gespannt.


2018 | 28. AUGUST
fritz mertens wahnsinnig toll. buch auf dem weg ins krankenhaus abgeholt, im wartebereich zu lesen begonnen. ich moechte gar nicht drankommen. besprechung gut: wir machen erst mal nichts. alles soweit in ordnung, in 5 wochen abschlusskontrolle. zaehne beiszen wieder auf andere zaehne, so, wie es sein soll.

dienstbesprechung in der bar.

zahnarzttermin fuer donnerstag ausgemacht, beratung, was mit den kaputten zaehnen passieren soll. heim, schon zu muede zum lesen, aber dringenden bedarf, weiter im mertens zu lesen. brutal, tonfall von eindrucksvoller neutralitaet, selbstbeobachtungsgabe beachtlich. erschuetternde geschichte, erschuetternd, aber nicht erschuettert erzaehlt. werde in den naechsten tagen kaum eine freie minute zum lesen haben, was mich jetzt schon aergert. keine ahnung, wann zuletzt derartiges verlangen nach einem buch.


2018 | 29. AUGUST
tagsueber in der metro fuer abends einkaufen, abends die geplante veranstaltung auf der ms seute deern. t. und ich machen die bar. es wird mehr und schneller getrunken als erwartet, also so viel wie gehofft. nach drei stunden sind die meisten alkoholika alle, es wird bereitwillig undoder verzweifelt umdisponiert, ab jetzt tut es auch mariacron mit sprudelwasser. trinke sehr wenig, werde sofort betrunken; die unfallbedingte fluessigdiaet macht sich bemerkbar. am ende ueberraschend guter abendumsatz. kosten gedeckt, es bleiben 200 euro fuer die tagebuchdruckkostenfinanzierung uebrig. muede und zufrieden ins bett.


2018 | 30. AUGUST
lange geschlafen. seit dem unfall irgendwie kraftloser als vorher, liegt vermutlich nur an der ernaehrungsumstellung.

der tag sagt mir irgendwie nichts. liege rum und gucke an die decke.

platten von talk talk, khruangbin und grandbrothers gekauft. dann filmprojekt. 3 stunden warten, 15 minuten drehen, fertig. dann arbeiten. der neue wird weiter eingearbeitet, er schlaegt sich nicht schlecht. schicht zieht sich trotzdem ewig. gegen 6 uhr 30 im bett.


2018 | 31. AUGUST
3 stunden schlaf, aufstehen, kaffee, duschen, filmprojekt. dauert bis abends; muedigkeit haelt sich in grenzen.

mann mit jeans, jeanshemd, jeansjacke gesehen.

talk talk angemacht, suppe gekocht, ausgehplaene verworfen, mertens gelesen. schnell aufgegeben, jetzt doch zu muede. ob ich nicht noch rauskommen wolle. also eigentlich. aber. ein anderes mal. frueh schlafen irre befriedigend.


2018 | 1. SEPTEMBER
nur mehrfach zum kaffeemachen aufstehen, ansonsten lange im bett bleiben, mertens auslesen. krasses buch. kein plaedoyer, keine streitschrift, keine entschuldigung. keine rechtfertigung, kein selbstmitleid. persoenlicher tatsachenbericht, dessen klarheit fast verstoerend ist. laesst mich ratlos zurueck, und ich glaube, das ist die einzige pointe, die das buch anbietet. eigentlich ist das gar keine pointe, aber eine gute.

michal turtle. »are you psychic?«

im innenhof unterhalten sich menschen darueber, sich zu finden. das richtige leben. wenn ethisch aus esoterisch und pathetisch zusammengekoffert ist. irgendwie auch peak eimsbuettel.



2018 | 2. SEPTEMBER
mit n. bei der seebruecke. sehr leise, stressfreie demonstration, was zu erwarten war, aber dennoch schoen ist. zwischendrin plakate wie: »menschenrechte auch fuer fluechtlinge«. ganz sicher gut gemeint, keinerlei vorwurf, aber die unterscheidung zwischen fluechtlingen und anderen menschen wird eben doch gemacht. die nuancen der sprache, und wie realzustaende sich in ihr abbilden.

wohnung putzen. essen. schlafen.


2018 | 3. SEPTEMBER
»bot« von clemens setz angefangen. konzept: fingiertes interview ohne interviewten. setz' repliken auf die teilweise vorab, teilweise als anschlussfragen an seine antworten formulierten fragen entstammen einer von setz ueber jahre gepflegten notizdatei, in die allerlei journaliges, loses, assoziatives von ihm hineingeschrieben wird. fragen werden beantwortet, indem die datei per stichwortsuche nach passenden eintraegen durchsucht wird. ergebnis: nicht wirrer als diverse interviews, die ich gelesen oder gefuehrt habe.

nachmittags schlafe ich ein, wache froestelnd auf.

waere gern mal gedanke im hirn von clemens setz. muss ein ziemlicher trip sein.


2018 | 4. SEPTEMBER
- wie findest du?
- ausgesprochen angenehm
- wie jetzt?
- wie jetzt wie jetzt?
- naja wie du das meinst, ausgesprochen angenehm
- wie soll ich das denn meinen?
- ist es angenehm, wenn man es ausspricht?, oder ist es einfach generell SEHR angenehm, unabhaengig davon, ob es ausgesprochen ist oder nicht?
- du bist ja besoffen. und ein naseweis
- haha, naseweis. du redest wie ein maerchenbuch
- seit wann diffamieren wir die art, wie wir reden, anstatt den inhalt, was soll denn der scheisz jetzt
- tschuldigung, comandante
- halts maul, kamerad
- saufkamerad!
- auf jeden fall obersauflieutnant. vorderste front
- wahrheit kennt keine modi, mein freund, zustaende flattern nur drumherum, das heiszt alles ueberhaupt nix
- wodrumherum?
– alles. dichmichalles, um ihn da auch, hello sir, how are you, nein war ein witz, gehen sie bitte, jedenfalls ALLES, das sind so kategorien, die man braucht, um die sachen mehr oder weniger sinn ergeben zu lassen: besoffen, angemessen, berufstaetig, reich, schwanger, zuckerfrei, alles KONSEQUENZLOS, zustandsbeschreibungen, hoerst du, niemand braucht das
- ah
- ich habe keinen namen
- nein?
- nein. doch.
- doch?
- nein. also ich habe nicht keinen namen, sondern ich habe ALLE namen NICHT
- achso?
- ich kann ja nicht sagen, ich heisze nicht mehr UTZ
- weil?
- zu eng. ich heisze ja auch nicht machiavelli oder stefan patrick oder zelma. alle namen sind meine in dem sinne, dass sie nicht meine sind
- wer heiszt denn bitte stefan patrick?
- morrissey. also fast
– aber der ist ein fascho
– wieso denn ABER?
- weisz nicht. warum nicht
- okay

(skizze; romanszene, anfang oder ende.)


2018 | 5. SEPTEMBER
nachrichten, texte lesen; totalkrise. wie kann man seine zeit mit schreiben verbringen, mit lesen, was soll das. es bewirkt nichts, und rundherum ist alles stuendlich tiefer im arsch. ich kreise um mich selbst, waehrend andere eingekreist werden, ausgegrenzt, marginalisiert bis ins mark, misshandelt. nutzlosigkeit, perverser luxus, die wege sind zu weit, die ausreden billig. fuehlt sich wie kein gefuehl an, das wieder weggeht. ist aber ein gefuehl, das wieder weggeht. die rettung ist teil des problems. verdraengung. normalisierung. alles im arsch.

video ueber psychopathie, soziopathie, narzissmus gucken. glaube, habe den unterschied jetzt verstanden. video ueber die vier arten des narzissmus. wusste nicht, dass da noch unterschieden wird. videomitschnitt eines interviews mit einem katatonischen schizophreniker. sonderbare naehe zu diesem entrueckten menschen, der eigentlich waechsern und unzugaenglich wirkt. szenario, in eine psychiatrische klinik eingewiesen zu werden und sich im aufnahmegespraech als voellig gesund beweisen zu muessen, sich dabei aber doch nur weiter in eine so harsche wie falsche diagnose hineinzustrampeln, weil ich einfach das falsche sage, ist so eine ewige horrorvorstellung. viel schlimmer geht es nicht. man hat worte zur verfuegung, viele, unendlich viele, aber man verwendet die falschen, kombiniert sie falsch, man sagt nicht, was man normalerweise sagt, und macht sich damit verdaechtig. misslingen als grundannahme der kommunikation, immer und immer wieder.


2018 | 6. SEPTEMBER
ob sie zwei filter haben duerfe. ja, darf sie. bedankt sich, gibt die packung zurueck, kein problem, achte nicht weiter drauf. spaeter merken: sie hat das filtertuetchen oben aufgerissen, statt das kleine durchfriemelloch zu benutzen. mache ich nie, weil dauernd der wiederverschlieszverschluss nicht richtig wiederverschlieszt und dann die ganze manteltasche voller filter ist. werde kurz aergerlich, finde das nicht gut von ihr. dann: es wird ihr nicht bewusst gewesen sein. dass ich das so handhabe. dass ihre weise mich stoert. es wird keine boshaftigkeit gewesen sein. vielleicht nutzt sie das loch nie und ist entsprechend friemelunbegabt. vielleicht ist sie einfach eine aufreiszerin, die denkt, alle menschen sind aufreiszerInnen. es ist egal. will das jetzt nicht zur allegorie aufblasen, aber. zuweilen weniger argwohn einfach besser.

clemens setz unterwandert den sowieso unnoetigen geniebegriff. was er aufschreibt, ist nicht genial, sondern ausdruck eines geistes, der disparates auswirft, weil ihm disparates angetragen und eingegeben wird, weil ein interesse fuer all dieses disparate da ist, ein beduerfnis, dinge zu wissen, geschichten zu hoeren. mit von oben in ihn hineindiktierte begabung und metaphysik hat das nichts zu tun; setz ist ein schwamm, der sich selbst ausquetscht.

nachts, nach der arbeit, zum ort des fahrradunfalls. vielleicht ist das amulett noch da, das es mir von der kette riss, als ich fiel. ist es natuerlich nicht. weniger erwartbar, dafuer aergerlicher: fahrrad auch weg.

entschaedigung fuer geklautes fahrrad: heimlaufen im regen. fuck the surround sound system. DAS ist SURROUND, und noch mehr, das rauschen erscheint endlos, tropfen weichen das haar auf, sickern durch bis auf die kopfhaut, kuehlen sie aus.

in unterhose auf dem ruecken liegen und an die decke gucken, bis zu muede zum zaehneputzen.


2018 | 7. SEPTEMBER
»i'm just calling 'cause i'm used to it /
you'll pick up 'cause you're not a quitter« –

lucy dacus: sehr gute texterin.

ansonsten neue menschen. ganz schoen. auszerdem: langsam wirds kalt nachts. irgendwie auch gut.


2018 | 8. SEPTEMBER
»zur erholung wandte ich mich wieder den falten meiner hose zu. >dies ist die art, wie man sehen sollte<, sagte ich abermals, und ich haette hinzufuegen koennen: >dies ist die art von dingen, die man ansehen sollte< dinge, die sich nichts anmaszen, dinge, die sich damit zufrieden geben, blosz sie selbst zu sein, selbstgenuegsam sind in ihrem so-sein, nicht eine rolle spielen wollen, nicht wahnwitzig versuchen, es alles allein zu schaffen, abgeschnitten vom dharma-leib, in luziferhafter auflehnung gegen die gnade gottes.« –

aldous huxley, »die pforten der wahrnehmung. himmel und hoelle«

was mescalin kann.

schoenstes detail am buch: vorn aufgedruckt, schraeg rechts unter dem titel, in signalroten blockbuchstaben, der wie ein hybrid aus jugendschutzwarnung und kaufempfehlung geratene hinweis: ERFAHRUNGEN MIT DROGEN. eine buchreihe? oder kryptisch–elliptisch gemeint, à la: … sollte man gemacht haben, um dieses buch verstehen zu koennen?; … sind nach der lektuere dieses werkes erwartbar? bleibt offen. passt eigentlich gut zum buch.



2018 | 9. SEPTEMBER
»nichts, was mit sprache zu tun hat, ist nicht interessant. es ist nur eines nicht: ein richtiger beruf.« –

rainald goetz, »dekonspiratione«

das wars.


2018 | 10. SEPTEMBER
neue zimmerpflanze hat nachvollziehbaren, regelmaeszigen tagesrhythmus. stellt blaetter nachts auf, streckt sich, ab morgens faechert sie sich auf, gibt sich der im zimmer nicht vorhandenen sonne preis. genetische konditionierung, fast tragisch, weil neben der realitaet heragierend. andererseits: man selbst.

festnetztelefon installiert. anachronismus, der sich nicht anachronistisch anfuehlt. habe jetzt einen anrufbeantworter; geil. ana chronismus eventuell auch guter dj-name.

noch nie ein regal, das selbst angeschraubt, abgestuerzt – trotzdem hemmungen, buecherregal ueber schreibtisch zu montieren, weil angst davor, dass buecherregal auf laptop kracht, kaputt. laptop einziges geraet in meinem besitz mit wert. teure dinge besitzen stresst mich.


2018 | 11. SEPTEMBER
BEINAHE

– muetze vom kopf geweht, der wind steht relativ senkrecht in den straszen und fuehlt sich gut an, nach ausgeliefertsein und sanfter gewalt
– krank
– einen drucker gekauft, mache ich morgen, heute kam der mittagsschlaf, dringend noetig, in die quere

EIN/EINER/EINEN/EINE

– bisschen wehmuetig, dass buecher wie »es bringen« (verena guentner) natuerlich nicht reproduzierbar, erweiterbar sind, das direkte, kontaktische, der sprachliche anschluss an eine demographie zwischen fastkarikaturistischer stilisierung und liebevoller, um verstaendnis ringender mimesis, gerade wieder erinnert, und fuck, wirklich ein fantastisches buch
– kifft allein vor sich hin auf der naechtlich unbeschienenen parkbank, aber vielleicht trifft es vor sich hin auch kein bisschen, sondern er ist hochkonzentriert und erhascht sich sein naechstes projekt, oder er versucht das gegenteil, sich kurz von allem freimachen, aber eben nicht AUS, sondern GEGEN die gewohnheit, man darf da einem geruch, nur weil er wiedererkennbar ist, keine eindimensionalitaet unterstellen
– sitzen
– zigarette nicht auf dem heimweg geraucht, sondern erst zuhause, erst aus drehfaulheit, dann freude, unterwegs nicht geraucht zu haben, weil so die zigarette daheim nicht eine zu viel ist, sondern exakt die perfekte letzte


2018 | 12. SEPTEMBER
»of this english upper-middle class speech we may note (a) that it is not localised in any one place, (b) that though the people who use this speech are not all acquainted with one another, they can easily recognise each other’s status by this index alone, (c) that this elite speech form tends to be imitated by those who are not of the elite, so that other dialect forms are gradually eliminated, (d) that the elite, recognising this imitation, is constantly creating new linguistic elaborations to mark itself off from the common herd.

— e. r. leach, political systems of highland burma: a study of kachin social structure, 1954« –

via »international art english«; tolles projekt, das die ausbildung einer eigenen sprache mit eigenem vokabular und eigenen strukturen im kontext kunstwelt feststellt und untersucht.


2018 | 13. SEPTEMBER
»sie werden ein moment von text, allein darin ist eine ungeheuerliche gemeinheit, ein verrat, eine scheuszlichkeit eingeschlossen.« –

rainald goetz, »dekonspiratione«

den tag ueber (privat) mit nicht einer person kommuniziert, die mir egal ist, nachts (arbeitend) mit nicht einer, die ernstzunehmend unangenehm. kommunikationstechnisch ein aufmerklich guter tag. (aufmerklich ab sofort legitime vokabel, aehnlich wie beachtenswert, aber nuanciert staerker, weil nicht wertend/einstufend, sondern eingestehend, dass etwas die aufmerksamkeit vehement EINFORDERT, ununwahrnehmbar ist.)

erstes mal seit ewigkeiten die stiefel getragen. laufe mir blasen auf dem heimweg; viel zu spaet faellt mir ein, dass die stiefel kein koerperteil sind, sondern drangesteckt: ziehe sie aus; besockte fuesze auf beton. es tritt sich hart, die bodenkuehle beruhigt wunde sohlen.


2018 | 14. SEPTEMBER
besitze seit einigen tagen wieder ein festnetztelefon. angeschlossen und funktioniert, inklusive anrufbeantworter; noch hat niemand die nummer, und ich ueberlege, es dabei zu belassen. heimkommen und sehen, dass niemand angerufen hat, ist ein eigenartig schoenes gefuehl. 0 abzuhoerende nachrichten, niemand hat die zwischenzeit vollgeredet. toll.

willkuerlich draengt sich die erinnerung an eine begebenheit auf, an die ich, nachdem sie sich begeben hatte, bislang kein einziges mal gedacht habe: zivildienst im altenpflegeheim, ich im fahrstuhl mit einer dame, wir fahren gemeinsam ins raucherzimmer. sie schaut an mir herab, auf die budapester. sie moege ja budapester. ja, ich auch. aber die sohlen, die gefallen ihr nicht. zu breit, sagt sie. ich: habe an den sohlen nichts auszusetzen und tue das freundlich kund. sie guckt erneut hin und sagt: nein. sieht mich an und sagt: und ich habe mein leben lang in schuhgeschaeften gearbeitet. thema erledigt. sie grinst ein wenig. ob sie heute noch lebt, weisz ich nicht. aber die sohlen der budapester, die waren tatsaechlich zu breit.


2018 | 15. SEPTEMBER
gewusst, dass viele notizen in diversen dateien auf dem laptop rumliegen, aber himmelherrgott: mehr als gedacht. zumal null geordnet. liest sich exemplarisch, als auszug, folgendermaszen:

nebenfigur: talal. genannt j beziehungsweise jay, oder cool j, weil ein us-amerikanischer urlauber ihn mal talal cool j genannt hat

aber wen frage ich das? im ernst: wen?
topographie
parze?

»raucht ungern und viel«, heiszt es bei stanišić. er kann diese komik, die ohne pointen auskommt

intuitionismus: lehre v d intuition als hauptsaechlicher und sicherster erkenntnisquell

prag: mozart und sein librettist lebten in vis a vis gelegenen haeusern derselben strasze und riefen sich bei geoeffneten fenstern dinge zu

vergessene anekdoten, vokabelfragen, ideen, anfaenge zu kurzen erzaehlungen, die immer anfaenge bleiben werden, naechtliche pseudoerkenntnisse, ab und an kluges, haeufiger unkluges, das im moment des aufschreibens sich wie der grosze wurf angefuehlt haben muss, pathos – alles wirr durcheinander und darin irgendwie akkurates abbild eines geistes. befremden und eitle freude und unverstaendnis wechseln sich beim wiederlesen ab.
2018 | 16. SEPTEMBER
saemtliche innerhalb des letzten jahres aus buechern abfotografierten textpassagen transkribiert, zugeordnet und in ein bibliographisches sammeldokument eingetragen. ZITATE.doc. wird fuer den roman wichtig sein, es soll um referenzfetischismus gehen, um selbstverortung auf dem coolnessatlas der kulturia, distinktionssucht. deswegen schonmal alles, was irgendwie zitatfaehig erscheint, vormerken. spaeter den roman mit haendeweise fremdworten beschmeiszen und sehen, was wohin passt.

bei der gelegenheit mal wieder in fauser, barthes, biller, mill geblaettert. bachmann, mora, luiselli. was wieder einmal stark auffaellt: maennliches schreiben oft voellig selbstverstaendlich und selbstzufrieden normativ, sehr viel mehr als das der kolleginnen. letztere nicht weniger dringlich, aber weniger aufdringlich. objektiv betrachtet, ist das durchaus eine wertung. subjektiv betrachtet: gefaellt mir beides. es gibt momente, da darf es megaloman sein, da darf es verstiegen sein und maszlos selbstsicher. zuweilen kickt mich das. auch, weil einerseits die guten momente besonders gut tun, wenn sie ohne contenance ausgespien werden, gezischt, gezetert geschrien. und andererseits ist das erkennen und verurteilen der schlechten – selbstherrlichen, privilegblinden, fehlgeleiteten – momente auch nicht frei von genugtuung. nicht zuletzt schulung des muendigen lesens, sich mit leuten auseinanderzusetzen, die stark ambivalent sind.

stelle wiederholt fest: wenn ich mir zu texten nichts notiere, vergesse ich sie einfach wieder. komplett oder beinahe.


2018 | 17. SEPTEMBER
tag in zahlen:

19 grad und 17 prozent (laptop) beziehungsweise 65 prozent (telefon) akku um 21 uhr 39, alles in allem kann sich das sehen lassen

3,5 kilometer spaziert

8 mal in folge »i am chemistry« von yeasayer wegen dieses unglaublich kitschigen, unsagbar geilen erloesungsmoments mit dem kinderchor gehoert

4 mal kaffee getrunken und die frage, soll es ein 5ter sein

3 stunden in verschiedenen texten versunken, dabei 1 eselsohr gemacht, 2 passagen blau angemarkert

3 zigaretten geraucht, aeuszerst wenig, auf jeden fall gleich noch die 4 vollmachen

1 gute idee fuer den roman beziehungsweise die romanstruktur gehabt, was in diesem kontext (zahlen) lustig ist, weil 1 als zahl kleinstmoeglich (minus- oder halbe ideen gibt es ja nicht), als anzahl guter ideen fuer ein buch aber ziemlich viel ist. der frust ueber tagelanges nichtstun kann getilgt werden mit einer einziges idee, einer einzigen kleinen erkenntnis

0 motivation, beziehungsweise nein, falsch, motivation ja, kraft fehlt – also genau, 0 kraft, die lesung am mittwoch vorzubereiten. ueberlegung: sofort ins bett, 7 stunden schlaf bis 5 uhr in der frueh und direkt in medias res; sowieso die beste zeit fuer kopfarbeit. beantwortet auch die frage nach kaffee nummer 5

14 grad und 15 prozent (laptop) beziehungsweise 70 prozent (telefon) akku um 21 uhr 49, rasant kaelter jetzt


2018 | 18. SEPTEMBER
10 tabs mit zu lesenden artikeln, einem wikipedia-eintrag (faschismustheorie), einem interview mit david foster wallace offen, einige seit heute, einige seit einer woche, was soll das. prokrastiniere inhalte zur seite, die mich interessieren, und weisz nicht, weshalb. ahnung, ich koennte ueberfordert sein? bin ich doch dauernd. eh okay. ich weisz es nicht.

erstmals gemeinsam mit e. musik aufgenommen. empfinde die stimmung voruebergehend als gereizt. e. nicht. stelle fest: liegt an mir und der einsicht, nicht nur wenig, sondern annaehernd keine ahnung von dem zu haben, was wir hier tun. was wir hier tun: e. singt sehr schoen und spielt keyboard, ich sage hin und wieder: das da mochte ich, wo du so doe-doe-doe gesungen hast, voll schoen, wenn du am ende runter gehst mit der stimme. einheit des duos steht dennoch ganz eindeutig nicht zur disposition. tolles gefuehl.


2018 | 19. SEPTEMBER
abends lesung im gaengeviertel. werde kurz vorher ein wenig nervoes. das sich-rumdruecken, das rumstehen, bevor es losgeht, es ist so furchtbar. sogar gespraeche mit menschen, die sympathisch sind, werden zu ueberbrueckungsstrategien. ich kann gruppe nicht, auszer sie verschluckt mich. lesung selbst laeuft dann okay. habe das gefuehl, haende und stimme vibrieren leicht, bekomme aber versichert: noe. menschen loben den text, auch solche, deren lob nicht egal ist.

uff. die literatur der groszen woerter. das ist beinahe niedlich. wie einen ballon weiter und weiter aufblasen, um ihn schwerer zu machen. wie gesagt: beinahe niedlich. definitiv anstrengend. und noch ein wort zu humor: als nebenprodukt, meinetwegen. als pointenlose unumgehbarkeit, weil es irgendwie nicht anders geht, der situation eine gewisse komik abzuringen, weil sonst alles zu niederschmetternd waere, oder wenn sich ein komisches moment erst im schreiben ergibt und sich diese spontaneitaet aus dem text erlesen laesst. kann ich hinnehmen. vorsaetzlich komisches: pauschal und vorgreifend gelangweilt. dieses suchen von komik in absolut allem, das dann zu poussierlichen alltagsvermessungen wird, in versform, in stilisierter kurzprosa, textflankierten zeichnungen, es hat etwas getriebenes, zwanghaftes, trauriges. oszillieren zwischen diesen extremen, die wortreiche denkerpose auf der einen, die humorbegabte verflechtung von oberflaechlicher sinnsuche und eskapismus auf der anderen seite, es ist irgendwie sehr nachkriegsdeutsch. die deutsche literatur hat ein lockerheitsproblem. ehrliches, schroffes, duesteres und voellig schamfrei praesentiertes pathos, das nicht verspieszt und knoechrig und emotional von der stange ist, es scheint hier nicht zu funktionieren, und das meint sowohl entstehung wie auch rezeption.

wieder sehr gelacht ueber das biller-interview in DAS WETTER von vor einem halben jahr. er spricht da ebenfalls von der zwanghaftigkeit deutscher literatur: »aber ab und zu halten die deutschen das nicht mehr aus, und dann drehen sie ploetzlich durch und gruenden sowas wie die romantik.«

2018 | 20. SEPTEMBER
kuerzlich kennengelernte kuenstlerin fragt, ob ich lust haette, teil einer fotografischen portraitserie zu werden, die sie macht. kenne die serie bereits, finde die bilder fantastisch, ja, moechte ich gern. machen fotos, sehr kurz, sehr unspektakulaer, werden vermutlich toll. es gibt eine form von schwereloser kompetenz; kein druck, kein gewicht, keine behauptungen.

»hier wird das Wort original neu definiert, kopiert und dann von mir signiert.« –

romano, »copyshop«.

auf dem heimweg loest sich ueber mir ein blatt. es faellt und streift mein gesicht und faellt weiter.


2018 | 21. SEPTEMBER
»the reason why doing political writing is so hard right now is probably also the reason why more young (…) fiction writers ought to be doing it. as of 2003, the rhetoric of the enterprise is fucked. 95 percent of political commentary, whether spoken or written, is now polluted by the very politics it’s supposed to be about. meaning it’s become totally ideological and reductive: The writer/speaker has certain political convictions or affiliations, and proceeds to filter all reality and spin all assertion according to those convictions and loyalties. everybody’s pissed off and exasperated and impervious to argument from any other side. Opposing viewpoints are not just incorrect but contemptible, corrupt, evil.« –

david foster wallace, interview mit »believer magazine«, november 2003.


2018 | 22. SEPTEMBER
dann jetzt doch carolin emckes »gegen den hass« gelesen. nach erscheinen sind sofort ueberall menschen aus dem boden geschossen, die versicherten, das buch sei toll und wichtig und richtig, und ohne dass emcke da etwas dafuergekonnt haette, war das buch teil einer buergerlich-liberalen selbstversicherungsdynamik geworden, lektuere als distinktionsreflex, verortungsakt, wer DAS liest und dann auch noch GUTFINDET, die oder der kann nicht nur nicht schlecht sein, sondern ist im gegenteil dermaszen groszkariert, da fliegen direkt die loecher aus dem gruyère. coffeetable books sind nicht nur durch ein format beschrieben, auch eine bestimmte art aktiv kommunizierter rezeption macht buecher zu coffeetable books fuer die, die sie lesen. sie werden repraesentationsprunk. das ist wahnsinnig langeweilig und leer. entsprechend genervt war ich von »gegen den hass«, ohne auch nur einen satz gelesen zu haben.

jetzt dann aber. buch frustriert mich wie bescheuert. nicht, weil es schlecht waere. nicht, weil es genau so ist, wie ich es zu sein erwartet hatte. es ist gut. emcke schreibt wichtige dinge in klugen, praezisen worten auf, macht allen verstaendlich, worum es (ihr) geht. nur: alle, das werden nicht mal ansatzweise alle sein. sondern die, denen das, was emcke schreibt, nicht mehr erzaehlt werden muss. es ist so scheisze. die dringlichkeit eines themas und die leistung seines vermittelbar-machens, das sind zwar super werbeaufkleber, helfen aber nicht, wenn die fronten so hart sind, wie sie es sind. die leute wollen nicht bekehrt werden. sondern recht haben. mensch sollte deshalb nicht aufhoeren, diese art von buechern zu schreiben, filme zu drehen et cetera. es braucht ja die gegendarstellung zu simplifizierenden, demagogischen, aengste naehrenden rechten narrativen. aber die weitreichende vergeblichkeit, die in solchen vorhaben steckt, ist beklemmend. was emcke schafft: ein vielbeackertes thema in seine bestandteile zu zerlegen, um die emotionale etymologie einer weltsicht zu rekonstruieren, die es vertretbar und richtig findet, ein ANDERES vom NORMALEN abzugrenzen und dieses andere ganz selbstverstaendlich anders (schlechter) zu behandeln. das ist schon viel. nur ist eben die wiederkehrende erkenntnis, mit der mensch klarkommen muss, dass viel nicht reicht.


2018 | 23. SEPTEMBER
»prefixes like para-, proto-, post-, and hyper- expand the lexicon exponentially and germanly, which is to say without adding any new words.« steht so bei »international art english«. GERMANLY. also deutschlich, deutsch-haft. die nachvollziehbaren eigenheiten der sprachen.
korrekturen an einer master-arbeit, deren inhalt ich nur in ansaetzen verstehe. kochen und reden mit e., die am dienstag wieder nach wien fliegt.
2018 | 24. SEPTEMBER
zur unfallabschlusskontrolle im uke. station mund-, kiefer- und gesichtschirurgie; teilt sich die abkuerzung mit dem museum fuer kunst und gewerbe, was selten zu verwirrung fuehrt, mich aber immerhin kurz amuesiert. erstaunlich, (a) wie unspektakulaer die anfertigung eines roentgenbildes vonstatten geht und (b) wie creepy man den ganzen vorgang gestalten kann, indem das umrunden des kopfes durch den scanapparat von horrorfilmhafter kirmesmusik begleiten laesst, um das summen zu ueber- oder zumindest durchtoenen, das an sich viel weniger irritierend waere. jedenfalls darf ich mund, kiefer und gesicht behalten.

lektuereauswahl in wartebereichen. vielleicht lohnen sich »sport-bild«, »in touch«, »schoener wohnen« und »stern«, weil themen, die egal sind, immer und schon im moment ihres erscheinens egal sind, weswegen sie eben kein verfallsdatum haben und ewig den transit gelangweilter oder nervoeser menschen mit sinnlosigkeit zu fuellen in der lage sind. zeitrelevantes kann seine aktualitaet nur bedingt bewahren. jeder weiterreichende gedanke hinsichtlich dessen, was die wartebereiche an lesbarem anbieten, macht lediglich schlechte laune. es wird ein durchschnitt der rezipierenden bevoelkerung entworfen, der wohl gleichzeitig akkurat und bevormundend ist, also lesegewohnheiten bedient und gleichsam formt. dass es, waere man unvoreingenommen, erst mal nicht weniger sinn ergaebe, statt »spiegel« etwa die wochenendausgabe der »jungle world« zu platzieren, war garantiert noch nie thema. dabei sind gerade die orte des aufgezwungenen verweilens solche, die aufgrund ihrer vermeintlichen beilaeufigkeit enormen einfluss ausueben koennen.

leicht kraenkelnd, abends dennoch zur letzten schicht des barkollegen. der dritte innerhalb kurzer zeit, der geht. mit zweieinhalb jahren erfahrung nun dienstaeltester. komisches gefuehl auch.


2018 | 25. SEPTEMBER
extraschicht uebernommen, somit do/fr/sa am tresen. befriedigend, weil derzeit keine bis wenig schreibarbeit, ich entarbeite mich dem eindruck der nutzlosigkeit.

abends bei t. am tresen. laenger als geplant, aber genau richtig. viel sprechen tut gut.


2018 | 26. SEPTEMBER
lange durch die gegend spaziert. secondhandladen am rathausmarkt, buecher gekauft: »schrecklich amuesant – aber in zukunft ohne mich« von david foster wallace und »wie wir leben wollen«, sammelband mit texten diverser autor*Innen. kaufe mal wieder viel schneller buecher, als ich sie weglesen kann, neben dem bett stapeln sie sich. darunter buchgeschenk von f., leihgaben von j., zudem war heute die neue »pop-zeitschrift« in der post, auf dem nachttisch liegt leicht ein monat lektuere.

sehr viel zeit mit kochen verbringen, wein, am ende keinen hunger mehr, trotzdem zufrieden. dann doch hunger, doch gegessen, noch zufriedener.

15.626 schritte haette ich heute getan, behauptet das telefon. wenn es nicht parallel eine dem entsprechende kilometeranzahl anzeigte, ich koennte mir absolut nichts drunter vorstellen. aber klingt viel.


2018 | 27. SEPTEMBER
zugfahrt zu den groszeltern gebucht. einer dieser vorgaenge, die weder kompliziert noch zeitraubend sind, trotzdem dauernd aufgeschoben werden. glaube, hemmung, mehrere tage am stueck der verplantheit zu uebergeben. lieber flexibel sein. was weisz denn ich, welche termine sich innerhalb von drei wochen noch ergeben koennen.

das mit dem festnetztelefon war eventuell komplett ueberfluessig. nehme es inzwischen kaum mehr als einzelnen gegenstand wahr. steht herum, gehoert funktionslos zum gesamtbild. telefone sind keine einrichtungsgegenstaende. vielleicht mal aus prinzip leuten die nummer geben, um immerhin potenzial von nutzen zu schaffen.

meinen alten mitbewohner zum kaffee getroffen. absurd, wie leicht kommunikation zuweilen, mit einzelpersonen, fallen kann. wenn die grundannahme des missverstaendnisses wegfaellt.

abends tresenschicht 1 von 3. wenig zu tun. nach feierabend l. beim auflegen in der beatboutique besucht. danach letztes getraenk in der mutter. abrupt gegangen, weil abrupt beduerfnis zu gehen. irgendwie noch im gespraech, aber ging nicht anders.


2018 | 28. SEPTEMBER
frueher termin bei der zahnaerztin nach drei stunden schlaf. nicht gut geplant irgendwie. bekomme fuellungen, kann nun wieder kauen und zaehneputzen, ohne auf offenliegende nervenenden zu achten.

nachmittags desillusioniert, was den schlafdruck angeht. statt eineinhalb beinahe 4 stunden geschlafen, zu lang, um es noch zur demo gegen §219a zu schaffen. nicht nur aergerlich per se, sondern besonders, da morgen grosze antirassismusdemo; fuerchte, viele werden morgen hingehen, am wochenende, und denken, das reicht dann ja auch. kann man niemandem vorhalten, trotzdem scheisze. gute zwecke sollten guten zwecken nicht im weg stehen, aber manchmal tun sie das. niemandes schuld. heiszt nichts anderes als: zu viel ist im arsch.

tresenschicht 2 von 3. laden wahnsinnig voll, viele leute von der seebruecke plus regulaeres wochenendpublikum. guter abend.


2018 | 29. SEPTEMBER
notiere inzwischen so ziemlich alle – in anfuehrungszeichen – wichtigen geburtstage im kalender. in anfuehrungszeichen, weil: wichtig sind sie nicht fuer mich, sondern fuer die, die denken, nichtgratulieren meinerseits sei eine aussage ueber sie oder meine beziehung zu ihnen. habe mich dummerweise so dran gewoehnt, dass die geburtstage im kalender auftauchen, dass ich sie inzwischen ignoriere und den leuten dann doch nachtraeglich gratuliere, was sich doppelt bescheuert anfuehlt, weil (a) versaeumnis und (b) noch willkuerlicher als sowieso.

antirassismusdemo.

tresenschicht 3 von 3. kontextlos gehoerter satz: stell dir vor, du bist ein kind und das ist total normal. darueber hinaus null erwaehnenswertes. es passiert nichts, nichts, nichts. dann doch erwaehnenswert, irgendwie. frueher feierabend, dann f. beim auflegen in der kleinraumdisko besucht. erneut abrupt aufgebrochen. wenn ich muede werde, geht der letzte rest sozialnormierter hoeflichkeit ueber bord. moechte keine gespraeche zuendefuehren, die bereits vom aufbruchswunsch untergraben sind, das fuehlt sich unehrlich an. ist es ja auch. gute erkenntnis: es wird mir nicht uebelgenommen.


2018 | 30. SEPTEMBER
liege auf dem tag herum. schaffe es nicht, ihn unter mir hervorzuziehen, um etwas mit ihm anzustellen. buecher und »konkret« liegen neben mir, bleiben ungelesen. hoere »we're new here« von gil scott-heron & jamie xx, gucke abwechselnd ins telefon, an die wand, youtubevideos. in einer ahnenforschungssendung, die einen juedischen familienzweig in einen kleinen ort zurueckverfolgt, faellt der satz: the nazis wasted no time supressing the jewish population. formulierung macht mich total fertig. weil: keine ahnung, ob unangemessen lapidar oder wiederum in der selbstverstaendlichkeit, die da ausgedrueckt wird, schlicht akkurat.

pflanzen gieszen.


2018 | 1. OKTOBER
wach, I. 5 uhr 30. direkt aufstehen, kaffee machen, dinge aufschreiben. um 8 uhr 30 wieder hinlegen, zwei stunden schlafen.

wach, II. zur bank, miete ueberweisen, waesche machen, einkaufen, staubsaugen. wiederkehrende, bekannte handlungen, produktiv bis reproduktiv, mit immer demselben ausgang. total befriedigend. kein kreativer oder inhaltlicher impetus, kein anspruch jenseits des blanken erledigens. auszerdem mail an verlag, steuerunterlagen runterladen, physiotherapie fuer den sturzlaedierten kiefer organisieren. zweiter intermezzoschlaf, weitere zwei stunden.

wach, III. zweiter kaffee. detaillierten index fuer die fotos anlegen, die im tagebuch abgedruckt sein werden. abendessen. besuch und noch ewig wach. schlaf wird nicht nachgeholt, nur woanders hingelegt.


2018 | 2. OKTOBER
bei der solitaire-app auf dem telefon erscheint, wenn ein spiel im grunde bereits geloest ist, die einzelnen karten aber noch jeweils per antippen auf ihre stapel platziert werden muessten, ein button, den man druecken kann, damit dieser vorgang, das wegsortieren der karten, automatisch durchgefuehrt wird. ganz praktisch. das eigentlich schoene aber: auf dem button steht nicht vervollstaendigen (zu lang?) oder beenden (zu sehr assoziiert mit dem beenden der gesamten app?) oder etwas vergleichbar technisch-deskriptives, sondern: vollenden. ein seltsam literarisches bis esoterisches fragment, das da mit einem mal den warteminuten fuellenden pragmatismus stoert. VOLLENDEN. werke werden vollendet. nicht partien von minigames. der begriff will irgendwie viel zu viel von mir, oder von sich, das wort gehoert da einfach nicht hin. gute vorstellung aber: app, in die man begonnene kunstprojekte jeglicher art hineinladen kann, wenn man nicht weiter weisz. und dann ist da dieser button. VOLLENDEN. app, mach da kunst draus, jetzt. 4 euro 99, einmalig zahlbar.

ein neues lieblinsgwort: rigorismus

ventiliere derzeit die moeglichkeit, hier, wahlweise wenn mich der selbstdarstellungsdrang ueberfaellt oder die unlust, neuen text zu produzieren, auszuege aus dem ersten, fertigen, aber zum verstauben in der schublade verurteilten roman reinzuschreiben. passagen, die gelungen, passagen die furchtbar sind und belegen, weshalb das urteil gerechtfertigt ist. schon ein schlimmer text, aber auch der wichtigste, den ich geschrieben habe. ohne meine ueberzeugte und gefestigte abneigung gegen klischiertheiten wie diesen roman, die sich nicht zuletzt aus dem zeitlich abstaendigen wiederlesen des romans selbst ergeben hat, haette ich weder zu einer klareren, schrofferen sprache gefunden, noch haette das sprachliche, stilistische wie formale, experiment eine so zentrale rolle eingenommen. wenigstens vermute ich das so. kann auch konstruiert sein. so funktioniert ja sinn oft. auf a folgt b, also folgt b aus a. irgendwie bekommt man das schon hergeleitet.
2018 | 3. OKTOBER
die intrigen, intriganter, intrigaense
intrinsischer wahn, auszen wahnsinn.
distinktionssucht meets uniformierung,
there you have it: dilemma!
die egozentrik muss eingestanden werden.
sie ist d'accord.
die grenzenlose individualitaet der wahrnehmung
wird verschwiegen,
verbraemt,
bemaentelt mit fingierten wahrheiten.
serieller einheitsbrei. –

»DILEMMA«

tag im halbschlaf verbracht, was sich verschenkter anfuehlt als vollschlaf. abends konzert von l. verpasst, der tag rennt in zeitlupe an mir vorbei.

lyrik: nein. allein das wort.

2018 | 4. OKTOBER
ob ich auflegen wolle, mit c., morgen, kleinraumdisko. selbstverstaendlich. eh uebernaechtigt, dann jetzt eben drei tage autopilot, sonntag durchschlafen.

talk talk.

die halbjaehrige erinnerung daran, dass ich nach wie vor keine 30.000 euro im jahr verdiene, bzw dass es menschen gibt, die 30.000 euro im jahr verdienen, bzw dass 30.000 euro auch in absehbarer und unabsehbarer zeit weder einmalig noch regelmaeszig unter dem jahresstrich stehen werden, ist wieder gekommen. jedes mal aufs neue verwundert, dass es irgendwer geschafft hat, den verbindlich korrekten, eine ellipse markierenden bindestrich in investitions- und foerderbank zu platzieren. die studiengebuehren werde ich wohl trotzdem nie zurueckzahlen.

abends arbeit. moderat frueh zuende, schaffe feierabendgetraenk in der kleinraumdisko.

2018 | 5. OKTOBER
habe notiert, mit dem aufbereiten bzw einpflegen meiner tagebuchnotizen nicht hinterherzukommen. strangely meta-paradox, das in diesem moment hier reinzuschreiben; jetzt komme ich ja dazu.

rote-beete-carpaccio, zuckerschoten-kuerbis-curry, manhattan gemacht. die ruhe beim kochen. manhattan haut mich ziemlich aus den socken. dann auflegen mit c., zunaechst nebst alkoholfreiem, dann gin. moderat angetrunken und zufrieden; ich lege lange nicht gehoertes, c. noch nie gehoertes auf, freue mich ueber beides sehr.

taxi faehrt erst c. nach hause. fahrer vor der weiterfahrt zu mir: xy-strasze? dafuer habe ich jetzt echt keinen kopf. bitte? wie sich herausstellt, faellt ihm lediglich nicht ein, wie man dort hinkommt. in meinem kopf spielen sich ganz andere, mitunter wesentlich dramatischere szenarien ab. erklaere ihm den weg, er nickt, ja. er wirkt bedrueckt, irgendwas quaelt ihn. frage mich, ob ich nachfragen soll. lieber nicht. nicht distanzlos sein. anflug genuin empathischen interesses fuehlt sich irgendwie schoen an. aber auch hilflos.


2018 | 6. OKTOBER
wie am 2. oktober notiert, nun tatsaechlich ein exzerpt aus dem roman, den es nie geben wird. bzw den es schon GIBT, aber eben: naja. zum glueck nicht in einsehbarer undoder buchform. aus dem anfangskapitel:

im dezenten, nur beinahe zu schwachen schein der gedimmten barleuchten erschien der rauch, den gaspar ausstiesz, vollkommen ebenmaeszig. ihm, gaspar, gefiel das, und auch der rauch schien einverstanden. anstelle unfoermiger schwaden stiesz gaspar nach jedem zug kontrollierte, sich in ihrem durchmesser zaghaft weitende kegel ins halbdunkel aus. wenn er im odysseus sasz, gab es keine ausgefransten raender, keine sich in geflacker aufloesenden, nervoes taenzelnden, unmotivierten schwaden. es gab nur eine vollendete form: anfang, ende und betonung definiert durch das spaerliche licht. viel licht war hier nicht noetig, um klarheit zu finden. wobei man es wohl eher andersherum formulieren musste, schlieszlich waren: bei lichte betrachtet die wenigsten dinge eindeutig.

»sich zaghaft weitende kegel« mag ich heute noch. ansonsten eigentlich alles schlimm. wobei ich merke, laengst nicht mehr einschaetzen zu koennen, inwieweit ich mit der klischeehaftigkeit des ganzen damals bewusst umgegangen bin, sie als stilisierungsarbeit forciert habe, und inwieweit da einfach persoenliche vorlieben und vorstellungen von gutem schreiben sich bahn brachen. auch egal. aber seriously: das setting, das an profanem entlanggefuehrte existenzialisieren: pfui.

tresenschicht nummer 6 in 10 tagen, feierabend um 4 uhr 30. auf dem fuszweg nach hause wacher und kraftvoller als seit tagen. keine muedigkeit, keine erschoepfung. muss psychisch sein: erleichterung, weil jetzt 4 tage frei. morgen keine termine.


2018 | 7. OKTOBER
es waere total schoen, wenn das franzoesische muet (dt. stumm (m), gesprochen mueee) vom griechischen buchstaben µ (ausgeschrieben my/mµ, gesprochen mue) abgeleitet waere, der ja auch als maszeinheitsvorzeichen (zb in µg; 1 µg = 1 mikrogramm = 0,001 milligramm = 0,000001 gramm) mit der bedeutung 1 millionstel verwendet wird. dann koennte man interpretieren, dass stumm eben nicht die abwesenheit von stimme bzw klang bedeutet, sondern stattdessen ein sehr geringes masz bezeichnet, so gering, dass es nicht einmal wahrzunehmen ist. was ja bei stummen buchstaben etwa total angemessen waere, denn die sind ja da, blosz eben nur orthografisch bzw morphologisch, akustisch bzw phonologisch nicht. wirklich schoen waere das gewesen. aber so ist es nicht.

abends auf bier und zigaretten zu meinem bruder, bzw MIT bier und zigaretten, ich soll was mitbringen. fuer mich kein bier heute kuendige ich an; spaeter dann rein in die tankstelle, bier fuer zwei personen gekauft, raus aus der tankstelle. rauchen und trinken bier. immer froh, gewisse seinsarten und denkweisen, die ich an ihm wahrnehme, an IHM wahrzunehmen, weil mir bei anderen sehr wahrscheinlich die geduld fehlen wuerde, mich mit ihnen auseinanderzusetzen. ihm, den ich schaetze, unterstelle ich, gute gruende zu haben. hat er auch. ueberzeugt mich trotzdem nicht, aber ich kann nachvollziehen, was er mir sagt, und es akzeptieren und zuweilen sinnvoll finden.


2018 | 8. OKTOBER
sammle seit einiger zeit lose buchseiten, fetzen von formularen, handbeschriebene zettel et cetera, die ich auf der strasze finde. habe sie nun abfotografiert und in die website eingebunden. erreichbar ueber das kamera-icon oben rechts ueber dem text. noch nicht sicher, wie gut ich das finde. vielleicht doch auslagern. mal eine weile machen und sehen, wie es sich anfuehlt.

ansonsten orgatag. bringe ordnung in meine papierwirtschaft. bedeutet: hefte endlich alle offiziellen schriebe, die ich nach erhalt immer zusammenfalte und in irgendeine schublade stecke, in die entsprechenden ordner. fantastisches gefuehl. nicht derselbe adrenalinkick wie vom sport, aber aehnlich befriedigend und hinterher aehnlich geschafft.

abends »paradox, zwischen zwei huegeln« von joshua grosz und »schimmernder dunst ueber perelín« von anja kuemmel, beides SUKULTUR-erscheinungen.


2018 | 9. OKTOBER
16 uhr 35: bei verlag xy wegen novelle nachfragen in die to-do-liste fuer morgen notiert. 16 uhr 58: verlag meldet sich mit der nachricht, die novelle werde von ihnen nicht verlegt. enttaeuschung ueber den inhalt der nachricht geringer als das amuesement ob des timings.
was sich eingeschlichen hat: zwang. merke immer oefter, erkenne es in diesen momenten aber nicht als eben dieses problem, dass dinge hier nicht notiert werden, weil mir die zeit oder die musze fehlt, sie auszuformulieren. da ist ein hauch von vollstaendigkeitsanspruch, angst vor angreifbarkeit, was soll das. ist ja gedacht als pinnwand und ideenhalde und erlebnispark, das alles hier, alles muss unvollstaendig und quatsch sein duerfen. unausformuliert und schlecht formuliert, sogar gar nicht formuliert. nachvollziehbarkeit optional. einfach mal von der google-tastatur woerter vorschlagen lassen. ethikringer – offenruderkrieg – hundezucchini-chorkosten. sinnvoller als so darf es gerne sein – muss es aber nicht.
um dem anspruch der anspruchsminderung direkt nachzukommen: jesus fucking christus, wie es mich aufregt, wenn sich leute aus dem kulturbetrieb aufspielen. neulich wieder: man nimmt mich ueberhaupt nicht ernst, missversteht meinen wichtigen beruf als hobby, mimi. wer uebrigens sonst noch nicht ernst genommen wird: alle anderen. frag mal eine gebaeudereinigungskraft, wie ernst ihr job genommen wird, oder eine kassierer*in oder alle, die bei der post angestellt sind, ueber die sich das selbstgefaellige onlinebestellertum am laufenden meter empoert. kultur ist wichtig? ja, bestimmt. mindestens okay finde ich sie auch, sonst wuerde ich wahrscheinlich keine buecher schreiben. aber sie ist auch ein bisschen bis sehr egal. im groszen und ganzen. so egal und so unegal wie funktionierende ampeln und ausgewogene lehrplaene et cetera. da soll mal niemand behaupten, das salz der erde zu produzieren. alle mal zusammenreiszen. herrgottnochmal. und wenn das alles tatsaechlich so wichtig ist und man es deswegen tut: dann sei halt ueberzeugungsmensch, aber inszenier dich hier nicht als maertyrer, was soll der scheisz.

2018 | 10. OKTOBER
bei arte gibt es eine beuys-doku. groesztenteils nichtssagend. zurueck bleibt einzig die frage, weshalb beuys' verbindung zur wehrmacht so explizit unthematisiert bleibt. das wort faellt nicht ein einziges mal. auch nicht nazis oder nationalsozialismus oder weltkrieg. da wird ein kuenstler, der umstritten war, in dieser umstrittenheit umkultet, und ausgerechnet das, was ihm tatsaechlich anzulasten waere, was eine VERITABLE UMSTRITTENHEIT bedingen koennte, wird ausgeklammert. zeitsymptomatisch, dieser umgang mit dem skandal, dem skandaloesen. immer noch alle verrueckt nach erzaehlungen ueberhoehter einzigartigkeit, nach enfants terribles und genies und gebrochenen und bruechigen helden, aber bitte mundgerecht und an die tuerschwelle geliefert.
hoere den ganzen tag still corners. neue platte wunderschoen.
treffe n. im saal II. zum ersten mal dieses jahr richtig lust auf rotwein. trinke rotwein. auch sonst fuehlt sich alles schluessig an. n. sagt immer dinge, die ich so nicht haette sagen koennen. es platzen denkknoten, das ist gut.



2018 | 11. OKTOBER
erster termin bei der kieferphysio. bisher eigentlich nur massage. ganz gut. vorher 20 minuten waermebehandlung, zum lockern der muskeln. die frau, die mich einweist, sagt zuvor mehrfach: ich bringe ihnen dann gleich die waerme, was ich sehr lustig finde. in meinem kopf singt die ganze zeit stella sommer: hier kommt die kaelte. ist jedenfalls alles schnell vorbei und nicht mal unangenehm.
tresenschicht begleitet von still corners und cat power. neue cat power vielleicht sogar noch besser als neue still corners.
naechtlicher heimweg total mild. wird auch bald anders. bald kommt die kaelte. oo-hoo-ho-ho.


2018 | 12. OKTOBER
zwei (!) gute (!) ideen gehabt fuer den roman. geiler tag.





2018 | 13. OKTOBER
i feel cryptic. grauzone, alles grauzone, nur das grau nicht trist, nicht unbestimmbar. offenes grau, monopolychrom. living in another world. (talk talk.)
er/sie/es abbreviert. es abbreviert, entpersonalisiert wie in: es gewittert. es abbreviert, ueberall. abkuerzg. jeder letter zaehlt. devant les lettres, wir formulieren uns qua abkuerzung aus. noch so eine unmoeglichkeit, dieses WIR, wenn nicht ich und nicht sie gesagt (geschrieben) werden soll, das uebernimmt auch ueBERHAUPT keine verantwortung, was soll das.


2018 | 14. OKTOBER
ausschlafen, dann mit t. und d. durch die stadt wandern. vom hauptbahnhof durch st. georg richtung hamm, horn, zurueck ueber borgfelde, hammerbrook, laenglicher bogen, ungefaehr mittig zerteilt von pommes. die wendenstrasze ist wirklich wahnsinnig lang. laengste strasze in hamburg, t. recherchiert das: hab ich vergessen. bergedorfer strasze, glaube ich. 12 komma irgendwas kilometer. vielleicht mal ablaufen, nur um das sagen zu koennen.
abends neuen drink ausprobiert. sehr gut. alkoholfreier sonntag schon wieder fehlanzeige. dafuer gestern so viel zu tun gehabt am tresen, dass fast nuechtern geblieben. gleicht sich alles aus. das gleichgewicht ist nicht gesund, aber es pendelt sich irgendwie ein.
dieser ausdruck, sein leben umkrempeln, was soll man damit? was man umkrempelt, ist ja dasselbe wie vorher, nur aufgerollt bzw verdreht bzw umgedreht, was vorher auszen war, ist innen. darum kanns doch nicht gehen.


2018 | 15. OKTOBER
»v oder die vierte wand« von anja kuemmel angefangen. voll angefixt. von beginn an komplett auf die konstruktion einlassen koennen; perspektiven rutschen ineinander, unuebersichtlichkeit ist faktisch vorhanden, aber nicht als gefuehl: gibt sich alles bald, unterstelle ich. deshalb kein aufhalten mit details, sondern den kicks und vibrationen der erzaehlung folgen, sehr direkt alles, sinnlich, im sinne von auf die sinne bezogen, nicht im sinne von teewerbung oder ungelenkem sextalk.
50 meter heute zurueckgelegt, sagt das telefon. fuehlt sich realistisch an.
2018 | 16. OKTOBER
zweites mal zur kieferphysio. wieder bringt man mir die waerme, wieder werde ich massiert. dieses mal von einem jungen herren. wir fuehren ein generisches gespraech, das sich nicht generisch anfuehlt, was eventuell das generischste daran ist. ich mag ihn sofort; schaetzungsweise mein alter und hat etwas guetiges an sich, irgendwas, das offenheit nahelegt. wieder wird die eigentlich betroffene stelle recht groszraeumig ummassiert, wieder wird es trotzdem besser. schon gut, dass es menschen gibt, die lernen, was da wie zusammenhaengt. ich koennte das nicht. (als waere das nicht eh klar.)
aus einem laden namens happy balloon oder so aehnlich, vollgekramtes schaufenster, pinkrosa ladenzeilenplakette, tritt ein mann mit grimmigem gesichtsausdruck. er steckt in einem graumann, der so gar nicht mit den zwei jubilaeumsroten zahlenluftballons harmonieren will, die heliumtraechtig ueber seiner schulter seinen weg in die luft nachzeichnen.
mit allem, was st. vincent nach »strange mercy« gemacht hat, geht es mir im grunde gleich: ich hoere das, denke, ja, das ist schon gut, und dann hoere ich es nicht wieder. mit der als pianoplatte arrangierten wiederauflage des neuen albums geht es mir wieder so, das weisz ich beim ersten hoeren. das nicht-wiederhoeren ist nicht weiter interessant; der drang, eine qualitaet immerhin einmalig feststellen zu wollen, schon ein bisschen. in »fear the future« klingt st. vincent kurzzeitig krass nach bjoerk.


2018 | 17. OKTOBER
neue connan mockasin ist wunderschoen. kurz irritiert, wie sehr er auf »momo's« nach james blake klingt, dann recherchiert: ist james blake. dass james blake nach james blake klingt, ist weniger irritierend.
erstes mal laufen seit dem sturz. fantastisches gefuehl, wenn auch nach dem schlusssprint den eindruck, es zerrisse mir die lunge. vorerst nur jeden zweiten tag, zum ausprobieren, meinte die aerztin. mal sehen, ob ich mich daran halten kann (moechte).
vierten abend in folge auszerhalb von kneipen verbracht. war mal wieder noetig, ein sich-rausziehen. jedes mal aufs neue: die muedigkeit schlaegt erst richtig zu, wenn ich runterkomme. schlafe viel, lese.


2018 | 18. OKTOBER
wach um 5 uhr 30. notizen nachtragen. duschen. halbe stunde hinlegen, dann naechster termin bei der physio. ziemlich dramatischer name fuer das, was da eigentlich passiert, physio: waermekissen, massage.
nachmittags kurz lesen, direkt einschlafen. habe dein eindruck, das masz der entrueckung beim aufwachen nach tagesschlaf steigt. sicherlich eine stunde lang vollkommen unbrauchbar fuer ueber mechanische ablaeufe hinausgehendes. kaffee machen zum glueck mechanisch ausfuehrbar. alle gelenke wie zwansgebeugt, leichter anknick des koerpers, gedrungen, kreaturenhaft, koboldig. unvorhergesehenes muesste ich unter nicht mehr als ratlosem stieren schlicht passieren lassen. das hier ist noch keine realitaet, in die ich eingreifen kann, sie passiert um mich herum und an mir dran.
abends tresen. mittelviel los, fuer meinen geschmack zu wenig. moechte nicht rumsitzen. bzw erst, als ich aufzuraeumen beginne, waere mir sitzen lieber.



2018 | 19. OKTOBER
unendlich muede beim unendlich langsamen aufwachen. trinke zweimal kaffee, bevor ich fruehstueckslos aufbreche, um c. zu treffen. zum kaffeetrinken. aus der redaktion nehme ich zwei buecher zum eventuellen besprechen mit: »im zusand stiller aufloesung« von bora ćosić und »leni weint«, eine essaysammlung, von péter nádas. spaziere kilometerweit durch die stadt.
abends weintrinken mit meinem bruder. sitze waehrend des gespraechs vor einer groszen verspiegelten schrankwand und schaue mich trotzdem kaum an. geht anscheinend auch. geht sogar gut.
dass es hiroshi satos wiederaufgelegtes album »orient« nicht bei den gaengigen streamingdiensten gibt: groszes versaeumnis. heimweg daher umrahmt von lone (»ambivert tools, vol. 4«)


2018 | 20. OKTOBER
so begeistert von der schieren moeglichkeit, wieder laufen zu gehen, dass ich es tue, obwohl ich eventuell kraefte sparen sollte. egal. alles egal.
abends die bar machen beim papiripar festival. im westwerk. nach der raucherpause stehe ich ploetzlich vor einem mit gebrochener nase. wegen was ganz dummem, ist die einzige information, die ich dazu bekomme. abend ansonsten unspektakulaer. im nebenraum findet ein konzert statt, das mich kein bisschen einnehmen kann. vieles, das eventuell den namen klangkunst verdient, kriegt mich nicht. das meiste. hat bestimmt seine daseinsberechtigung; infragestellen gaengiger produktions- und auffuehrungsstandards ist sinnvoll. aber da geht es dann um den prozess, einen ethos, auch ein verweigern. aber, um meinen groszvater zu zitieren: irgendwie ist das auch nur geraeusch.
die nachtbahn endet vorzeitig. fuszmarsch nach hause in kalter luft, kaum jemand auf den straszen. die der kaelte trotzen, haben sich von innen heraus mit alkohol isoliert und sprechen so laut, als kompensierten sie die abwesenheit aller nuechternen.


2018 | 21. OKTOBER
halbwegs ausschlafen, dann zum putzen in die bar, umtrunk zur finanzierung der tagebuchdruckkosten vorbereiten. auf der einen kabine des herrenklos erwartet mich ein seltsames stillleben: in einer lache uebergelaufenem spuelwasser aus dem (inzwischen nicht mehr) kaputten spuelkasten liegen ein ausgefuellter antrag an die baubehoerde samt grundrissen eines ladens in reeperbahnnaehe, 20 euro und eine, glaube ich, griechische doppel-cd-box mit den top 30 sommerhits. die cds fehlen.
stimmung laeuft dem pragmatischen bewusstsein zuwider. der abend gefaellt mir gut, solange es leer, familiaer ist, dann fuellt sich der laden, laune wird schlechter. schon IM jetzt, aber nicht auf das jetzt bezogen, sondern sie wird vorgriffig schlechter, weil ich arschmuede bin und nicht spaet ins bett moechte. dabei umso voller, umso besser, wir scheinen tatsaechlich ein bisschen was zu verdienen. schaetze: 200 euro. bin ein bisschen geruehrt, dass alle kommen.
schoener moment: zwischendurch kommen zwei muskelboys rein, die nicht wegen der party hier sind, amerikaner, skateboard unterm arm. erfahrung und daraus abgeleitete voreingenommenheit sagen: das sind nicht meine leute. der eine nennt mich beim bestellen immer bro. aber. beide sind wahnsinnig hoeflich, zurueckhaltend, freundlich. sitzen in der ecke, stoeren sich an nichts, stoeren niemanden. schon zu beginn merke ich: wie ich sie finde, haengt auch von mir ab. da wird kein eindruck auf mich herabdiktiert, sondern ich kann mich entscheiden: arbeiten mit einem klischee oder arbeiten mit dem, was sich mir ganz realistisch praesentiert. toleranz ist eine entscheidungsfrage.


2018 | 22. OKTOBER
ausschlafen geht nicht, ein zug will erwischt werden. ein zug wird erwischt. neben mir ein aelteres paar, das vorgeschmierte brote und vorgeschnittene aepfel aus einer gemeinsamen tupperdose isst und reiseprospekte mit derselben ernsthaftigkeit studiert wie selbsternannte booklovers die shortlist fuer den bachmannpreis. beim durchblaettern passieren die beiden halbgeloeste kreuzwortraetsel, sudokus. sie lesen die prospekte nicht zum ersten mal. die frau und ich teilen uns die schuhmarke. drauszen stehen magere rinder in der sonne, die gen ruhrgebiet langsam verschwindet. im zug anfertigen eine detaillierte abrechnung von gestern. alles sogar noch besser als gedacht: 285 euro sind fuer druckkosten zusammengekommen. buch damit im grunde finanziert.
bei den groszeltern angekommen, beginne ich zu lesen, schlafe sofort ein. alles wie zuhause. wache auf, bekomme gemuesesuppe, danach grappa. danach brandy, danach ein paar seiten lesen und schlafen.

2018 | 23. OKTOBER
koennte bis in alle ewigkeit schlafen, stattdessen frueh wach, notizen nachtragen, literweise, wie ich feststelle: entkoffeinierten kaffee trinken, was solls. hoere gabor szabo (»dreams«) und how to dress well (»the anteroom«).
mit meinem groszvater einkaufen fahren. ich bin fuers abendessen zustaendig, aber ohne fuehrerschein. wir bekommen alles, rauchen auf dem parkplatz.
zweieinhalb stunden lang gefuellte auberginen zubereiten. dazu ein schwerer primitivo. haettest du vor 10 jahren schon primitivo gemocht? vor zehn jahren habe ich den wein getrunken, den der pizzadienst mitbrachte, weil man die bestellung auf ueber 50 euro getrieben hatte. also, wahrscheinlich: ja, haette aber wenig bedeutet. damals habe ich auch johnny walker red mit einem schuss lime juice getrunken und mir eingeredet, whisky zu moegen. immerhin rauchte ich da schon nicht mehr parfuemierte zigarillos auf lunge, sondern zigaretten; wie ein normaler mensch.
um elf mit geputzten zaehnen muede ins bett.


2018 | 24. OKTOBER
lieblingssatz aus »v oder die vierte wand«: »jemand drueckt erratisch auf pause.«
im grunde mache ich ueberhaupt nichts. abwechselnd lesen und doesen auf dem sofa, zwischendurch mittagessen, dazu weiszwein, der das doesen sehr beguenstigt. meine groszmutter doest mir gegenueber, mein groszvater im nebenraum. aufwachen, kaffee machen, lesen. abendessen, lesen. schokolade essen, lesen. schlafen gehen.
sehr gute platte: »pleasureland« von haley.


2018 | 25. OKTOBER
zug zurueck nach hamburg. am bhf unterhalten sich zwei frauen ueber irgendwas; eine dritte frau spricht sie an, aus hoeflichem abstand, unaufdringlich, fragt in ruhigem, freundlichen tonfall, ob eine der beiden ein wenig kleingeld fuer sie haette. nein, haetten sie nicht, tut mir leid, sagt die eine mit zusammengebissenen zaehnen, tonlage gereizt, wie eine empoerung darueber, dass sie die worte TUT MIR LEID zu artikulieren GEZWUNGEN WURDE. die freundliche bittstellerin wendet sich ab, sie wird derlei gewoehnt sein. mannmannmann … manchmal fehlen mir echt die worte, echauffiert sich die zu ungewollten hoeflichkeitsfloskeln ueberrumpelte frau. ja. mir auch. keinen funken solidaritaet, empathie. fuck you.
zuhause ankommen, frisches tshirt an, etwas essbares in den rucksack und ab zur arbeit. eine betrunkene englaenderin nennt mich sexypants, waehrend sie fordert, dass ich doch bitte einen bestimmten song anmachen solle. mache ich aber nicht. and this CUNT didn't want to put on my song, sagt sie beim verlassen des ladens, mit dem finger auf mich weisend. ich glaube, es war liebevoll gemeint, und muss laut lachen.
nach feierabend in die beatboutique, l. legt auf. bzw legte auf, als ich ankomme, ist er eben fertig. exakt ein getraenk, dann heim.


2018 | 26. OKTOBER
tag rauscht vorbei, komme nicht mal dazu, mich zu fragen, ob ich hunger habe. dafuer schon um 14 uhr einen negroni, da ich besuch bekomme und beweisen muss, dass gran classico eine fantastische alternative zu campari ist. besuch ist, glaube ich, nur so halb ueberzeugt, ich ein bisschen angetrunken. auf dem weg zur arbeit falafel besorgt, allmaehlich doch etwas schwach auf den beinen, so ganz ohne essen, auszerdem platten von connan mockasin, ah! kosmos, david august. waere gern im central congress, love-songs spielen dort ein release-konzert. neue ep fantastisch, »inselbegabung«. next time.
nach feierabend in die mutter. am tresen noch bekannte gesichter, aus einem feierabendgetraenk werden zwei, was immernoch relativ zuechtig ist. weisz nach wie vor nicht, wie ich reagieren soll, wenn menschen sich ueber das balderscheinen meines buches freuen. ja, sage ich dann immer. ich freue mich ja auch. nur werde ich dann immer so erwartungsvoll angeschaut, als muesste ich jetzt irgendwas sehr durchschnittliches à la »traum geht in erfuellung« oder sowas sagen. ich ziehe dann das JA immer in die laenge, indem ich es weiternicke, aber auch das wirkt ziemlich schnell bescheuert. abschlieszend sage ich dann meistens sowas wie »ach, das wird gut«, und dann heiszt es: »ja klar!«, und dann wird nicht mehr geredet oder ueber was anderes.


2018 | 27. OKTOBER
kuehlschrank: 2 flaschen weiszwein – 1 flasche sekt – 1 flasche merkwuerdiges bier, das ein freundlicher gast mal hiergelassen hat – halber kohlrabi – senf – thaicurrypaste. verbringe den tag mit einkaufen.
zum ersten mal auflegen im central congress. ziemlich gut. schreibe playlist des abends mit, vielleicht reiche ich die hier demnaechst mal nach.
im nachhausetaxi erklaert mir der fahrer, er hoere immer selbstgemachte playlists; er habe auch eine, die exklusiv zum einsatz kaeme, wenn er am wochenende betrunkene englaender faehrt. wuensche ihm, als er mich rauslaesst, eine gute fahrt, er mir ein schoenes leben. gut, da komm ich jetzt nicht mehr drueber.


2018 | 28. OKTOBER
erstehe in den kleinanzeigen einen warmen pullover, verbinde die abholung mit einem lauf durch kalten nieselregen.
heisz duschen & wieder ins bett.


2018 | 29. OKTOBER
notizen nachtragen, neues buecherboard an die wand montieren, hosen buegeln. abends unverhaeltnismaeszig geschafft.
leichthin ist so ein schoenes wort.
like an umlaut in english. bonsoir, bonaparte.
you don't have to be rich to be my girl
you don't have to be luther to be UEBERBEWERTET –
und das ist noch nett. also mittwoch frei, aha, was soll das, dann kann man ja nicht mal einkaufen. don't make it a FEIERTAG, people.
2/3 vom neuen »blade runner« geschaut, dann internet weg. die zukunft ist jetzt, die verbindung ist unstet.


2018 | 30. OKTOBER
physio. alles wie immer, nur das nebenhermenschelnde unterhalten wird langsam sehr zaeh. weil da halt nix zu reden ist. fuer mich in ordnung.
spontan tresenschicht uebernommen. arbeite mit t., was schoen ist. maeszig voll, leute okay. bis auf den vollidioten am tresen, der es irgendwie komisch findet, dass jetzt, nach so vielen jahren frauen offenbaren, missbraucht worden zu sein. fuck off, du clown.
trauma, trauma.
blaubluetige endzeitphantasmen, kunstvolle hassmuffen; unter den talaren wiederholt es sich.


2018 | 31. OKTOBER
schlafen bis nachmittags. laufen.
am fruehen abend hole ich ein paar straszen weiter eine winterjacke ab, die ich in den kleinanzeigen gekauft habe. verabschiede mich, indem ich noch einen schoenen sonntag wuensche. ja, den wuensche er mir auch. als mir auffaellt, dass gar nicht sonntag ist, sagt er was von wegen feiertag und dass er rentner sei. und was bin ich? muede jedenfalls. und jetzt zum ersten mal seit jahren mit einer tatsaechlich warmen winterjacke bewehrt. winter kann kommen. sonntag auch.


2018 | 1. NOVEMBER
dass du planeten auf deiner verfickten leggins hast, gewaehrt dir nicht den anspruch auf eine eigene umlaufbahn. geh halt einen schritt zur seite, himmelarsch, was soll das.
gucke und lese nachrichten, fange an zu weinen. gerade alles zu viel. gerade = das wird alles mittelfristig nicht besser werden. gabor szabo hoeren zum runterkommen. ratlosigkeit.
fuehle mich derzeit als autor nicht recht ernstgenommen. liegt zuvorderst daran, dass ich mich selbst als autoren gerade nicht ernstnehmen kann. was sich wiederum auf die schreibmotivation auswirkt. stagniere. inzwischen beinahe keine lust mehr, die novelle ueberhaupt noch rauszuschicken. vielleicht einfach verwerfen, am naechsten projekt weiterarbeiten? neuer input, neuer output. irgendwas muss neu. grosze ernuechterung.
abends an den tresen. zu muede fuer ein feierabendgetraenk. heimweg ohne musik, ertrage gerade nichts.


2018 | 2. NOVEMBER
falls aus diesem tagebuch in irgendeiner form eine veroeffentlichung werden sollte, wird sie »NO CHECKS, NO BALANCE« heiszen.
laufen. es macht wieder richtig spasz.
konzentration zuhause derzeit kaum moeglich, und keine ahnung, weshalb. vor der tresenschicht in den saal II, notizen durchsehen und neue titelentwuerfe fuer die novelle brainstormen. geht jedenfalls besser als zuhause. als sein date auf toilette geht, quatscht mich ein typ vom nebentisch kontextlos an. ob ich tee und whisky traenke. nein, tee und brandy. aha, brandy, ja, das kenne er nicht, aber whisky faende er gut, und rum, rum, der in whiskyfaessern gelagert wird, das waers ja. aha, ja. als sein date zurueck ist, sagt er, naja, dann wolle er mich mal auch nicht weiter vollquatschen.
schicht zieht sich ewig, die letzten gaeste sind nett.


2018 | 3. NOVEMBER
hole e. vom bahnhof ab. sie wohnt jetzt hier, was mich wahnsinnig freut. n., die uns einlassen wollte, hat sich ausgesperrt. warten gemeinsam auf den schluesseldienst. schluesseldienstmann fragt: seid ihr hippies? wissen wir dann auch nicht so genau. aber wir sind wieder in der wohnung.


2018 | 4. NOVEMBER
mit e. kaffee trinken und stundenlang durch die gegend laufen, erste einrichtungsdinge fuer ihr zimmer kaufen. erste mahlzeit um 17 uhr, danach so geschafft, dass 2 stunden bewegungsunfaehig.
spontan zu meinem bruder gefahren. bisschen rotwein, genug fuer angetrunkenheit. alex cameron hoeren auf dem heimweg, innerlich euphorisch. keine ahnung, wann zuletzt alkoholbeschwingt bahn gefahren. irgendwie flashbackig. das beste an der u3 ist der geringe u-anteil.


2018 | 5. NOVEMBER
kopfhoerer kaputt. abgesehen davon, dass das schade ist, ergibt sich daraus amuesantes: im gegensatz zu den nun kaputten kopfhoerern haben die, die ich jetzt nutze, kein steuerelement am ohrstoepselende des kabels; bin aber laengst so gewoehnt daran, nach diesem element zu greifen, dass ich es nach wie vor tue. weil da aber nichts ist, greife ich mir also einfach nur an den hals und stelle dann fest, nach einem phantom zu greifen. ein phantomsteuerelement.
tagsueber endlich notizen aufgeholt. schreib-fatigue stufe 2. ich stelle lustlosigkeitsbedingte versaeumnisse fest und bestaetige mir nur: lustlosigkeit ist d'accord, was soll das auch alles.
abend mit einer mischung aus amerikanischen latenightshows, american ninja warrior und fencheltee verbracht. bisschen randomisieren den input, bedeutsamkeitslevel variieren, in untiefen stochern. alleinsein. fuer morgen fest arbeit vorgenommen.
2018 | 6. NOVEMBER
letzter termin bei der physio. nicht den eindruck, dass da schon genug passiert ist. wird sich ja zeigen.
arbeite zum ersten mal seit wochen ausgiebig an text. fantastisch. verpasse sogar fast einen termin, weil ich nicht aufhoeren kann. fast, weil der termin doch erst naechste woche ist, wie sich spaeter herausstellt.
schon abends kann ich wieder uneingeschraenkt gaehnen. physio voellig umsonst angezweifelt. achwas. zweifeln immer gut, was soll das.


2018 | 7. NOVEMBER
emotionales grossistentum. gute formulierung. irgendwo unterbringen demnaechst. jetzt, wo ich wieder arbeite, findet sich dafuer schon ein platz. bisschen laecherlich eigentlich, wie grosz der anteil meines schreibens ist, der so funktioniert: kleine ideen haben fuer formulierungen, szenen, figuren, namen undsofort, und dann wird das irgendwo reinforciert. der einzige trick ist, es nicht forciert aussehen zu lassen.
hoere seit langem mal weider debussy. noch immer schoen. so viele erinnerungen an dieser platte. naja, zwei. die aber wunderbar.
queen-doku bei youtube. freddie hiesz eigentlich farrokh und ist auf sansibar geboren. war mir auch neu.
demo gegen rechts. schwer, ein gutes gefuehl bei der ganzen sache zu haben. immer wieder die frage: »wir sind mehr«? ich weisz nicht. und dann werden wieder demonstrant*innen im dienste des staates geschlagen.


2018 | 8. NOVEMBER
am tresen sitzen ein mann und eine frau, sie kennen sich offenbar gut, beide sind anfang dreiszig. er erklaert ihr, dass im leben einer frau eben irgendwann der punkt kommt, an dem sie sich fuer oder gegen kinder entscheiden muss, da muesse sie, die generische frau, egoistisch sein, wenn der partner nicht will oder zu alt ist oder whatever, dann muss man eventuell prioritaeten setzen. sie: ja … ja … ja … ja … ja … ja.
wette, sie ist voll froh, dass er ihr das erklaert, woher sollte sie das auch selbst wissen, wie es ist, eine frau zu sein.

2018 | 9. NOVEMBER
hoere massive attack und j dilla zur arbeit. beides lange nicht aufgelegt, beides nach wie vor gut.
skurril, wie ich in den erschoepftesten momenten, beim naechtlichen heimgehen von der arbeit, die groeszte lust habe zu laufen. die kraft waere ueberhaupt nicht da, aber das beduerfnis.
ein mann fragt mich, ob da vorne ein zigarettenladen ist. ja, aber der hat zu, sage ich. ach, sagt er. hat zu, sagt er. wo der naechste waere, wuesste ich auch nicht, sage ich. ich haette ein plastiktuete gebraucht, erwidert er. dass ich leider auch keine haette. tja, sagt er. und: manchmal findet man eine, und manchmal nicht. er hat vollkommen recht.
auf der strasze steht eine vaperin. nicht unschoen die schwaden, gegen fahles laternenlicht. aber selbst mit groszem abstand bilde ich mir ein, geschmacksmischungen zu riechen, die einem hubba bubba gewalt antaeten.


2018 | 10. NOVEMBER
brav. schlimmstes wort in deutscher sprache. sogar lust, einen text drueber zu schreiben. merken, hintanstellen. sobald zeit, einfach machen. generell: ideen einfach umsetzen. wenns scheisze wird, ist egal, dann zeigt mans halt niemandem.
abends feiert e. geburtstag. kegeln und bier, dann in den kleinen donner. koennte mich nicht mal dazu zwingen, hier spasz zu haben. so ueberhaupt nicht meine welt. erinnert mich dran, dass es eine zeit gab, in der es zwar nicht egal war, wo man landete, aber man betrank sich und machte das beste draus. die intoleranz gegen das, was man nicht mag, waechst mit dem wissen darueber, was man mag.


2018 | 11. NOVEMBER
muede wie lange nicht mehr. glieder schwer, kopf schwer, aufstehen scheint unmoeglich. lange liegen, irgendwann gehts.
nachmittags femrep-fuehrung durch hamburg, feministische perspektiven auf patriarchal strukturierten und geplanten raum. polizisten beaeugen uns misstrauisch, waehrend einer kurzen performance noergeln anwohner*innen am fenster. kultur ist geduldet, wenn sie in den fernseher passt oder gerahmt in den flur gehaengt werden kann, sonst stoert sie. gut. soll sie auch.
abends saal II, d. feiert geburtstag. angenehme menschen, schoene gespraeche. das triviale wie das wichtige ist ernst gemeint, niemand wirft mit phrasen. trotzdem frueh heim. ich kann nicht mehr.


2018 | 12. NOVEMBER
kaffee trinken, zigaretten kaufen, notizen durchsehen, fruehstuecken. dann weiterschlafen. es ist noetig.
facebook zeigt eine furchtbare werbung fuer die neue platte von mumford & sons. alternierend sieht man die bandmaenner und hingerissen mitsingende und -tanzende frauen. langweilige musik und softboyimage schuetzen halt vor machoscheisze nicht.
16 uhr 30: zweiter kaffee und an den schreibtisch. bis spaet in den abend hinein arbeit an text, dabei kurt vile. verbesserungen gehen wie von selbst, ergaenzungen leicht von der hand. endlich wieder.


2018 | 13. NOVEMBER
erneut erst nachmittags, nach spaetem fruehstueck, zweitem schlaf und einem jetzt nicht mehr verstopften, nach hoelle und arsch stinkenden abfluss, zu arbeiten begonnen. komme nur langsam voran, liegt aber daran, dass es gute neue ideen gibt.
gegen 20 uhr kurze pause, beim jour fixe im verlag vorbeischauen. dort herumstehend, bei unterhaltungen mit denjenigen anwesenden, die ich bereits vor heute abend kannte, geht mir wieder deutlich auf, dass ich weniger ein schlechter als ein extrem unwilliger netzwerker bin. ich koennte das, wenn ich wollte. soziale interaktion kann ich auswendig. wende unterdessen einen gedanken hin und her, der mich seit einigen tagen berueckt. sehe andauernd die ankuendigungen zu ausstellungen, kleinen publikationen et cetera, die befreundete menschen veranstalten, herausgeben. immer unter den beitragenden: andere leute aus ihrem umfeld. ein dunstkreis aus miteinander verknuepften leuten, die gegenseitig an sich denken. man ist ideologisch-nepotistisch verbandelt, man schaetzt einander, das prekariat organisiert sich, das ist gut. merke zum ersten mal, dass ich neidisch darauf bin. niemand denkt daran, mich zu fragen. nur ist das niemandes versaeumnis. hoechstens meins. verfuegbarkeit muss irgendwann mal signalisiert werden. vielleicht doch mal mehr mit leuten in kontakt treten. zumal das gute leute sind, mit denen ich gern arbeiten wuerde.
um 22 uhr 30 wieder an den schreibtisch. ueberwinde heranschleichende muedigkeit und schaffe mein tagespensum.


2018 | 14. NOVEMBER
textarbeit bis 23 uhr. brauche einen spaziergang und frische luft. kitty auf ein getraenk, dann wieder heim. noch kurz an den text, dann schlafen.


2018 | 15. NOVEMBER
novelle bis auf den epilog durchgearbeitet. ging jetzt wahnsinnig schnell. beinahe betruebt, dass es so schnell ging. nach wochen mit wenig textarbeit wichtige rueckversicherung. dass das noch geht, und dass es so gut geht. stipendium der kulturbehoerde ist ein weiteres jahr an mir vorbeigereicht worden, womit zu rechnen war, und irgendwie ist das ziemlich egal. mal sehen, welche durchschnittlichkeiten sie dieses jahr praemiert haben.
auf dem weg zur arbeit »punish, honey« von vessel. klingt zu beginn wie ein schrottplatz, der sich morgendlichen schleim von der lunge hustet. tolle platte.
nach der schicht ins knust, 20 jahre mutter. bleibe nur kurz, die naechsten tage werden anstrengend. viele umarmungen, schoene worte. viel herzlichkeit. fuehle mich aufgehoben.


2018 | 16. NOVEMBER
[x] novelle fertigkorrigieren [ ] exposee fuer novelle ueberarbeiten [x] novellenexzerpt auf der website aktualisieren [x] bildunterschriften fuer fotos (tagebuch) formulieren [x] infotext zu tagebuch + mir formulieren
produktiver tag. abends tresenschicht 2/3 der woche.


2018 | 17. NOVEMBER
treffen mit c. fuer naechste woche ausgemacht, um passende verlage fuer die novelle auszusuchen.
neu gelernter begriff: armchair philsopher bzw armchair analyst bzw armchair expert. jemand, der/die vorgibt, viel oder alles zu einem thema zu wissen, ohne sich einer tatsaechlichen auseinandersetzung mit dem thema auszuliefern.
fahre e. besuchen. wollten urspruenglich musik machen, kommen dann aber nicht dazu. stattdessen tee und sehr spaetes fruehstueck, danach an den tresen spazieren. inzwischen mag ich die kaelte fast.
tresenschicht 3/3.


2018 | 18. NOVEMBER
ausschlafen. kaffee. weiterschlafen. essen bestellen.
tagebuch kommt abends ueberraschend aus dem lektorat. setze mich sofort dran, ueberarbeite letzte fragwuerdigkeiten, schicke das manuskript zurueck. jetzt noch allerfinalste korrekturen von verlagsseite, dann in den druck. endlich.


2018 | 19. NOVEMBER
als haette jemand einen schalter umgelegt, schlafe ich seit einigen wochen einigermaszen aus. timing dafuer ist nicht optimal, weil das fruehe dunkelwerden ein noch frueheres dunkelwerden wird, ansonsten nicht schlecht. habe den eindruck, es hat damit zu tun, dass ich, ueber 3 jahre nach meiner zeit in festanstellung, auch unterbewusst zu verstehen beginne, welche freiheiten das arbeiten in eigenorganisation bietet. sitze mal tagsueber, mal bis in die nacht an texten, fixe strukturen loesen sich langsam auf. es gibt keine tages- oder uhrzeiten mehr, die die moeglichkeit des arbeitens beschreiben. stattdessen die einsicht, dass ich arbeiten kann, wenn ich arbeiten kann. vielleicht sind die kraefte auch einfach alle. vielleicht ist das modell 6h-schlaf-or-less auf dauer nicht machbar.
spontan tresenschicht uebernommen. nummer 4 in 5 tagen. bin seltsam fit und nach knapp 9h kaum erschoepft. feierabendgetraenk in der mutter. nachtarbeit wohl durchaus auch ein faktor, wenn es um moeglichkeit und notwendigkeit von schlaf geht.


2018 | 20. NOVEMBER
when i say HEY, thou shalt not say HO. – dan le sac vs. scroobious pip
pflanzen umgetopft. waesche gewaschen. in dauerschleife »heaven or las vegas« (cocteau twins).
der versuch, ein wenig musik zusammenzubauen. trial and error. hauptsaechlich error. amuesiere mich darueber, wie wenig man dinge koennen kann.
2018 | 21. NOVEMBER
aus interesse persoenlichkeitstest nach myers-briggs/jung gemacht. ergebnis so: your type: INFJ – you have moderate preference of introversion over extraversion (38%) – you have slight preference of intuition over sensing (9%) – you have slight preference of feeling over thinking (16%) – you have slight preference of judging over perceiving (16%)
kommt mir ganz realistisch vor.
abends treffen mit meinem bruder. reden ueber musik. mir faellt diese version von »blowing in the wind« wieder ein, die stevie wonder singt, und dass ich immer kurz davor bin zu weinen, wenn ich sie hoere. als ich nach hause komme, mache ich sie sofort an und bin kurz davor zu weinen.


2018 | 22. NOVEMBER
wollte ja noch die songs vom auflegen nachreichen. hier:
balam acab – oh, why? / funkadelic – maggot brain / grizzly bear – sleeping ute (nicolas jaar remix) / darkside – a2 / floating points – silhouettes III / sekouia – waves / hiragi fukuda – breeze / connan mockasin – charlottes thong / movement – like lust / dean blunt – punk / chancha via circuito – jardines ft lido pimienta / mariah – sora ni mau maboroshi (a dancing star in the sky) / khruangbin – lady and man / glass animals – gooey / teebs – shouss lullaby / bonobo - emkay / mulatu astatke – kulun-manqueleshi / romare – work song / kindness – house / grandbrothers – ezra was right / burial - raver / michal turtle – are you psychic? / love-songs – inselbegabung / thundercat - them changes / fatima yamaha – whats a girl to do / junior boys – you'll improve me / falty dl – straight and arrow / mønic – deep summer (burial remix) / grandbrothers – bloodflow (lone remix) / david august - d'angelo / ah! Kosmos - beyond dreams ft elif çaglar / pink panther theme (paris on air edit) / joel graham - geomancy / mount kimbie - made to stray / gold panda - chiba nights / wolfey & project pablo – whatitis / kelpe - go visible / nosaj thing – blue ft kazu makino / robot koch – eclipse ft julien marchall / james blake - take a fall for me ft rza / why? – white english / kendrick lamar – poetic justice / gil scott heron and jamie xx – i'll take care of you / frank ocean – super rich kids ft earl sweatshirt / isaac hayes – hung up on my baby / candy dulfer/dave stewart – lily was here / talk talk – i don't believe in you / baths - no eyes / der ringer - apparat / four tet - angel echoes / i have a tribe – yellow raincoats (frank wiedemann remix) / wild beasts - loop the loop / cocteau twins - cherry coloured funk / me and my drummer – you're a runner / radiohead - house of cards / portishead – glory box / d'angelo - betray my heart / ah! kosmos - it rains without you / david august – true heart / love-songs - endlich satellit / no ceremony – warsongs / how to dress well - cold nites / fka twigs - water me / bjoerk - stonemilker / perfume genius - floating spit
also mir haette das gefallen bzw hat es ja auch.
abends c. getroffen. drei minuten ueber passende verlage fuer die novelle geredet, dann lange ueber vieles. nicht ganz unangesoffen, aber sehr unungluecklich heim.


2018 | 23. NOVEMBER
mache mich mit ueberzeugtem kaufvorhaben auf die suche nach thermounterwaesche, kaufe dann keine. ueberzeugung schwindet so schnell. kaufe dafuer dinge, die ich in einen wok schmeisze und esse. kurzzeitig macht das auch warm.
frueh ins bett.

2018 | 24. NOVEMBER
treffen mit e., um musik zu machen. schaffen letztlich nicht viel, das wenige klingt aber nicht schlecht.
dann tresenschicht. geht bis 3 uhr, danach feierabendgetraenk in der kleinraumdisko. niemand will ins bett, es wird spaet, ins bett um 6 uhr 30.
no brake marks means suicide, honey. – alex cameron


2018 | 25. NOVEMBER
stehe im grunde bis abends nur fuer kaffee und klo auf. trage im liegen notizen nach, gucke liegend dinge bei youtube. wenn ich koennte, wuerde ich im liegen kochen. stattdessen im stehen und das gefuehl, zumindest eine sache erledigt zu haben. vor lauter uebermut direkt noch den muell rausgebracht.


2018 | 26. NOVEMBER
paeckchen von der post geholt, auf dem rueckweg einkaufen. von c. und mir erstellte verlagsliste fuer die novelle gecheckt, davon die gestrichen, die laut internetauskunft derzeit keine manuskripte wollen. postanschriften bzw mailadressen der restlichen rausgesucht. kuerzlich meinte ich zu irgendwem, dass verlage inzwischen hauptsaechlich per mail bemustert werden wollen. totaler quatsch, woher hab ich das? 4 von 5 wollen papierpost.
zum friseur.
abends midi-keyboard gekauft. wenn die novelle verschickt ist, ist mehr zeit zum musikmachen. und lesen. der stapel auf dem nachttisch wird immer hoeher: »die kunst des krieges« (sunzi), »masse und macht« (canetti), »standardsituationen der technologiekritik« (passig), »beziehungsweise revolution« (adamczak), »a brief history of diaries« (johnson), »im zustand stiller aufloesung« (ćosić) + buecher, die bereits angefangen sind. bleiben wahrscheinlich angefangen.



2018 | 27. NOVEMBER
– druckkosten: 21 euro 85 – umschlaege: 2 euro 40 – porto: 19 euro 15
manuskripte hiermit raus. dreimal oesterreich, einmal schweiz, einmal deutschland.
»im zustand stiller aufloesung« von ćosić angefangen. nervt unglaublich. noch nicht sicher, ob es das eventuell muss. kombination aus maeszig einfallsreicher genervtheit ueber die maeszig einfallsreichen menschen und betulichem literatenstil. dass roman draufsteht, hat irgendwie auch keine berechtigung. langsam den eindruck, ich mag ueberhaupt keine literatur mehr, die nicht meine ist. umgekehrt waere nicht besser – ?


2018 | 28. NOVEMBER
erneut n., meinen ehemaligen mitbewohner, getroffen. glaube wirklich, es gibt, im gegensatz zu einer gelernten bzw trainierten, eine natuerliche, intuitive moeglichkeit, ein gegenueber auf dem weiten spektrum der sarkasmen, ironien und uebertreibungen zu orten. nicht als faehigkeit, sondern par hasard, durch fuegung, weil zwei sich irgendwie desselben wahrhaftigkeitsregisters bedienen und einschaetzen koennen, wieviel ernst sich in einem zynischen oneliner verbirgt und wieviel ironie in einem bitterernsten tonfall. derlei nuancen miteinander ausloten und durchspielen zu koennen, ist zufall und unfassbar geil. muehelos und unwahrscheinlich.
zur dienstplanung in die bar. danach bei t. am tresen sitzenbleiben. dann heim und voellig unnoetig und voellig unmotiviert bis beinahe 4 uhr wachbleiben und unbemerkt ueberzeugende kopfschmerzen anstauen, die sich bei einer spaeten zigarette krachend entladen. feststellen, dass die heizung ja auch an ist und die fenster zu. haette ich wissen koennen, die raumtemperatur waere ein guter erster hinweis gewesen.
stoszlueften. schlafen.


2018 | 29. NOVEMBER
1896: »le coucher de la mariée« markiert die geburtsstunde des pornofilms. ein siebenminuetiger stummfilm aus frankreich, inklusive typischer begleitmusik. schraege vorstellung, damals aber fakt: die zwischengeschalteten tableaus, die qua geschriebenem text die handlung begleiten/erklaeren. man muesste zeitgenoessische pornos mit den mitteln von vor ueber 120 jahren rekonstruieren, das waere toll. mann betritt den raum. schnitt. text wird eingeblendet: warum liegt hier eigentlich stroh?. schnitt. undsofort.
abends tresen. bruder besucht mich, leider bleibt wenig zeit fuer gespraech. reden ueber die vererbung koerperlicher veranlagungen, und ich stelle fest: sehe meinem vater zwar ein bisschen aehnlich, grundsaetzlich finde ich mich bewusst aber in meiner familie koerperlich nirgends wieder. glaube, das ist eine ganz wertfreie beobachtung.


2018 | 30. NOVEMBER
tagebuch ist final durchlektoriert. per wetransfer die fotos plus bildunterschriften, die ins buch sollen, zur abnahme an verlagspeople geschickt. letzte station vor layout + druck.
»standardsituationen der technologiekritik« von kathrin passig angefangen. schwer gelacht. lieblingssatz bzw -zitat bislang: die prosa eines mit dem pc arbeitenden poeten zeichnet sich fuer kenner wiederum dadurch aus, dass sie unmerklich die furcht vor dem absturz praegt.


2018 | 1. DEZEMBER
all die lichter hier. mehr darf ich noch nicht sagen – man darf das pathos nicht verloren geben an die, die etwas damit bezwecken. nicht an die selbsternannten intellektuellen. nicht an die utopist*innen. nicht an die luegner*innen. pathos muss notwendig sein, nicht ornamental. pathos ist waffe und vehikel und harnisch. hoffnung, wo sie nicht hingehoert. nicht streicher und sozialromantik undsofort, was soll das.
bruder und mutter getroffen. danach langen spaziergang zur arbeit, dabei die kerzen gehoert. schicht beginnt mit gespraech darueber, ob es klargeht, hitlerbilder aufzuhaengen, und dauert letztlich 9 stunden. feierabendgetraenk in der mutter.




2018 | 2. DEZEMBER
keinen wecker gestellt. 13 uhr 54 aufgewacht. um 14 uhr wollte ich eigentlich im kunsthaus sein. treffe gegen 15 uhr 30 ein, bekomme noch fast alles mit. trotz 45 minuten dorthinspazieren an frischer luft noch ziemlich entrueckt. informationen bleiben vereinzelt haengen, vieles rauscht vorbei. trotzdem gut. waehrend einem der vortraege unterlaeuft dem redner ein versprecher, der so schoen ist, dass ich ihn nicht mal zitieren moechte, um ihn nicht zu verbrauchen. irgendwann verwende ich den garantiert.
mir bekannte menschen, sogenannte kulturschaffende, klagen ins soziale netzwerk hinein ueber menschen, die nicht eigentlich wegen des konzerts zu konzerten gehen, die bereits vor schluss aufstehen und gehen, die nicht klatschen, nicht recht anwesend oder interessiert zu sein scheinen. der eine findet dafuer auch einen begriff: eklig. bin kurz davor, das internet mit einer tosenden replik vollzuschreiben, lasse es dann aber. eventuell ein versaeumnis. diese unfassbare arroganz. elitistische grenzziehungen, die und wir, highbrowchauvinisten versus die kulturlose plebs. das ist so armselig. das ist, was so abstoszend an groszen teilen der kulturszene ist. DAS ist eklig.

2018 | 3. DEZEMBER
vermutung: fuehle ich mich wohl und sicher, neige ich zu distanzloser aufrichtigkeit, so sehr, dass ich sie zuweilen retrospektiv bereue – bin ich wiederum nervoes, neige ich zu luegen und halbwahrheiten, zum verstecken und kaschieren. weder sicher, ob das so tatsaechlich stimmt, noch, ob das ueberhaupt erwaehnenswerte tendenzen sind. letztere frage allerdings mueszig. werde das weiter beobachten.
t. zieht bald um. tragen erste dinge in die neue wohnung. platten, cds, ein paar buecher. er freut sich, ich mich auch. kausalitaet: vorhanden und ziemlich erfreulich. empathie is a thing.


2018 | 4. DEZEMBER
oberflaechlich bzw naiv betrachtet, wirkt es eigentuemlich unzeitgemaesz, dass modeketten nach wie vor mit beliebtesten styles und topsellern der woche undsofort werben, weil ja alle irgendwie ihr eigenes ding machen wollen, ganz speziell sein und das auch anhand ihres ganzen koerpers und allem, was da dranhaengt und drueberhaengt, ausdruecken wollen. aber letztlich wollen doch alle immer nur dazugehoeren, und wie soll man auch wissen, was gefaellt und gefallen darf, wenn man nicht andere sieht, die alle irgendwie gleich aussehen. alles mimesis.
in den verlag, fotos fuers tagebuch neu und einzeln einscannen. jetzt ist alles da.
notizen durchgehen, dann t. am tresen besuchen.
warum heiszt es eigentlich nicht zeitungemaesz? egal.


2018 | 5. DEZEMBER
basketball und luftpumpe gekauft. basketball gespielt. erstes mal seit jahren, leistung entsprechend. trotzdem schoen.
and the rest is hysteria. and i stole that. – kurt vile
passig ausgelesen. schon grosze unterhaltung. unspektakulaerer, aber schluesselsatz, nicht nur fuers buch, sondern generell: »die welt enthaelt unangenehm viele menschen, die mindestens genauso schlau sind wie man selbst.« morgen frueh arzttermin, also frueh ins bett.



2018 | 6. DEZEMBER
alles gut, sagt der arzt. nicht woertlich, aber inhaltlich, was ja entscheidender ist. er hat diese feste lockerheit, von der ich mich frage, ob man ihretwegen aerzt*in wird oder ob sie sich einfach irgendwann einstellt, wenn der alltag daraus besteht, mit menschen dinge zu besprechen, ueber die man bestens bescheid weisz.
paketbote weckt mich beim mittagsschlaf, begrueszt mich mit: na digger, paket fuer nachbarn? hab ich dich geweckt?
»die kunst des krieges« gelesen. romanvorbereitung. eignet sich fuer das, was ich damit vorhabe, sogar noch besser als gedacht.
abends tresenarbeit.

2018 | 7. DEZEMBER
wenig geschlafen, nach dem kaffee direkt aufgestanden, macchiavellis »der fuerst« und gefuetterte hausschuhe gekauft. der irgendwie noch nachtdurchwirkte tag fliegt vorbei. irgendwann an dem punkt: entweder nochmal schlafen oder nochmal kaffeetrinken, ehe es zur arbeit geht. ueberlege so lange, dass ich gerade noch schaffe zu duschen, dann zurueck an den tresen. man sagt mir, ich sehe irgendwie fertig aus, was ich realistisch finde, ohne dass ich mich entsprechend fuehle. sonderbar wach, obwohl alles sehr anstrengend.
feierabendgetraenk in der mutter.
einwand frei.


2018 | 8. DEZEMBER
fuer kollegen am tresen eingesprungen. dritter tag in folge und keine lust mehr. unlust verfliegt halbwegs waehrend der schicht. kurz vor schluss halbpruegelei im laden. stresst mich wahnsinnig. allen beteiligten und qua bekanntschaft quasibeteiligten faellt nichts anderes ein als mit dem finger auf menschen zu zeigen und schuld zuzuweisen. erklaere allen, dass ich kein interesse daran habe, mich auf eine seite zu schlagen, da unersichtlich ist, was genau passiert ist, und dass sie mich alle miteinander wahnsinnig nerven. hilft maeszig gut. als die eine partei gegangen ist, wirft die andere mir vor, ich waere ja voll auf deren seite gewesen. ueberrasche mich selbst, indem ich rumschreie, tosend. so laut vor wut war ich seit kindestagen nicht.


2018 | 9. DEZEMBER
mein verlag veranstaltet seinen jaehrlichen oeffentlichen buecherverkaufstag. gehe hin, trinke zwei bier, erzaehle drei mal die pruegelgeschichte von gestern, um sie aus dem system zu spuelen. hilft. kaufe eine alte ausgabe »kultur und gespenster«.
curry aus kuehlschrankresten. romanesco sieht aus, als haette man einen drachen mit einem kreisel gekreuzt.


2018 | 10. DEZEMBER
unsagbar kaputt vom wochenende. wollte eigentlich laufen, abends c. treffen. schaffe nichts davon. bleibe liegen, gucke basketballvideos auf youtube. stehe auf, um einzukaufen und chili zu kochen. soviel zu tageshighlights.


2018 | 11. DEZEMBER
nach wie vor wahnsinnig muede. liegen und podcasts hoeren. zweiter tag ohne bei mir abgegebene nachbarspakete.
mit c. auf gluehwein. ehemals gemeinsames post-feierabend-ritual – inzwischen liegen die feierabende asynchron. das ritual hat bestand. nicht in einstiger frequenz, ist aber nicht entscheidend. unwichtige rituale werden, wenn weniger naheliegend, aufgegeben. danach zu t. an den tresen. es gibt dinge zu bereden, danach wird beredet, was nicht beredet werden muss, aber zu bereden freude macht. dann heim. manisch dinge erledigt, die ich nicht morgen erledigen muessen moechte: waesche waschen, pflanzen gieszen, muell raus, staubsaugen, nachrichten an verschiedene menschen schreiben, notizen durcharbeiten, kueche aufraeumen. morgen zeit zum lesen/schreiben.


2018 | 12. DEZEMBER
basketball. mittagsschlaf. eventuell moechte ich ein neues projekt in angriff nehmen. waere vielleicht zu zeitintensiv, vielleicht aber auch nur zeitintensiv, ohne zu. geschenk kaufen, dann zu n.s geburtstag. es gibt spaetzle und wein und bier und schnaps, und ich stelle fest, in groeszeren gruppen zwar still zu sein, nicht aber prinzipiell unangenehm berueckt. schoene feststellung.
ueber frisch gepflasterte wege zu gehen, die bodenplatten heller als diejenigen ringsum, ueber allem diese schicht aus baustaub und nivellierendem sand, der aus den spalten zwischen den platten hervorkruemelt, ehe er festgeregnet, festgetreten, teil eines mehr oder weniger fixen ganzen wird, es fuehlt sich wie eine vergewaltigung an, der man zustimmt. alles neu, alles glatt, mit einem mal sind die monate der baustellenherrschaft vergessen, und mit ihnen der umstand, dass man nie den eindruck hatte, hier haette etwas verbessert werden muessen. die neuheit fuehlt sich falsch an. ich weisz nicht, weshalb.


2018 | 13. DEZEMBER
ohne unterkategorien, ohne erlaeuterungen, hier eine bei rationalwiki.org angefuehrte list of cognitive biases, sprich: arten von befangenheit, voreingenommenheit, verzerrung, neigung: bandwagon effect / bias blind spot / choice-supportive bias / confirmation bias / congruence bias / contrast effect / déformation professionnelle / endowment effect / exposure-suspicion bias / extreme aversion / focusing effect / framing / hyperbolic discounting / illusion of control / impact bias / information bias / irrational escalation / loss aversion / neglect of probability / mere exposure effect / obsequiousness bias / omission bias / outcome bias / planning fallacy / post-purchase rationalization / pseudocertainty effect / reactance / selective / status quo bias / survivorship bias / unacceptability bias / unit bias / von restorff effect / zero-risk bias / ambiguity effect / anchoring / anthropic bias / attentional bias / availability heuristic / clustering illusion / conjunction fallacy / frequency illusion / gambler's fallacy / hindsight bias / hostile media effect / illusory correlation / ludic fallacy / neglect of prior base rates effect / observer-expectancy effect / optimism bias / overconfidence effect / positive outcome bias / primacy effect / recency effect / reminiscence bump / rosy retrospection / subadditivity effect / telescoping effect / texas sharpshooter fallacy / actor-observer bias / dunning-kruger effect / egocentric bias / forer effect / false consensus effect / fundamental attribution error / halo effect / herd instinct / illusion of asymmetric insight / illusion of transparency / ingroup bias / just-world phenomenon / lake wobegon effect / notational bias / outgroup homogeneity bias / projection bias / self-serving bias / modesty bias / self-fulfilling prophecy / system justification / trait ascription bias / ultimate attribution error / beneffectance / consistency bias / cryptomnesia / egocentric bias / confabulation / hindsight bias / selective memory / suggestibility / serial position effect
abends arbeit.


2018 | 14. DEZEMBER
laufe mehrere stunden durch die stadt, winterschuhe suchen. finde nichts, was gefaellt. auf dem rueckweg kaufe ich teuren calvados. haelt auch irgendwie warm.
spreche kurz mit einem freund, den ich kaum mehr sehe. wohnt inzwischen auszerhalb; das zweite kind, wie ich erfahre, ist auf dem weg. spaeter am abend: d. zu besuch. zieht demnaechst mit seiner freundin zusammen, kinder sind fuer naechstes jahr geplant. frage mich immer, ob andere menschen mehr bereitschaft besitzen, verantwortung zu uebernehmen, oder ob sie weniger hinterfragen, ob diese dinge dinge sind, die sie tatsaechlich wollen, als es jeweils bei mir der fall ist. vielleicht beides. wenn ich aelteren menschen sage, keine kinder zu wollen, lautet die antwortet beinahe immer: das kannst du noch ueberhaupt nicht wissen, jaja, warte mal ab, und dann grinsen sie ueberheblich, weil naja, haha, diese unwissenden jungen menschen halt. so jung bin ich gar nicht mehr. dass bestimmte wuensche eventuell nicht urmenschlich sind, sondern einstudiert, ziehen diese leute nicht in betracht.
ehemaliger tresenkollege ist zu besuch und uebernimmt eine schicht. deswegen auf ein getraenk hin, trotz muedigkeit. danach f. in der kleinraumdisko am tresen besuchen, ebenfalls ein getraenk. dann heim und sofort schlafen.



2018 | 15. DEZEMBER
wie ich es geschafft habe, diesen herbst/winter noch nicht krank zu werden, ist mir ein raetsel. seit wochen gefuehl von klippentanz, kuriere mich aber irgendwie durch. im dezember ziemlich viele schichten; ab naechstem jahr vielleicht bisschen reduzieren. zumal im januar weiterarbeiten am roman, da werde ich mehr ruhe brauchen.
verwerfe einkaufen. stunde basketball, dann doesen. abends an den tresen.


2018 | 16. DEZEMBER
t. und n. ziehen um. komme 2 stunden nach beginn mittelausgeschlafen dazu, helfe 20 minuten mit, dann alles fertig. bekomme ein dankesfranzbroetchen, dann wieder nach hause. frage zuvor, ob ich noch irgendwas helfen kann, man gibt mir liebevoll, aber deutlich zu verstehen, dass jetzt privatsphaere angesagt ist. waere ohnehin gegangen; die tatsache, dass das nicht eindeutig war, ist unangenehm.
glaube, ich wuerde gern ein kolumne schreiben. keine ahnung, fuer wen oder worueber, aber.
abends zum essen eingeladen. sehr gut, weil: (a) nichts eingekauft und (b) essen sehr gut.


2018 | 17. DEZEMBER
einkaufen, podcasts hoeren. friere schwarzen johannisbeersaft zu einswuerfeln; in kombination mit gin eventuell ziemlich gut. 3,5 stunden kochen, nebenher gincocktail ausprobieren. tatsaechlich nicht schlecht. essen, the newsroom. unangenehm, wie stark der patriotische einschlag selbst in formaten, die politisch auf der »richtigen seite« stehen, oft ist. trotzdem tolle serie.


2018 | 18. DEZEMBER
oscars: urspruenglich eine nebelkerze. verleihung wurde initiiert, um erstarkenden gewerkschaften entgegenzuwirken. man musste mitglied der academy, durfte nicht mitglied einer gewerkschaft sein, wenn man sich qualifizieren wollte. sedatives schulterklopfen.
mit e. auf glueh-, dann normalen wein. langer spaziergang nach hause durch angenehme kaelte.
2018 | 19. DEZEMBER
tagebuchmotivation ziemlich am ende. koennte mich beunruhigen oder nerven oder irritieren, waere nicht gerade motivation fuer alles ziemlich am ende. zB aufstehen. muede einfach. viel tresen im dezember, verabredungen. plus: letztes detail zum tagebuch muss vor dem druck noch geklaert werden, wird aber nicht. zieht sich schon wieder unnoetig; vor januar wird nichts mehr passieren. normal, dass das auszer mir niemanden stoert. aber warum stoert es niemanden, dass es mich stoert? wahrscheinlich genauso normal. fuehlt sich zuweilen aber ungut an.


2018 | 20. DEZEMBER
kuerzlich auf der strasze eine spende zugesagt. dachte, einmalig. ist aber monatlich. wollte kuendigen, entscheide mich fuer kompromiss: drei monate. dann wieder auf der strasze angesprochen worden. habe gesagt, ich unterstuetze schon eine andere organisation. erst ein gutes gefuehl, das zu sagen. dann wegen des guten gefuehls schlecht gefuehlt. egoscheisz, sowas.
regalbrett angebohrt.
abends tresen. l. und l. besuchen mich. der abend ist schoen. nette menschen um sich zu haben ist schoen.


2018 | 21. DEZEMBER
notiere xy schreiben derzeit in meinen taeglichen to-do-listen. sogar, wenn es um nichts wichtiges geht, nur darum, sich zu melden. ich bin wirklich muede.
abends mit t. am tresen.


2018 | 22. DEZEMBER
besuch von zwei freunden, die inzwischen, unabhaengig voneinander, aus hamburg weggezogen sind. jahresende immer eine komische zeit, wertfrei gemeint. hamburger besten freund*innen alle out of town, dafuer zweitbesetzung da, menschen, die frueher die erstbesetzung waren. ensemble ausgetauscht. reden so vor uns hin, es ist angenehm, bleibt aber an der oberflaeche. gespraech vertieft sich 20 minuten vor schluss, als das auseinandergehen schon in der luft liegt. als waere uns verbindlichkeit nur moeglich, wenn wir nicht dafuer geradestehen muessen. aber das ist es nicht. wir haben uns nur verlernt, sprechen nicht mehr automatisch denselben rhythmus. man tastet einander ab, unbeholfen zwar, aber nicht peinlich beruehrt. umstaendlich ist es, unangenehm nicht.


2018 | 23. DEZEMBER
wenige male laenger als ein paar minuten aufrecht; morgens zum kaffeemachen, mittags fuer eine runde basketball, nachmittags fuer den naechsten kaffee. ansonsten rumliegen, »der goldene handschuh« nachholen – die schilderungen von koerperlicher und seelischer gewalt, von verwahrlosung und verelendung, geistiger selbstaufgabe, der unendlichen verunstaltung von sich selbst und anderen, ich halte das alles kaum aus. stelle fest, wie sehr ich mich nach einer sicherheit sehne, die ich bereits habe, also sehne ich mich nach einer sicherheit, diese sicherheit behalten zu duerfen, was natuerlich niemals gewaehrleistet ist.
paris hilton: i don't know what comes after. and i'm really scared, it's nothing. because that would be beyond boring. good night.


2018 | 24. DEZEMBER
schnelle runde basketball, ehe es zum fruehstueck mit der familie geht. dann fruehstueck mit der familie. dann fruehstueck mit der familie vorbei. der rest haelt annaehernd so wenig von dezemberlicher zwangsbesinnlichkeit wie ich, deswegen alles sehr angenehm. keine geschenke, keine musik, nur essen und reden.
zuhause notizen nacharbeiten. dann in die mutter. traditioneller zufluchtsort. traditionen zu haben an einem tag, dem man die legitime traiditionshaftigkeit abspricht, ist irgendwie auch murks. bruder kommt dazu. sprechen lange, irgendwann geht er, irgendwann gehe ich auch. auf dem angetrunkenen heimweg noch etwas notiert, das mir in dem moment wichtig erschien. ist aber bestenfalls richtig.


2018 | 25. DEZEMBER
menschen, die sitzen. sie schauen. auf wasser, andere menschen, gebaeude. oder sie schauen gar nicht. hoffen nur mit glasigen augen, ignoriert zu werden, oder, mit waessernden, bemerkt. sitzen da. schauen oder schauen nicht. stieren. irgendwann stehen sie auf. warum? was hat sie aufstehen machen? weshalb gehen, statt zu bleiben? willkuer? hatten sie einen gedanken? ein gefuehl?
eine meiner pflanzen erbraunt gerade zusehends. zu viel heizungsluft? zu dunkel? zu viel geraucht? also ich, letzteres.
abends arbeit. erwarte besuch von diversen leuten, kommt aber niemand. trotzdem guter abend.


2018 | 26. DEZEMBER
viel amen dunes, wenig anderes. kurz basketball, dann alle sozialen etwaigkeiten absagen und unnuetz sein. ruheruheruhe.


2018 | 27. DEZEMBER
seit langem wieder um die alster gelaufen. gutes gefuehl. danach fruehstuecken, 2h weiterschlafen, zweiter kaffee, »der goldene handschuh« ausgelesen. lange einkaufen, abends kochen. unspektakulaerer tag, der als ebensolches unspektakel wichtig war. schon gestern treffen mit c. von heute auf morgen geschoben, weil mal ueber den punkt hinaus ausruhen muessen, an dem man halt die naechste nacht uebersteht. nicht nur gerade noetige, sondern wirklich: kraft sammeln. im bett noch »a brief history of diaries« angefangen, aber schon viel zu muede. daraus aber noch:
he who writes for himself writes to an eternal public. (ralph waldo emerson)


2018 | 28. DEZEMBER
kegelbahn irgendwo in niedersachsen. pissfleckige pissbecken, keine handtuecher in den handtuchspendern, es ist kaum jemand da, kegelnd oder arbeitend. man kann grosze fleischteller mit pommes und salat und reis bestellen. circa 14 junge bis halbjunge maenner stehen awkward bis halbawkward nebeneinander herum. man kennt sich so halb, von frueher oder gestern, oder man kennt sich gut, von frueher oder gestern; ich fuehle mich maeszig wohl. obwohl fast alle nett sind. misogyne oneliner erhalten kaum zuspruch. widerspruch provozieren sie ueberhaupt keinen. 2h spaeter nehme ich den metronom zurueck nach hamburg. der metronom wirbt: triff deine eigenen entscheidungen. werde lokfuehrer. die kreativen freiheiten eines lokfuehrers bekaeme ich gern ausfuehrlich erlaeutert.
mit c. im saal II verabredet. fuehle mich halbmuede, halbkrank, enttrinke mich irgendwie beidem. rauche bestimmt schon wieder zu viel, ich wache jeden morgen mit halsschmerzen auf, seit wochen. trotzdem noch ueberraschenden lissabonbesuch in der kitty getroffen. heimwaerts.


2018 | 29. DEZEMBER
aus einem traum aufgewacht: freund wurde entfuehrt, hat aber aus irgendeinem grund die moeglichkeit, mir dieses via sms mitzuteilen. informiert mich defaetistisch und ausfuehrlich darueber, was ihn jetzt alles erwartet. missbrauch, gewalt, sowas. aergere mich darueber, dass er mit mir kommuniziert, statt, keine ahnung: polizei rufen, batman rufen, irgendwas. irgendwas halt. ich und irgendwelche verstaerkung stellen den van des entfuehrers, den wir, warum auch immer, mit unseren telefonen orten koennen, an einem wendehammer, der, wird mir bewusst, in der naehe meines ehemaligen familienhauses liegt, in nordfriesland. was genau passiert, ist verschwommen, letztlich erwische ich den entfuehrer jedenfalls mit einem circa 10 meter langen, halbmeterdicken eisenrohr mehrfach am kopf. obwohl das ding wirklich sehr unhandlich ist. jedenfalls ist er dann ko oder tot, und alle sind in sicherheit.
um die alster. flashback mit rilo kiley; keine bestimmte zeit, nur ein vages flashbackgefuehl.
abends tresen.


2018 | 30. DEZEMBER
hoere jetzt podcasts. keine pointe.
frueh ins bett, morgennacht arbeiten. stimmt ueberhaupt nicht, die voraussicht ist gelogen. einfach JETZT muede, das wars.


2018 | 31. DEZEMBER
wenn man aus dem silverlake sour den jameson rausnimmt und fassgelagerten calvados reintut: fantastischer drink. rezept bei einer abendesseneiladung getestet. alle findens gut.
tresen machen bei einer jahresumbruchparty im frappant. ob ich bis 7 statt bis 5 arbeiten kann. ja. wird bezahlt, und ich bin ja eh hier. bester moment des abends: mann kommt an den tresen, seufzt, schaut mich an, sagt: trotzdem noch ein jever.
auf dem heimweg auf einen rum in der noch offenen beat boutique hallo gesagt. um 8 uhr 30 im bett.


2019 | 1. JANUAR
zu kurz geschlafen. trotzdem laufen gehen. essen bestellen. frueh schlafen.


2019 | 2. JANUAR
haushaltskram, einkaufen, zur bank et cetera. basketball, laufen. unter der dusche faellt mir ein, wie sich die erzaehlstraenge des romans sinnvoll zusammenfuehren lassen. einfach so. hektisch fertigduschen und nur in unterhose panisch versuchen, dinge halbwegs geordnet aufzuschreiben, ehe die gedanken wieder verschwunden sind. kopf arbeitet schneller undoder wirrer als die finger, am ende steht trotzdem da, was dastehen muss: das noetigste, wichtigste. jetzt nur noch endlich das schreiben wieder aufnehmen.
2019 | 3. JANUAR
stoert mich mehr, als es sollte, wenn leute hinter einem komma kein leerzeichen setzen.
laufen, dienstbesprechung, tresendienst. alle noch verkatert von silvester oder im schwitzkasten von neujahrsvorsaetzen: wenig betrieb. frueh schluss, direkt heim.


2019 | 4. JANUAR
dezember war ein bisschen viel. arbeit, verabredungen zum trinken. bis mitte januar: mehr zuhause bleiben, keinen alkohol. alleinsein darf nicht zur notwendigkeit verschrumpeln, muss ein zustand des glorreichen unspektakulaeren mittelmaszes sein. zustand, der nicht fragt, ob es gut geht, sondern der OKAY ist, der nach gar nichts fragt.
alkoholfreies bier zum kochen, frueh ins bett. bestens.


2019 | 5. JANUAR
ab naechster woche: endlich die zig notizdokumente im laptop und im telefon zusammenfuehren, ordnen; dann groben plan fuer den roman zurechtlegen, ab uebernaechster woche schreibarbeit wieder aufnehmen. soweit der plan.
tresendienst mit t.; kommen kaum zum reden, stoert mich. trotzdem ein moment von: es ist alles in ordnung. vielleicht weisz ich gar nicht, worueber ich reden moechte. aber ich moechte. nach der schicht auf ein feierabendsprudelwasser und einen espresso in die mutter. unwahrscheinlich, dass feierabendsprudelwasser sich etablieren wird.


2019 | 6. JANUAR
dachte immer, ich haette keine GUILTY pleasures mehr. eigentlich im reinen damit, sehr verschiedene dinge gutzufinden. niemand findet nur dinge gut, die nicht jemand anderes peinlich findet.
– randnotiz: vermeintliche guilty pleasures ausstellen, um irgendwie deviant oder interessant gefunden zu werden, ist peinlicher und macht mich wahnsinniger, als es jede unnachvollziehbare vorliebe sein oder tun koennte –
merke aber: stimmt nicht, ich bin nicht, nie frei, nicht ganz. meistens ja, kommt aber auf die gegenueber an. ganz unguilty heute aus irgendeinem grund »24 hours« (sky ferreira) zehnmal hintereinander gehoert, irgendwie ziemlich gut.
gleich zum abendessen verabredet.


2019 | 7. JANUAR
laufen. the cardigans. das tagebuch ist jetzt im layout. freue mich unveraendert ueber die veroeffentlichung, fuerchte mich unveraendert vor dem entbloeszungsakt. waere als das, was es ist, nicht gelungen, wenn ich nicht beides taete.
e. ist aus dem heimaturlaub zurueck, deswegen auf zwei nullprozentbier hin. erste von 2 alkoholfreien wochen schon rum. nachtspaziergang nach hause. wie andere menschen wegstrecken als kontemplativen raum nutzen koennen, bleibt mir absolut verschlossen. wenn ich gehe, konzentriere ich mich aufs gehen. wenn dabei etwas in den kopfhoerern laeuft, noch darauf. mehr geht nicht. zugfahrten: ja. der koerper muss ruhen.




2019 | 8. JANUAR
es gibt – vielleicht mindestens, vielleicht exakt – zwei arten von meistens. ein quantifiziertes bzw absolutes meistens und ein qualifiziertes meistens. ersteres beschreibt einen tatsaechlichen mehranteil der zeit. wie zB: meistens trage ich eine hose. alles in allem gibt es mehr momente, in denen ich eine hose anhabe, als momente, in denen nicht. letzteres bezieht sich nicht auf die gesamtheit der zeit, sondern auf relevante momente. meistens habe ich zukunftsangst zB trifft insofern nicht zu, als dass ich den groszteil der zeit unbesorgt bin; in momenten, da ich die zukunft in den blick nehme, sieht das mitunter ganz anders aus. und dann gibt es natuerlich noch sachverhalte, die sich nicht derart simpel mit trifft zu/trifft nicht zu beschreiben lassen, sondern diverse auswahlmoeglichkeiten anbieten, da unterscheiden sich dann ebenfalls absolute und relative mehrheit. keine ahnung, warum ich ueber sowas nachdenke, die erkenntnis ist echt nicht neu.
anfrage fuer einen kleinen text zur demnaechst erscheinenden verfilmung von »der goldene handschuh«. glaube, ich mach das. why not. natuerlich auch top grund, die romanschreibvorbereitungen noch ein paar stunden mehr aufzuschieben.
jour fixe im verlag. man plaudert so.


2019 | 9. JANUAR
schreibe den angefragten text in 2h runter, schicke ihn an t.; ob er etwas bedenklich findet. basketball, ehe das sonnenlicht ganz verschwunden ist, laufen. mit t. wegen des textes telefoniert. kleinigkeiten geaendert. ueber texte sprechen ist wirklich gut. bleibt jetzt bis morgen liegen, dann nochmal mit frischem blick rundschleifen.
abends n. im saal II getroffen.


2019 | 10. JANUAR
the weaker the signal, the sweeter the noise. – father john misty
kuerzlich haare kurzgeschnitten. kurz gut gefunden, jetzt nicht mehr. auch nicht schlecht, eher egal. vielleicht gar nicht schlecht, zu haaren keine meinung zu haben.
fuer den roman brauchbare zitate aus »die kunst des krieges« zusammengetragen.
abends tresen. ziemliche kopfschmerzen. lueftung ist mal an, mal aus, ohne system. der raucht steht, verweht, ohne system. trinke, trotz alkoholpause, einen kleinen schnaps. ohne system.


2019 | 11. JANUAR
einkaufen. rumliegen. null motivation fuer irgendwas auszer kochen und essen und wieder hinlegen. altes video mit relotius zum thema erzaehlen. schon auch ein bisschen lustig. stelle fest: ich bilde mir gerade keine qualifizierten, durchdachten meinungen zu irgendwas. denken faellt schwer.
huendin von n. ueber nacht zu mir genommen. abends nochmal raus.


2019 | 12. JANUAR
laufen. hatte mir vorgenommen, nur noch 2 oder 3 mal woechentlich zu laufen, damit ich den morgen zum schreiben nutze. bewegungssucht aber laengst wieder da. vielleicht auf abends verschieben. zeitplan fuer die romanvorbereitung jedenfalls null eingehalten.
wenn marc maron zu beginn seines podcasts die obligatorischen werbeanzeigen liest, wirkt er superknapp praeeskalativ. stelle mir jedes mal vor, wie es gleich à la howard beale in »network« kathartisch und grenzwahnsinnig aus ihm hervorbricht, und bin dann ein bisschen enttaeuscht, weil das wohl nie passieren wird. trivia: walter cronkites tochter kathy cronkite hat im film mitgespielt. immerhin mittelspannend auf der metaebene, fuer den film komplett egal.
vielleicht auch generell fuer tagsueber medialen konsum verbieten. raum fuer aufmerksamkeit schaffen. notwendigkeit schaffen, aufmerksamkeit auf irgendwas zu richten. wahrscheinlich alles unfug; einfach anfangen. machen.
abends tresen. tresenarbeit geht, weil sie gehen muss. geldzwaenge bestimmt nicht nur toll, aber immerhin ein motor.


2019 | 13. JANUAR
laufen. heute eh nicht schreiben, zu muede, sehr kurz geschlafen, also okay.
eine meiner pflanzen stirbt einseitig weg. bis auf ein blatt, das im 45-grad-winkel gen fenster greift. vielleicht zu nah an der heizung.
»the people v. o.j. simpson« angefangen und traurige kuehlschrankreste zu einem ueberhaupt nicht traurigen essen zusammengebraten.


2019 | 14. JANUAR
nicht laufen, dafuer basketball. uebrig bleibt: wieder an nichts gearbeitet.
– biblioklast: jemand, der besessen ist vom wunsch, buecher zu zerstoeren – bibliokleptoman: zwanghaftes und impulsives stehlen von buechern ohne materielles interesse – bibliopath: jemand, den buecher krank machen – bibliophag: jemand, der buecher „frisst“ bzw. buchstaeblich verschlingt – bibliophob: jemand, der angst vor buechern hat – biblioskop: jemand der buecher durchblaettert, ohne zu lesen – bibliotaph: jemand, der zwanghaft seine buecher versteckt und vor der welt verbirgt – bibliovers: jemand, der buecher zweckentfremdend nutzt
hiermit zwei beinahe alkoholfreie wochen vollendet. samstag bei der arbeit ein wenig mezcal getrunken, wie donnerstag auch schon, aber das wars dann auch schon. durchaus den eindruck, die emotionale amplitude verringert zu haben. bisschen mehr nullpunkt, ruhe. gut. bedarf nach hoehepunkten derzeit sehr gering.


2019 | 15. JANUAR
termin fuer ein aktuelles blutbild ausgemacht. schon sehr kraftlos derzeit. bestimmt wieder vitamin-d-mangel. mal sehen.
glaube schon sehr an sport als psychischen stabilisator. vielleicht noch nie einen, im rahmen des moeglichen, so ausgeglichenen winter gehabt. kraftlos, aber ausgeglichen. bilanz irgendwie doch sehr positiv. heute kein sport, es regnet. in der dusche zu lana del rey weinen. okayes/gutes weinen, weil alles (musik) so kuenstlich, so konstruiert, dass unantastbar und klar umrahmt, trauer geht anders und waere nicht mit dem song zuende. wertfrei uebrigens, wahnsinnige platte. die erste. kuenstlichkeit ist kein kritikpunkt per se.
es verlangt mich nach kneipe. nach der gaesteseite des tresens. nach sitzen und rauchen und menschen, die da sind, einen aber in ruhe lassen. ergo kneipe. ergibt sinn. nach kneipe noch kurz andere kneipe; f. hallosagen. ganzen abend ueber alle wahnsinnig nett. schnell heim, bevor ich wieder zu weinen anfange. alle so wahnsinnig nett.


2019 | 16. JANUAR
nach dem laufen lange in die gegend gucken und daran denken, dass dinge aufzuschreiben waeren. konkrete dinge. romanplanung. schreibe nichts auf. aber anders als sonst. kraft oder bereitschaft nicht da, motivation schon. arbeiten gerade wieder vorstellbar.
gestern meinte jemand zu mir, ich haette eventuell eine autoimmunkrankheit. weil vitamin-d-wert so niedrig. demnaechst mal mit meinem hausarzt besprechen. auch ein guter gedanke. dass es einen grund fuer das durchhaengen gibt.


2019 | 17. JANUAR
neuerdings morgens wieder sehr frueh wach. statt unbefriedigend weitere stunden mit halbschlafen und rumwaelzen zu verbringen, immer direkt licht an, kaffee machen, dinge erledigen. solange die uhrzeit mit 4 beginnt, da liegt der psychologische grenzwert. 3 ist gestern, 4 ist heute. waehrend ich laufe, wird es langsam hell. beim ueberqueren der hoheluftchaussee fast schockiert vom schon regen betrieb. man vergisst das leicht. dass die meisten menschen das ja so machen. frueh aufstehen und stunden abarbeiten.
nachmittags tatsaechlich hinsetzen und 2h lang eine gequaelte dreiviertelseite text produzieren. merke: muss den roman von vorne schreiben. aufsetzen auf bereits geschriebenes geht nicht, es stimmt zu vieles nicht. tonfall, ausformuliertheit. schneller, haerter, praeziser muss es sein. der neue klang gefaellt mir gut. da kann man weitermachen.
tresenarbeit zieht sich lang.


2019 | 18. JANUAR
zwischen aufstehen und der naechsten tresenschicht bleibt im grunde nur zeit zum einkaufen.
tagebuch, was prioritaeten betrifft, derzeit nicht sehr weit oben. lesen waere wichtiger, schreiben waere wichtiger. trotzdem lese und schreibe ich kaum. machiavelli liegt noch immer rum, eribons »rueckkehr nach reims« und bourdieus »die maennliche herrschaft« obenauf. liege auch selbst viel rum. angefangen, »the americans« wieder von vorn zu schauen. schwierig, das gefuehl der nutzlosigkeit noch weiter zu steigern. kaum output, input nicht mal neu. tagebuch verflacht zur seriellen notation derselben basaltaetigkeiten. in seiner abbildungsfunktion darin akkurat, leben sieht nunmal so aus. aber rechtfertigung?
andererseits: prosa weiter fassen. vielleicht.


2019 | 19. JANUAR
taegliches notieren derzeit nicht mal wirklich als laestige pflicht praesent. vergesse es meistens einfach. drei monate wollte ich eigentlich noch durchhalten. mal schauen.
freier tag. durch die stadt gehen, hierhin und dahin, nirgends etwas kaufen. wenn ich ausnahmsweise mal ein wenig geld uebrig habe, sinkt die bereitschaft, welches auszugeben, jedes mal noch weiter. vielleicht, weil gefuehl gut, im notfall irgendwas davon kaufen zu koennen, das man dringend braucht.
kurz zur installation einer bekannten, dann fuer mich und besuch kochen. nicht ausgehen.



2019 | 20. JANUAR

um 16 uhr wollte ich im kunstverein harburger bahnhof bei einer veranstaltung sein. schaffe es nicht. schaffe es einfach nicht. kraftlosigkeit wird erst so richtig grausam, wenn man meint, sie rechtfertigen zu muessen und nicht zu koennen. auszerdem innere zwaenge auf hochtouren: sofort wohnung aufraeumen, waesche waschen, bett beziehen, alles neuneuneu, tabula rasa, damit morgen keine ablenkungen mehr da.
grosze menge sushi bestellt. vorher einen brandy, nachher einen wermut. eigentlich komische reihenfolge, aber die reihenfolge ist wirklich das irrelevanteste daran.


2019 | 21. JANUAR
laufen bei -4°c. luft schneidet ins gesicht, augen traenen. ansonsten super.
immer wieder merken: ZWISCHENDURCH arbeiten geht nicht. benoetige nach hinten offene raeume. es muss sich hinziehen koennen. haette 2h zeit, um mich an den roman zu setzen, die ich hauptsaechlich damit verbringe, die verrinnenen minuten dahingehend zu zaehlen, wie sie zunehmend nicht ausreichen, um zu arbeiten.
aushilfsschicht im salon stoer, der eigentlich laengst geschlossen, heute aber fuer eine trauerfeier offen ist.


2019 | 22. JANUAR
wenn den tag schon mit nichtarbeiten verbringen, dann meistmoeglich erledigen: eingekauft fuer ein groszes dinner am wochenende, hose zur aenderungsschneiderei gebracht, geschenke fuer einen freund und eine freundin besorgt, im baumarkt lange holzbretter gekauft, bretter an die wand geduebelt, jetzt haben die buecher wieder platz.
abends zu t. an den tresen. ich bleibe laenger als geplant, aber vielleicht auch nicht, glaube nicht, dass ich geplant habe. nehme einen anderen weg nach hause als sonst, er gefaellt mir gut, ich gehe schnell, es ist kalt, ich mag hauptsaetze. gute nacht.




2019 | 23. JANUAR
ausschlafen, kaffee, laufen, nochmal schlafen, nochmal kaffee. »rueckkehr nach reims« gelesen. jetzt interessiert mich eribon noch mehr, was soll das. keine zeit.


2019 | 24. JANUAR
haelfte von »die maennliche herrschaft« gelesen, weggelegt. schwergaengig, anstrengend. da war mir eribon sehr viel naeher. oder auch canetti. verknuepfung von soziologischem und politischem mit privatem zugang undoder lust an der praesentation. bourdieu ziemlich trocken. »masse und macht« von canetti angefangen.
freundin besucht mich am tresen. erzaehle ihr von bourdieu. antwort: klar ist das anstrengend, warum liest du das auch. auszerdem war der typ ein totaler arsch. kleinraumdisko hat noch offen, als ich feierabend mache. rein, spaeter als geplant wieder raus.

2019 | 25. JANUAR
beim aufstehen leichtes kratzen im hals. trotzdem laufen. es regnet kaum.
aaron sorkin als gast bei marc marons podcast. fantastisches gespraech.
abends noch durch minusgrade laufen. nachts kaum schlafen. hals sehr dick. kopf dick. jetzt dann wohl tatsaechlich krank.


2019 | 26. JANUAR
tagebuchveroeffentlichung verschiebt sich. wahrscheinlich 2 wochen. andere releases kamen dazwischen. nervt wahnsinnig.
auf den tag verteilt: 5 kannen tee, 2 zigaretten. irgendwie geht es. kochen fuer morgen abend, groszes dinner, 8 leute, nebenher ein 24/7-stream mit generischem barjazz, total entspannend. dann zur arbeit. mit medikamenten durch die nacht.


2019 | 27. JANUAR
mit besserem gefuehl aus der arbeitsnacht erwacht als erwartet. besser sogar als gestern. doch nicht krank geworden.
immer komisches gefuehl, jemanden ueber kuenstlerische arbeit sagen zu hoeren, sie oder er glaube nicht daran, dass sich irgendwer dafuer interessiert. kenne die aussage von mir selbst, kenne auch das gefuehl, glaube das gefuehl aber weder mir noch anderen. das gefuehl ist gelogen. ist kaum ueberhaupt ein gefuehl, sondern eine formulierung. formulierungen fallen leicht, sind anwendbar. – ANWENDBARKEIT sowieso emotional wichtige kategorie, wichtiger als akkuratheit. nicht unproblematisch. – formulierungen ersetzen gefuehle sehr aufwandsarm, weil sie schnell produziert und noch schneller reproduziert sind. aber halt auch platzhalter. ueberzeugungen sind manchmal nur saetze, die man mal gesagt hat und gut klangen, und deswegen hat man sie behalten. supersimpler selbstschutz, so eine aussage. natuerlich glaubt man, dass das, was man macht, menschen interessiert, was soll das. deswegen macht man das ja. unter anderem. vielleicht HOFFT man auch, dass sich wer interessiert, aber da werden HOFFEN und GLAUBEN eine weile lang dasselbe, weil man die hoffnung halt braucht.
2 sagen ab, wir essen zu sechst. und trinken zu sechst. bleiben lange sitzen. auf dem langen heimweg bisschen schwach auf den beinen, aber ganz beseelt. gefuehl, ein richtiges UMFELD zu haben. hab ich fast nie. das gefuehl. wahnsinnig toll.

2019 | 28. JANUAR
eine frau kann sich das weinen kaum verkneifen. ein mann tritt ein, greift instinktiv irgendeine zeitschrift, legt die 5 wege aus der stressfalle titelnde fit for fun aber doch direkt wieder zurueck. andere blaettern, ohne hinzusehen. PREMIUM TAFELWASSER, wie es gluckst. immerhin ist der lebensgrosze brecht und das bescheuerte brecht-zitat aus dem warteraum verschwunden. das blut schieszt richtig in die kanuele. wieviel man zahlt, haengt vom zu pruefenden mangel bzw ueberschuss ab. vitamin d: 21 euro 24. vitamin b12: 14 euro 57. ergebnisse wahrscheinlich schon morgen.


2019 | 29. JANUAR
die ergebnisse koenne ich mir, falls ich sie schriftlich haben wolle, auszerdem in der praxis abholen, sagt der arzt am telefon. wie es klingt, ist das ein zettel, auf dem grosz WEITERMACHEN steht. alles ist bestens. fast unangenehm, wie sehr alles bestens ist. leber bestens, vitamin d, zuletzt ein nicht messbar kleiner wert, bestens, b-vitamine bestens. heiszt dann wohl, dass ich gerade einfach nur low-energy oder faul bin, einem arbeiten aber sonst nix im weg steht.
neue huendin meiner mutter zu besuch. nika. soll sich an die wohnung gewoehnen. legt sich unter den schreibtisch, schlaeft ein. irgendwie begreift hier gerade niemand den schreibtisch als ort der arbeit.
parallel zum canetti jetzt mal mit »kunst vor gericht« (frimmel, traumane) angefangen. koennte spannend sein. von welchem kunstbegriff juristische urteile informiert sind und wie juristische urteile auf den kunstbegriff zurueckwirken. – nicht schlimm, aber aergerlich: auf der ersten seite ist vom »punkt-gebet« von pussy riot die rede, das leider so nicht heiszt. sondern PUNK-gebet.


2019 | 30. JANUAR
nika (hund) wird mir fruehmorgens nochmals vorbeigebracht und bleibt den halben tag. interessen: schuhe kauen und schlafen.
schnell das »punk-gebet« zwischengeschoben, briefe von und an pussy riot, auszuege aus der gerichtsverhandlung, glaube 2012. stand hier noch ungelesen rum. jetzt steht es gelesen rum.
dienstplanung fuer den februar. team wird sich demnaechst erneut verkleinern. bzw gehen menschen, und neue kommen, die gesamtzahl bleibt gleich. mir gefaellt das nicht. abend dehnt sich ueber den tresen aus, ungeplant lande ich auf dem heimweg noch in einem zweiten laden und bleibe halbkurz. schlafe sofort.


2019 | 31. JANUAR
viel zu frueh wach. etappenweise weiterschlafen bis halbwegs wach. basketball, laufen. liegen. flug nach lissabon fuer mai gebucht. lounge wird 20, guter anlass. temperaturunterschied momentan 12 grad.
abends kurz in die kleinraumdisko.


2019 | 1. FEBRUAR
einkaufen. zur bank. basketball. laufen. richtiger routinetag.
in meiner rechten augenbraue ist neuerdings ein zweites weiszes haar. in der linken plus auf dem kopf noch alles wie gehabt. glaube ich. die hellere der beiden gluehbirnen im bad ist durchgebrannt, seitdem ist es ein wenig schummrig.
abends arbeit. zum schichtende sind noch nette menschen da, also wechsle ich nur die tresenseite, statt direkt nach hause zu gehen.
2019 | 2. FEBRUAR
halbwegs ausschlafen, dann gerade noch zeit zum laufen, bevor nachmittags mit e. in »#femalepleasure«. zugaenglicher film, der zuvorderst auf empathie und vermittelbarkeit setzt. glaube, richtiger ansatz fuer ein solches projekt. wenn es um delegitimation und marginalisierung von gruppen, in diesem fall frauen, und ihrer beduerfnisse geht, koennen 90 minuten nicht die gesamtheit der diskurse und subdiskurse abbilden. aufmerksamkeit schaffen, bewusstsein schaffen, das ist wichtig, GEFueHRT werden muessen die diskurse ohnehin, wenn man aus dem kino raus ist. gut gelungen. im anschluss fragen aus dem publikum an die, weil grippoes, per skype zugeschaltete regisseurin. unter anderem wird die eurozentrische perspektive problematisiert. generell oft eine gute idee, an dieser stelle verfehlt und eher ein guck mal, ich bin noch problembewusster als du.
zurueck hinter den tresen. auf dem heimweg aus irgendeinem grund lust, die »odd blood« von yeasayer mal wieder zu hoeren. getan. gute platte, immernoch.



2019 | 3. FEBRUAR
SONNTAG –
tue nichts, hoere mehrfach vito riccis fantastische »music from memory«. bestelle essen. bestelle theaterkarten fuer »wer hat angst vor virginia woolf«. maile dem verlag.
fertig.


2019 | 4. FEBRUAR
neuen rasierer kaufen. neuen édouard louis kaufen. ein essay, »wer hat meinen vater umgebracht?«. zum rasierer gehoert ein aufsatz zum nasenhaareschneiden. schon einfacher als mit der schere.
nika fuer ein paar stunden bei mir. louis lesen.
e. und ich schneiden uns gegenseitig die haare. am ende beide zufrieden und kein geld ausgegeben. machen wir jetzt oefter.


2019 | 5. FEBRUAR
laufen.
neue frisur, also neue autorenfotos. l. fotografiert, bearbeitet direkt. glaube, sind gut geworden. sprich: unter den vielen fotos sind ein paar, auf denen ich mir gefalle.
dieses unsagbar geile gefuehl, versehentlich ein browserfenster mit dutzenden tabs zu schlieszen. erst so scheisze, chance gleich 0, dass ich die spaeter wieder oeffne, um angefangenes zuende zu lesen et cetera, aber dann diese ERLEICHTERUNG –
abends zu t. an den tresen.


2019 | 6. FEBRUAR
nachtrag zum neuen édouard louis: zweifelhaft, ob das jemand veroeffentlicht haette, wenn sein name nicht vermarktbarkeit garantieren wuerde. louis ist zweifellos klug; die ueberlegungen, die er hier anstellt, dass etwa die politik von macron und konstorten die arbeiterinnen und arbeiter vernachlaessigt und ergo fuer deren prekaere und zum prekaerbleiben verdammte gesamtsituation verantwortlich ist, sind aber wenig erhellend. richtig ja, nur nicht neu. immer, wenn louis seine persoenliche geschichte bzw die seines vaters in soziologisches theoretisieren hineinextrapoliert, wird er spannend. ist leider zu selten der fall. louis ist einer der spannendsten jungen autoren, zumal er etwas will, wuetend ist. trotzdem: haette hier mehr erwartet. weil er mehr kann.
weil der kollege seine schicht erst spaeter antreten kann, sperre ich den laden auf. am tresen sitzt ein ingenieur, der mir von seinen plaenen berichtet, ein hausboot zu kaufen oder nach schweden zu ziehen, um einen laden fuer teure fischbroetchen aufzumachen, und den eindruck hat, die jugend sei ja heute leider unpolitisch, wofuer er eine samplesize von 1 anfuehrt, seine nichte. trotzdem ein nettes gespraech und ein netter typ.


2019 | 7. FEBRUAR
helfe meinem ehemaligem mitbewohner dabei, sein zimmer auszuraeumen. er verlaesst fuer ein jahr das land. raeumen dinge in den keller, wo bei der wg-aufloesung vor 7 jahren auch ein poster von mir gelandet ist, das ich mich wiederzufinden freue, obwohl ich es nie vermisst habe. am keller ein schild: niedrige deckenhoehe. faende es wahnsinnig schoen, wenn dort stattdessen hohe deckenniedrigkeit stuende. eventuell zwanghafte angewohnheit von jemandem, der viel mit sprache umgeht; das suchen nach DER ANDEREN weise, etwas sagen zu koennen. originalitaetssucht. vergesse das poster.
ham.lit im uebel & gefaehrlich. groesztenteils enttaeuschender abend, was die lesungen betrifft. teils wegen der vortragsweisen, teils hinsichtlich der texte. zum abschluss dann aber noch sehr angetan: julia von lucadou. da ist ein suchen im text, ein ausprobierenwollen. im anschluss auf getraenke in die kleinraumdisko.


2019 | 8. FEBRUAR
auf dem heimweg von der tresenschicht: begrenzungen zwischen den bodenplatten zwar wahrnehmen, aber nicht zaehlen; zuletzt wieder richtig schlimm, heute nicht. bewusst erzwungen, aber immerhin. es geht. gut zu wissen.


2019 | 9. FEBRUAR
treffen mit l. und l.; vor ueber 4 jahren sind wir alle zeitgleich in eigene wohnungen gezogen. heute urspruenglichen plan umgesetzt, drei einweihungsfeiern an einem abend zu machen. trinken portwein in wohnung 1, mezcalcocktail in wohnung 2, wodka in wohnung 3. es wird spaet. es ist schoen. mit einem mal hoeren wir billy ocean.
nach hause rennen. fast weinen; nicht wissen, warum. fuehle mich allein, aber nicht einsam. es gibt menschen. aber es gibt auch irgendwas, mit dem mir diese menschen nicht helfen koennen. etwas, MIT DEM ich ALLEIN bin im sinne von: das muss ich allein loesen. keine ahnung. irgendwie angst davor, zu viel getrunken zu haben, dass der alkohol aber noch nicht gaenzlich angekommen ist, sondern nachwirkt und mich niederstreckt, ehe ich zuhause angekommen bin. passiert natuerlich nicht, erreiche meine wohnung problemlos. beim rennen spuere ich jeden schritt, jede vibrierende erschuetterung meiner knie. ich bin schwerer als sonst.


2019 | 10. FEBRUAR
sonntagsmuedigkeit, aber gut gelaunt. kaffee und nba. kaffee und beirut. beirut ohne kaffee. abends besuch. wir improvisieren von mir versalzene falafelmasse so zurecht, dass der salzanteil wieder stimmt; kaum noch falafel, schmeckt fantastisch.
2019 | 11. FEBRUAR
alles zieht sich. weil das tagebuch noch nicht zuendegelayoutet ist, bringe ich c. den reintext vorbei, als ausdruck. er wird einen beitrag zur veroeffentlichung machen. ein interview, mein erstes. dass wir uns bereits kennen, wird aus dem beitrag ersichtlich sein. alles andere waere inakzeptabel.
lese parallel in »kunst vor gericht« und august strindbergs »das okkulte tagebuch«, notiere ab und an dinge. alkoholfreies bier. werde muede, lege das buch zur seite, mache irgendwas bei youtube an, um dabei zu entschlafen. 1,5 stunden spaeter klappe ich endlich den laptop zu. die distanz zwischen muede und muede genug, um einzuschlafen ist in letzter zeit wieder lang. entsprechend muede bin ich tagsueber.


2019 | 12. FEBRUAR
langer, wenig befriedigender mittagsschlaf. buche zuege fuer einen berlinbesuch, scheitere am versuch, systematisch dinge zu notieren. stattdessen weitere wortklumpen, die irgendwie irgendwo eingepflegt werden muessen.
»djin ping meh« bzw »jin ping mei« war in der post. sittenroman aus china von 1610. angeblich umstritten, weil von vielen fuer pornografisch befunden. einerseits gespannt herauszufinden, was die aufregung ausgeloest hat, andererseits: die uebersetze fassung ist deutlich neuer und vor allem moeglicherweise bereits bereinigt. trotzdem demnaechst mal reinlesen.
lese, trinke boulevardier und vieux carré. einschlafen dauert wieder enorm lange.


2019 | 13. FEBRUAR
l a n g w e i l i g
und du geh mir aus dem weg mit deinen fucking wildlederboots und deiner verkackten beanie, niemand muss so ausladend gehen, du fleckenloser hochglanzmann.


2019 | 14. FEBRUAR
zum ersten mal interviewter statt interviewer. ueberraschend wenig merkwuerdig. stelle zweierlei fest: rede auch dann gern ueber mich, wenn es die rein private ebene verlaesst. und: sollte wahrscheinlich lernen, verdichteter zu erzaehlen. konfus war ich nicht, praegnant geht aber auch anders.
tresendienst. die leute geben trinkgeld, als haetten sie alle miteinander geld geschenkt bekommen oder ein schlechtes gewissen.


2019 | 15. FEBRUAR
mail im posteingang, als ich vom basketball komme. tagebuch ist fertig gelayoutet. manisch einen letzten korrekturdurchlauf gemacht, vergesse essen und duschen. korrekturen zurueckgeschickt. jetzt nochmals abwarten. das letzte mal vor dem druck. hoffentlich.
bekoche mich, mache mir einen vieux carré, hoere musik. wahnsinnig geloest. schlafe ohne probleme ein. endlich mal.


2019 | 16. FEBRUAR
hormonapparat gefuehlt kurz vor kollaps, so dermaszen gekickt von schnellem laufen in der sonne. dabei anscheinend irgendwas gezerrt, knapp unterm arsch. generell undramatisch. ganz konkret: beim sichbeeilenmuessen, weil man spaet dran ist, weil man zu lange geduscht hat und jetzt zu spaet zur veranstaltung von femrep kommt, wenn man nicht groszen schrittes den weg zum b-movie zuruecklegt, auch nicht direkt angenehm.
vom b-movie an den tresen. ersten 5 stunden verfliegen, dann temporaere und/bzw temporale zaehheit, die letzten 2 stunden vergehen, wie zeit eben vergehen soll, ganz normal und ansatzweise deckungsgleich mit dem gefuehl, das man fuer zeit und ihr verrinnen sich angeeignet hat. nach monaten mal wieder mit t. gearbeitet. viel gelacht. schnell ins bett, morgen frueh raus.


2019 | 17. FEBRUAR
schnell ins bett hat mittelgut geklappt. was kein euphemismus fuer schlecht ist, sondern sehr woertlich gemeint. waere besser, waere aber auch schlechter gegangen. gute 2,5 stunden schlaf, dann kaffee und zum hbf. rauchen mit pappbecherkaffee am bahngleis. niemand hier sieht gluecklich aus; wer raucht um diese uhrzeit, hat es noetig. das gelbe rechteck ist nicht das zeichen der genieszer. dieser zustand des baren muessens immer traurig und schoen zugleich. hier funktionieren keine codesysteme, keine optischen marker, keine wohlstands- oder coolnessinsignien. alle gleichgemacht durch die sucht.
in berlin erst nochmal kaffee, dann nochmal schlafen. abends o. und seine freundin treffen. sie zieht nach norwegen; man arrangiert sich dann zwischen hier und dort. koennte ich nicht. will ich nicht. weggehen sogar noch eher als ein sich-arrangieren. so viel planung. sich-abstimmen. wuerde mich wahnsinnig nervoes machen. brauche: feste strukturen, die MICH betreffen, freiheit, was ANDERE betrifft. langfristige plaene nur in ausnahmefaellen angenehm.


2019 | 18. FEBRUAR
mit a. durch verschiedene buchlaeden. gebraucht und sehr guenstig gekauft:
»orlando« (woolf)
»henry, june und ich« (nin)
»die woerter« (sartre)
»amerika« (kafka)
neu gekauft:
»irre« (goetz)
abends mit a. und freundinnen von a. in eine kneipe. zweimal schenkt die barfrau zu wenig wodka ein, zweimal sage ich nichts. zwei gleichermaszen geltungsbeduerftige tendenzen ringen um mich: nachsicht mit der barfrau einerseits, aerger ueber deutlich zu wenig wodka andererseits. finde, das sei schon alles in ordnung so, stelle dann aber doch alle viertelstunde fest, dass es das natuerlich irgendwie nicht ist. abschlussbefund: hat mit nachsicht nichts zu tun, hat mit ist okay oder ist nicht okay nichts zu tun. hat nur damit zu tun, dass ich nicht der maekelige gast sein will, der etwas an seinem getraenk auszusetzen hat. obwohl ja etwas auszusetzen ist. da fehlt die haelfte. pingelig ist was anderes. aber es ist mir fast unmoeglich, die rolle von jemandem anzunehmen, dem etwas zusteht. ich kann nicht. stattdessen kleinlaut sein und sich darueber aergern, kleinlaut zu sein, und sich einreden, sich darueber zu aergern, dass man zu wenig wodka bekommen hat. vielleicht wars auch absicht, dann ist die barfrau einfach ein sehr gekonnt freundlich wirkendes arschloch.




2019 | 19. FEBRUAR
virginia woolfs »orlando« angefangen. schockiert, wie maskuzentrisch das auf den ersten seiten ist – nicht nur, weil es einen protagonisten gibt, sondern hinsichtlich der grundannahmen ueber die geschlechter, rollenzuordnungen et cetera. erwartbar, dass woolf gerade damit spielt, das missverhaeltnis spaeter dreht oder aushoehlt. auszerdem immer wieder ganz selbstverstaendlich die rede von »mohren«, immer pejorativ, immer synonym fuer wilde oder diener. fraglich, ob da fuer den verlauf ebenfalls ein wandel erwartbar ist.
viel nichtstun, und das nichtstun als nichtstun annehmen koennen. daher tatsaechlich erholsam. auszeiteffekt, wenn man mal kurz woanders ist.
im antiquariat ein art-déco-silbertablett gekauft. kommt auf den schreibtisch, fuer kaffee und tee und wasser. koennte alternativ die platte mal anstaendig versiegeln, aber schoenes tablett, so gehts auch.
darf die druckfassung des interviews, das c. mit mir gefuehrt hat, lesen. habe den eindruck, ich habe nichts mitzuteilen. liest das irgendwer? glaube nicht, dass ich objektiv bin.

2019 | 20. FEBRUAR
langer spaziergang zum alexanderplatz, s-bahn zum hbf, ice nach hamburg. einkaufen, kochen, schlafen.


2019 | 21. FEBRUAR
laufen. kaffeetrinken mit mutter. treffen mit g., dessen acrylmalerei das covermotiv des tagebuchs sein wird. von dort zur arbeit. danach in die noch offene kleinraumdisko. reden fuehrt zu schnaps fuehrt zu mehr reden fuehrt zu im bett um 5 uhr.


2019 | 22. FEBRUAR
der roman liesze sich im grunde ein leben lang vorbereiten. es gibt immer noch mehr text, mehr kontext, mehr perspektivische nuancen, mehr fakten, mehr annahmen. vielleicht ist das gerade die herausforderung: den momentanen erkenntnisstand akzeptieren und damit arbeiten. wird beim schreiben eh alles verworfen und umgedacht und neu justiert. ein fertiges werk kann man sich nicht zusammennotieren oder zusammenlesen, das spannende ergibt sich zwischen den dingen, die man weisz.
arbeiten, im bett um 5 uhr 30.


2019 | 23. FEBRUAR
eben zeit fuer eine dusche, die sich noetig und ueberfluessig anfuehlt, es geht direkt zurueck an den tresen, nachmittagsschicht, es ist fuszball. bzw fuszball ist vorbei, aber die trinklust der fuszballgucker*innen nicht. »wir« haben gewonnen, der tabellenplatz, so wie ich das verstehe, ist ein okayer.
»if you are expecting consolation
i will become outrageous
if you expect me to be outrageous
i will be extra outrageous«
seit gestern, eingebung kam aus dem nichts, wieder viel xiu xiu, und former ghosts.
nach der schicht schnell nach hause, umziehen, dann mit a. zu einem abendessen, bei dem ich mich schneller als gewoehnlich wohlfuehle, wenn ich das gros der menschen nicht kenne. zu fusz und amtlich angetrunken durch die nacht.
2019 | 24. FEBRUAR
die tresendienste der vortage beschweren den sonntag. bleibe liegen, bestelle essen, schlafe. bekomme eine zimmerpflanze gebracht, als leihgabe bzw zum amlebenhalten, bis sich andernorts die platzverhaeltnisse wieder aendern. macht sich gut.


2019 | 25. FEBRUAR
wir haben einen film ueber einen schwulen mann gemacht, einen einwanderer, der sein leben radikal als er selbst gelebt hat. und die tatsache, dass ich ihn und seine geschichte heute nacht mit euch feiere, ist der beweis, dass wir uns nach solchen geschichten sehnen. –
sagt rami malek nach seinem oscar fuer seine rolle als freddie mercury, und spiegel online findet das super. nichts gegen malek, aber damit gibt es so diverse probleme. der film wird weder schwulen noch einwanderern das leben erleichtern. dass die welt bereit ist, einen schwulen einwanderer zu akzeptieren, den sie als ausnahmemusiker erkennt, sagt ueber den alltaeglichen status quo der durchschnittlich begabten undoder vollkommen bis relativ unbekannten menschen, die teil marginalisierter gruppen sind, nichts aus. dass sozialromantik guter stoff fuer filme und die sich an sie anschlieszenden dankesreden ist, heiszt halt nicht, dass sie sich in allgemeine verhaltensweisen uebersetzt. sich nach solchen geschichten zu sehnen ist nicht dasselbe wie sozialer wandel. wie der film war, weisz ich nicht, hab ihn nicht gesehen. der mag total okay sein. aber: diese kultur des rumschwuelstens ist grauenvoll. man muss das auseinanderhalten: was malek sagt, ist keine botschaft der hoffnung, sondern die botschaft, dass sich da eine hoffnung schon erfuellt hat, und das ergebnis ist, dass alle sich angesprochen fuehlen und denken, ja, stimmt, voll gut, endlich ist es soweit. ist es aber nicht.


2019 | 26. FEBRUAR
wenn alles gelaufen ist wie gedacht, hat das tagebuch jetzt eine isbn. irgendwie existiert es damit nochmal auf andere weise. als produkt, nicht als werk. auch als kulturelle entitaet, distinkter gegenstand.
zum ersten mal seit langem sehnsucht nach dem prozess des schreibens selbst. kein beduerfnis danach, etwas zustande gebracht zu haben, sondern schreibenwolllen. keine ahnung, wann zuletzt. bekannter von einer bekannten hat kuerzlich um beitraege von schreibenden zu einem projekt gebeten; kommt mir gelegen. schnell daran, schnell davon, was geschafft.
zur dienstbesprechung in die kneipe. danach nur kurz am tresen.


2019 | 27. FEBRUAR
projektarbeit von gestern probegelesen und abgeschickt, inklusive begleitgedanken bzw begleitbedenken, was verwendbarkeit respektive verwendung angeht. postwendend lange antwortmail erhalten. gegenueber mehr als bereit zur kritischen auseinandersetzung mit untiefen, etwaigkeiten, potenziellen fallstricken des eigenen projekts. gut, mit solchen menschen im kontakt zu stehen.
timothy olyphant im podcastgespraech mit conan o'brien das lustigste, was seit langem gehoert.
treffe c. im saal II. gemeinsam weiter in die mutter. zwischendurch wird mir unter den worten trink mal und hoer auf zu reden nachgeschenkt. trinke, rede weiter. alles schoen.


2019 | 28. FEBRUAR
wiederum lange mail wegen des textprojekts geschrieben. text hat einen bestimmten impetus, der eventuell mit der praesentation undoder zusammensetzung des letztendlichen ergebnisses kollidieren koennte. konfrontation nicht meine staerke, aber wichtig.
tagebuchcover und -textkorpus kommen korrigiert zurueck. komme nicht mehr zum drueberschauen, weil los zur arbeit.
heimweg: cabanossi liegen auf dem buergersteig. typ in hose mit spielkartenprint schwankt schon sehr. gutenachtgin in der kleinraumdisko. marc maron spricht mit gary clark jr.


2019 | 1. MaeRZ
tagebuch: letztes draufschauen wird zu weiterem korrekturdurchgang. doch noch einiges uebersehen beim letzten mal. merkwuerdige nachlaessigkeit, ist ja mein eigenes projekt.
mail an j. wegen lesung ende maerz. klappt alles. details demnaechst. ohnehin: vielleicht mal website aktualisieren.
nachmittagskaffee mit c.; gibt mir das neue heft mit, das interview ist drin. bringe l. ein exemplar vorbei, er hat das foto gemacht. dann ein exemplar im verlag gelassen. dann heim, schnell duschen, essen, zurueck an den tresen. gut was los. verquatschen mit f. raus um 5 uhr 30.


2019 | 2. MaeRZ
denke fast den ganzen tag, es sei sonntag. stelle den irrtum frueh genug fest, um noch einzukaufen.
»it somehow strikes me as deeply unfair that while i and countless other women do the boring work of killing our idols, and accepting that we can never know the truth about them, there are still male interviewers flying out to the south of france to gawk at johnny depp’s cool, death-metal filled mansion and proudly proclaim him the new hunter s. thompson, without stopping to question their hero-worshipping of johnny depp OR – get this! – hunter s. thompson!« – anna leszkiewicz
a. zu besuch. gestern chartreuse gekauft, also probieren wir last word. guter drink. frueh ins bett, muede wie sonstwas.



2019 | 3. MaeRZ
heute dann tatsaechlich sonntag. frueh wach, was sich vorerst okay anfuehlt. erledige organisatorisches (bar), schreibe mails (buch), bearbeite notizen. dann zu fusz zu e., es regnet. regenjacke dicht, das von ihr abperlende wasser flieszt gesammelt an ihr herab und landet auf der hose. irgendwie kein gutes konzept. auf dem letzten kilometer spuere ich das fruehe aufstehen. ueberlege, fuer den rest ein taxi zu nehmen, aber zu geizig und zu stolz. ganz schoen unterzuckert. machen kurz und ohne erwaehnenswerte ergebnisse musik, dann bestelltes essen essen und »planet erde« gucken und tee trinken und marillenbrand von e.s groszvater. sachen sind alle noch nass, deshalb auswaerts schlafen.


2019 | 4. MaeRZ
6 uhr aufstehen und nach schnellem kaffee nach hause, um 7 uhr bringt man mir nika. hund ideale gesellschaft heute, fuehle mich enorm sozialunfaehig. inzwischen hoert sie sporadisch auf anweisungen, verstaendnis ist allerdings noch merklich mit opportunismus verwoben. aber bei wem nicht.
kurz mit verlag mailen, einkaufen. fuehle mich krank. merkwuerdiger unterschied zwischen frieren, weil kalt, und frieren, weil schwach. letztlich ja beides kaeltegefuehl, und gefuehlte ist relevante kaelte. aber: frieren im normalzustand fuehlt sich an, als sei das auszen unangemessen. es ist ZU KALT. bei schwaeche: empfinde die unangemessenheit bei mir. ZU SCHWACH. auszentemperatur nicht relevanter faktor, sondern dass der koerper sich nicht souveraen regulieren kann.
glaube, ich moechte eine filterkaffeemaschine kaufen. hatte noch nie eine, dabei ist filterkaffee eine gute sache.



2019 | 5. MaeRZ
7 uhr: nika wieder da.
schonmal gut: weisz jetzt, wo wir ein mikro fuer die lesung herkriegen. auszerdem kurzen text fuer die onlineankuendigung verfasst. in mindestens einer hinsicht froh, den journalismushintergrund zu haben: wissen darum, dass selbst-pr nicht schmutzig ist. sondern notwendig. mindestens zu beginn, voraussichtlich immer. widerstrebt mir, ist aber ein ein widerstand, gegen den ich anarbeiten muss. es kommt nicht irgendwer zufaellig vorbei und ENTDECKT mich, das ist hier ja alles kein film, und wenn es einer waere, waere der wahrscheinlich nicht sehr gut und schon gar nicht sehr realistisch. eventuell wird die logik hier ein bisschen zirkulaer, aber der punkt ist: wenn man gesehen werden will, muss man sich sichtbar machen. eigentlich simpel.
website aktualisiert: buch hat jetzt eine amazon-seite. schraeges gefuehl.
auf touchscreen vom telefon gepustet, um es am ausgehen zu hindern.


2019 | 6. MaeRZ
f. wird eingearbeitet. sitze am tresen und gucke zu und trinke wodka. traurig, dass t. aufhoert. whisky. begleite t. zum bus. beginne einen satz mit: das war ne schwierige situation –, t. unterbricht mich: da kommt mein bus. es bleibt schwierig.
auf dem heimweg fallen mir direkt nach- und unabhaengig voneinander drei disparate begebenheiten/themen ein, die ich noch in texten verarbeiten will. eine sache hat mit jazz und/als literatur zu tun, eine mit nietzsche und gedichten und eine mit feminismus und einer ehemaligen kollegin. weil mir mindestens eine dieser sachen immer wieder entfaellt, baue ich mir eine eselsbruecke und murmele den halben weg feministischer jazznietzsche vor mich hin und hoffe, dass mich niemand hoert.


2019 | 7. MaeRZ
endlich virginia woolf weitergelesen, »orlando«. nach ehrlichweseise relativ langatmigen ersten 80 oder 90 seiten der plottwist. und mit einem mal ergibt alles sinn, erscheint alles stimmig. jetzt richtig bock auf das buch. trotzdem beim lesen eingeschlafen.
j. zu besuch am tresen, wir besprechen die lesung. sind uns in allem einig. nach der schicht auf eine zigarette in die kleinraumdisko. dann auf eine zigarette und ein getraenk in die beatboutique, l. einsammeln. heim mit dem taxi, weil wir fast denselben weg haben und es uns teilen koennen und l. fuers auflegen taxigeld bekommen hat. beim bezahlen, wie fast immer, die diffuse befuerchtung, vom fahrer dafuer verurteilt zu werden, dass ich geld fuers taxifahren habe. gehe immer davon aus, fuer einen schnoesel gehalten zu werden. hat mit dem fahrer natuerlich nix zu tun, der ist nett. klassismus von unten kann ich selbst relativ gut, daher dann mitunter die angst, man begegne mir auf dieselbe weise, in momenten, da es scheint, ich haette geld. alles so grotesk unnoetig, was soll das.


2019 | 8. MaeRZ
zum weltfrauentag stellt apple music eine playlist namens »#globalfeminism« online. 18 klaegliche titel lang, davon mehrere kuenstlerinnen gedoppelt. da ist jemandem wirklich richtig viel eingefallen. beweist ein level an auseinandersetzung à la: aha, ey, der googlekalender behauptet, heute ist frauentag, fallen irgendwem frauen ein, die erfolgreich musik gemacht haben, bitte schnell playlist bauen, danke. for fuck's sake, leute.
tresenarbeit. tresenarbeit vorbei. feierabenddrink in der kleinraumdisko. zweiter feierabenddrink in der kleinraumdisko.

2019 | 9. MaeRZ
laufen. anschlieszend maximal autosuggestiv, indem ich mich davon ueberzeugen versuche, stundenlanges nichtstun sei nach einem lauf total gerechtfertigt. will nicht nichts tun, schaffe aber nichts anderes. zuletzt wieder oefter gefragt, ob nicht doch irgendeine krankheit. antrieb erlischt nach minuten. sport einzig verlaessliches werkzeug. nichts stimmungshebenderes.
kurz a. besuchen, dann zu t. an den tresen. dann noch halbkurz kleinraumdisko. nach langen tagen undoder lange naechten heimkommen und merken, gern hier zu sein: sehr beruhigend. wenn rueckzugsraeume verloren gehen, da geht es dann zu ende.


2019 | 10. MaeRZ
sonntag. aber: es ist fuszball, also hat die kneipe auf. auch noch derby. ueberall polizei. alle bekloppt. bilanz: eine nur beinaheschlaegerei, guter umsatz. glaube, niederlage schwaecht das durchhaltevermoegen der trinkenden. zuhause direkt schlafen. muede sein und wissen, warum: gutes gefuehl.


2019 | 11. MaeRZ
eventuell ist mein ganzer organismus einfach masochistisch veranlagt. 5 uhr 30 und komplett wach. total unrealistisch. nie im leben ausgeruht. immerhin sinnvolle dinge mit der wachheit tun: mails, dann organisatorisches bzgl bar und lesung. tagebuch verzoegert sich; zur lesung werden noch keine fertigen exemplare da sein. aber: man kann es jetzt vorbestellen. schonmal gut.
schon wieder seit tagen kein buch angefasst. heute alles wegarbeiten, was zu arbeiten ist, morgen lesen. im zweifel auch gutes mittel, um schlaf aufzuholen. lesen ohne vorlaeufiges einschlafen fast nicht moeglich. seit langem schon.
basketballplatz ist verriegelt. wars dann auch mit motivation fuer heute.


2019 | 12. MaeRZ
wach um 3 uhr 30, was soll das. kurz was essen, dabei podcast hoeren, danach zum glueck weiterschlafen.
»orlando« ausgelesen. schaetze das buch inhaltlich sehr. stilistisch gibt es mir nichts. zum wiederholten mal festgestellt: sprache, die nicht aus meinem Jetzt ist, reizt mich nicht. zuweilen auch zu maeandernd. was komisch ist, weil meine sprache auch oft maeandert, glaube ich. oder auch gar nicht komisch: keine geduld fuer anderer leute aus- und abschweifungen. aber: klug, avant la lettre, was die diskursebene angeht. schon eindrucksvoll. einer von einigen lieblingssaetzen: »kurzum, zehn minuten lang spielten sie mit groszem eifer die rollen von mann und frau und gingen dann zu einer normalen unterhaltung ueber.«
abends jour fixe im verlag. das neue buch von jenny schaefer ist da. letzte details, was den erscheinungstermin des tagebuchs angeht. wird eine leichte verspaetung geben, aber nicht dramatisch. paar tage.


2019 | 13. MaeRZ
neuerdings nachts mit einem gefuehl aufwachen, das vergleichbar damit ist, drei laeutende telefone auf einmal beantworten zu muessen. komplett ueberfordert, unruhig, hektisch. was soll das.
»eure heimat ist unser albtraum« von fatma aydemir und hengameh yaghoobifarah und »miami punk« von juan s. guse gekauft. haelfte von ersterem gelesen. wahnsinnig gute texte. dringend und vehement. und traurig, weil unmissverstaendlich, dass jeder teil dringlichkeit und jeder teil vehemenz von unbedingter notwendigkeit sind und trotzdem nicht reichen.
angefangen mit textidee fuer die naechste »metamorphosen«. dazu neue william basinski. zu jazz sagt mein opa immer: das sind doch nur toene. was wuerde er zu basinski sagen? das ist doch nur ton?


2019 | 14. MaeRZ
nika zu besuch. abends eigentlich mit n. ins theater, vorstellung wird aber abgesagt, irgendwer ist krank. also erfahre ich heute nicht mehr, wer angst vor virginia woolf hat. stattdessen mit n. und t. essen, trinken. gehen ins titanic. dichtgekramter pub, menschlicher querschnitt. mir persoenlich: bisschen zu hell, zu interieursatt, zu grosz. aber: ohne besonderen wert auf menschen zu legen, ist die heterogenitaet des publikums angenehm. kein auszumachendes zielpublikum, sondern gemischtes. wobei das auch ein privilegiertenurteil ist; der durchschnitt, der sich hier praesentiert, ist weisz und buergerlich. kann der laden nix fuer, sollte man nur generell im bewusstsein tragen.
irgendwann gehen wir. moechte nicht heim, lust weiterzuziehen draengt sich eigentlich auch keine auf. trotzdem auf dem rueckweg in der kitty vorbei. sitze am tresen und trinke rye und weisz nicht so recht, was das soll. abschlieszende zigarette in der kleinraumdisko. im bett um 5, das war dumm; wochenende wird lang.


2019 | 15. MaeRZ
gegen mittag fruehstueck mit mutter und tante und bruder bei mir. unausgeschlafen. trotzdem angenehm. zumal: niemand erwaehnt mein buch, wofuer ich dankbar bin. keine lust mehr, ja, kommt bald zu sagen. will nicht mehr drueber sprechen. gefuehl, das sich nur mehr potenzieren wird, sobald das buch da ist. dann werden menschen darueber mit mir sprechen wollen. mir dinge dazu sagen, mich dinge fragen. ich will nicht. veroeffentlichung so fucking scary. bis hierher. nicht weiter.
»eure heimat ist unser albtraum« auslesen. laufen. uebernaechtigung abschuetteln. schweisz und herzklopfen und gelenkschmerzen. der stolz eines geschundenen koerpers.
arbeit: komme frueher, weil noch dinge zu erledigen sind. bleibe laenger, weil gaeste noch dinge zu besprechen haben und einfach nicht gehen. 3 uhr 30 feierabend, 5 uhr, nach feierabenddrink mit e. am tresen, heim.


2019 | 16. MaeRZ
8h durchgeschlafen. 14 uhr. kaffee machen, kaffee trinken, neuigkeiten checken. 15 uhr. essen, duschen. 16 uhr. einkaufen, kueche aufraeumen. 17 uhr. ueberlegen, was ich zur arbeit anziehe, bevor es wie immer ein schwarzes tshirt wird. 17 uhr 15. essen fuer die schicht machen. 17 uhr 45. und los.
letzte schicht mit t. waehrenddessen nicht emotional. nachher schon. feierabendwodka in der kleinraumdisko. wieder um 6 uhr im bett.


2019 | 17. MaeRZ
jaehrlicher putztag der kneipe. also theoretisch; letztes jahr fiel aus. inoffizielles tagesmotto: was geht ab? antwort: mehr als gedacht. alles sauber. lueftungen lueften. flaechen glaenzen. zumindest bei tageslicht; auszer uns wird das letztlich niemand bemerken. reicht aber auch.
bun bo runtergeschlungen, dann hingelegt. duschen nicht mehr geschafft.


2019 | 18. MaeRZ
voruebergehend den eindruck, nur noch alltaegliche aufgaben zu erledigen, um sie hier reinzuschreiben und den anschein zu forcieren, alles total im griff zu haben, weil wer kann schon auf dem holzweg sein, der es schafft, seine wohnung zu saugen. UND WIE die gesaugt ist. unterm bett und alles. bett auch neu bezogen, waesche gemacht, ein premiumexempel des shit-together-habens, ich sollte direkt raus und rumlaufen und menschen lifecoachen.
ansonsten eigentlich wenig getan. bisschen gelesen (guse), notizen durchgearbeitet, trump-doku geguckt. schraeg, weil dermaszen pseudorelevant. trump als figur mit einer funktion gerade natuerlich sehr relevant; dennoch: doku verraet nichts, was man nicht wusste oder ahnen konnte. ahnen anders als wissen, klar, aber neue erkenntnisse? eigentlich nicht. warum guckt man das? voyeurismus, entertainment, bestaetigung von urteilen. keine illusionen.




2019 | 19. MaeRZ
im treppenhaus werden die lampen getauscht. warum werden die lampen getauscht, fragt der im graumann steckende lampenmann halb mich, halb in seinen kaffeebecher, die sind doch schoen. dass ich das auch nicht weisz, sage ich, aber das interessiert den lampenmann nicht, ist mir jetzt auch klar, ihn interessiert nur sein job. und sein kaffee. und lampen.
momentan erst sehr viel spaeter am tag beduerfnis nach der ersten zigarette. generell zuhause weniger rauchen als sonst. nur beim schreiben, da muss ich.
grobes vorsortieren von lesepassagen fuer sonntag. noch traue ich mich an bestimmte inhalte nicht ran. gespannt, ob ein ueberwindungsprozess stattfindet, wenn mehr lesungen stattfinden. morgen soll das buch an die druckerei gehen.
flyer sind da. verteilen gehen, danach zu t. an den tresen.


2019 | 20. MaeRZ
lesungsflyer in die stammbuchhandlung gebracht. der buchtyp fragt, wo die lesung ist, ich sage: kitty, das ist eine kneipe; er sieht aus, als haette er schon vergessen, was er gefragt hat, was wohl ein mimischer euphemismus ist fuer achso, na das interessiert mich wirklich nicht. versuche, mich zu erinnern, ob er mich schon immer so skeptisch beaeugt hat – oder erst, seit ich letztes jahr beim kauf von »das buch der zahlen« erwaehnt habe, joshua cohen eigentlich recht fuerchterlich zu finden. bleibt wohl vorerst unbeantwortet.
kaufe, mit einiger ueberwindungskraft, nicht:– »das volk der baeume« (yanagihara)– »warum ich nicht laenger mit weiszen ueber hautfarbe spreche« (oddo-lodge)– »desintegriert euch« (czollek)– »herkunft« (stanišić)– was auch immer von eribon dagewesen waere
kaufe stattdessen, weil ja jetzt quasi geld ueber, weil woanders nicht ausgegeben, logik juchei: kaffeemaschine. zuhause direkt ersten ever selbst- und hiergemachten filterkaffee. gute sache.


2019 | 21. MaeRZ
frueh wach, bisschen schreibarbeit, mails. nachmittags guse weiterlesen klappt nicht, weil einschlafen und erst 2h spaeter wieder wach und eine weitere h spaeter wieder einsatzfaehig, was sich dann auch empfiehlt, da einsatzfaehigkeit recht essenziell ist, wenn man sich einsetzen muss, sprich arbeiten. immerhin waesche gewaschen. auf der arbeit viel los, fuehlt sich aber nicht so an. zieht sich hin, fuehlt sich aber nicht so an. auf dem heimweg beine schwermetallschwer. also: fuehlt sich so an.


2019 | 22. MaeRZ
laufen. zu selten schwierige kategorie, wenn beduerfnis und moeglichkeiten sich nicht nur nicht entsprechen, was verfuegbare zeit angeht, sondern auch hinsichtlich verfuegbarer kraft.
buchdummy kommt aus der druckerei, mit bitte um druckfreigabe. finde noch kleinstfehler. vielleicht bleiben die drin, erfahre ich sonntag. eigentlich relativ egal. relativ.
per mail honorar fuer einen text einbitten. scheu vor situationen, die ein gewisses masz konfrontation oder streitbarkeit einfordern, erodiert peu à peu. auf interessante weise: ach, schon okay, bringt ja jetzt auch nichts weiterhin als grundgefuehl vorhanden, weil lange angewoehnt, wird aber, immer verlaesslicher, vom gefuehl, einen missstand missstand nennen zu muessen, verdraengt. unzuverlaessigkeit beim bezahlen freier texter*innen ist ein groszes problem. unterbezahlt sind ohnehin alle; was als waehrung uebrig bleibt, ist wertschaetzung. die sich in kleinigkeiten ausdrueckt oder eben nicht.


2019 | 23. MaeRZ
laufen. schon deutlich schoener, wenn am abend vorher nicht viele zigaretten geraucht.
endgueltige lesepassagen fuer sonntag ausgewaehlt. ohne zeitdruck geht gar nichts. muss sich aendern, wenn romanschreiben weitergeht. deadlines, abgesehen von: schreckliches wort, irgendwie auch ambivalenter luxus.
abends tresenarbeit. waehrenddessen denken: eigentlich wuerde ich doch gern noch ein paar andere passagen lesen. nach der schicht noch den laden geputzt. in der kleinraumdisko ist noch licht, aber ich gehe heim. morgen lesen. um 7 uhr im bett.




2019 | 24. MaeRZ
kurz laufen, angezogenes tempo. nacht ausschwitzen. duschen, buch nochmals nach lesepassagen durchsuchen. neue rein, andere raus. passt.
mikrostaender suchen. irgendwie nicht mehr da. mikro fuer die lesung funktioniert nicht. dann fast, aber doch nicht. rumtelefonieren bringt tatsaechlich was: jemand kommt mit neuem mikro vorbei. neues mikro funktioniert. hat sogar einen tischstaender.
lesung ist schoen. sind tatsaechlich einige leute da. null aufgeregt. paar vorbestellungen fuers buch. bleibe laenger, fuehle mich erleichterter als gedacht.


2019 | 25. MaeRZ
montag wie sonntag. tue nichts und bin damit einverstanden. niemand will irgendwas, ich will nichts. einkaufen, essen, schlafen.



2019 | 26. MaeRZ
frueh auf, beim bezirksamt wohngeldantrag holen. antrag ausfuellen, zurueck zum amt. ich kriege dann post. wohngeldstelle gluecklicherweise kaum frequentiert. warteraumewigkeiten bleiben erspart.
essen mit a., dann zu t. an den tresen, ein letztes mal. ende der woche hoert er auf. es ist traurig. godspeed, kollege.


2019 | 27. MaeRZ
ueberwinde mich zum laufen, stelle waehrenddessen fest, groszen bedarf zu haben. verlaengere auf doppelte strecke. fantastisches gefuehl. danach emotionales loch. so, wie ich mir den comedown nach mdma vorstelle, von dem einige berichten. endorphine ausgeschuettet, zurueck bleibt ernuechterung.
»miami punk«. lange nichts belletristisches mehr mit vergleichbarer begeisterung gelesen.
irgendwer im haus hoert erst groenemeyers »maenner«, dann »dragostea din tei«, dann britney spears. keine ahnung, in welcher stimmung man sein muss, um dieses medley in dieser lautstaerke durchzupeitschen.
2019 | 28. MaeRZ
ueberraschend bei der lektuere von »miami punk«: koennte sprachlich kaum zurueckgenommener sein, weniger experimentell, solider, und trotzdem gefaellt es mir sehr. keine verzweiflung des schreibenden subjekts spuerbar, kein tasten, nur der wunsch zu erzaehlen. detailsensibel, -satt. guse wirklich ein herausragender erzaehler.
abends arbeit. zum feierabend ein quarterdeck in der kleinraumdisko.


2019 | 29. MaeRZ
vor dem wecker aufwachen, noch zu umnachtet, um zu verstehen, dass der wecker noch gar nicht geklingelt hat. kaffee machen, gefuehlter zeitdruck. zum weckerklingeln, halbe stunde spaeter, merken, dass mehr als genug zeit. geburtstagsfruehstueck meines bruders nach eindeutig zu wenig schlaf. freue mich, alle zu sehen, kann es aber nicht zeigen. noch zu viel nachtarbeit in mir, zu viel menschennaehe.
nach einer halben stunde mittagsschlaf, der paketdienst klingelt mich wach, trotz gesamterschoepfung laufen. weil: sonne scheint. erster lauf des jahres im tshirt. einiges ist simpel: sonne gleich gute laune. wind auf den armen gleich gute laune.
abends aushelfen bei fuszballschicht. kollege kommt stunde zu spaet, wir gehen beinahe unter, so voll ist es. totales stimmungshigh, gefordertsein tut wahnsinnig gut, arbeiten unter druck. feierabend kurz nach mitternacht, erneut getraenke in der kleinraumdisko. morgen letzter abend der bar in gegenwaertiger besatzung und besitzung. duerfte voll werden.


2019 | 30. MaeRZ
ausschlafen, laufen, mittagsschlafen, einkaufen, und zurueck an den, bzw heute einen anderen, tresen. viele menschen da zum letzten abend der kleinraumdisko in gehabter zusammensetzung, begleite das zugrabetragen eines liebslingsortes. einige weinen. irgendwie schoen: ein erstes und letztes mal an jenem tresen, den ich urspruenglich als meinen start in die kneipenarbeit vorgesehen hatte. es kam dann anders, aber, ehrlich gestanden: vielleicht kam es sogar besser. wuerde meinen arbeitsplatz nicht tauschen wollen. um 8 uhr morgens gehe ich nach hause, unterm arm zwei bilder, die nun in meinem flur haengen, anstatt von der neuen barbesitzerin weggeworfen zu werden.

2019 | 31. MaeRZ
SONNTAG –
… laufen, essen, schlafen. sogar lesen faellt aus.


2019 | 1. APRIL
zur bank, unterlagen fuer wohngeld zusammengesammelt, eingekauft. voller kuehlschrank ein sonderbar beruhigendes gefuehl. ein hauch von zukunftssicherheit, auch wenn diese zukunft nur wenige tage weit reicht. wohnung gesaugt, waesche gewaschen, tickets fuer die ausgefallene schauspielhaus-auffuehrung umgebucht. dj-plan fuer die kneipe gemacht. beinahe dem semispontanen impuls nachgegeben, eine neue anlage zu kaufen. dann doch die muehe gemacht, nach und nach kabel zu testen und gegen andere, die noch da waren, von denen mir nicht bewusst war, dass sie noch gingen, weswegen sie schon in der tuete mit dem elektroschrott lagen, getauscht, und jetzt geht wieder alles. hat 15 minuten gedauert. umgerechnet auf den betrag, den ich gespart habe, indem anlage im laden gelassen: gut investierte zeit. zumal unangebrachter, aber davon unberuehrter diy-stolz, wenn ich selbst probleme behebe. meine rolle in diesem unterfangen: geht nicht. geht auch nicht. ah, geht. cool. vielleicht auch nur freude, kein stolz.
letzter monat des onlinetagebuches angebrochen. mal sehen, ob das projekt noch irgendwie verwertet wird. es gibt ideen, aber unausgereifte. vielleicht ein metaformat. aufbereitung als buch, durchredigieren, dann von auszen durchgedigieren lassen, aber alle korrekturen, formatierungen, glaettungen et cetera nachvollziehbar machen. saehe als endprodukt dann aus, wie ein manuskript aussieht, wenn es aus dem lektorat an mich zurueckgeht. vielleicht witzig, vielleicht wahnsinnig unspannend.
abends ist eine lesung, aber mir fehlt die kraft. letzten tage sehr menschenintensiv und arbeits-. heute pause. stattdessen guse weiterlesen.


2019 | 2. APRIL
schraeg, wie schnell laufengehen von ueberwindungsnotwendiger quaelerei zur selbstverstaendlichkeit wird, die mehr gibt, als sie nimmt. einzig relevanter faktor ist regelmaeszigkeit. hoffentlich verhaelt es sich mit dem weiterarbeiten am roman auch so. sobald ich damit denn beginne.
neue cocktails mit t. und d. und t. ausprobieren. viele. so betrunken bin ich sehr lange nicht heimgestakst.

2019 | 3. APRIL
heute dann doch laufpause. viele drinks mit vielen unterschiedlichen zutaten in sich reinkippen: findet der magen nur maeszig witzig. liegenbleiben bis zur kneipendienstplanung. neue kollegin erscheint auch. sehr sympathisch. zwei bier am tresen mit t., dann heim. ein tag, entglitten.


2019 | 4. APRIL
laufen, dann anruf: fertige buecher sind aus der druckerei. liegen im verlag. hole einen stapel ab. die verdinglichung des projekts, das urspruenglich nicht mal ein projekt war, ist abgeschlossen, ich kann es in der hand halten. glaube, ich bin unterschwellig deutlich nervoeser gewesen, als mir aufgefallen ist. als ich mit den buechern zuhause bin, fuehle ich mich fragil, leichte uebelkeit. druck faellt ab. nichts schiefgegangen, buch ist jetzt einfach da.
rundmail an den verteiler wegen der bucherscheinung. arbeiten.


2019 | 5. APRIL
laufen – lieferando quatscht. foodora raucht e-zigarette. auf neoliberalismus.org (unkommerziell & rein informativ!) kann man neues merchandise zum weltuntergang kaufen.
a. schneidet mir mit der maschine die haare kurz. erstes mal seit 10 jahren so kurz. sieht okay aus. bin nicht unzufrieden, was bedeutet: bin zufrieden. habe den eindruck, derzeit keinen raum fuer gedanken zu haben, die man sich nicht machen muss, ich mir aber mache, zB wie lockig oder fettig meine haare sind oder wie sie sitzen, was auch immer das genau heiszt. einfachste loesung: ab.
die ersten buchbestellungen weiterleiten. abends am tresen.


2019 | 6. APRIL
laufen. beine schwer, aber irgendwie gehts. auf dem weg zum buchladen: erste jan jelinek gehoert; von als er noch gramm hiesz. diese aeshtetik des zaertlich unsauberen. wahnsinnig gut. im buchladen: neuen stanišić gekauft. wollte eigentlich »m« von anna gien und marlene stark. ist bestellt, kann ich demnaechst abholen. beide autorinnen im podcast von mascha jacobs gehoert; haette viel laenger gehen duerfen.
bad putzen. richtig, nicht wie meistens. einkaufen. »veep«. fertig.


2019 | 7. APRIL
laufen. nur vom tag, nicht vom modus: SONNTAG –
naechste woche im verlag das buch kurz vorstellen, deshalb aufschreiben, warum es nicht gelingt, darueber zu sprechen, was ich da aufgeschrieben habe. immer wieder: metatext bald reizvoller als urtext. schreiben ueber das schreiben.
mit n. wer hat angst vor virginia woolf? im schauspielhaus. kurzweilig & auf angenehm oberflaechliche weise bewegend. kann das stueck loslassen, nachdem wir das theater verlassen. reden kein wort darueber; meistens ein zeichen, dass man nichts schlimm fand, und meine lieblingsart, mit stuecken, filmen, konzerten et cetera umzugehen. zwanghaftes meinungshaben im anschluss: anstrengend.
2019 | 8. APRIL
laufen. zur post, dankesexemplare des buches an menschen verschicken, die es ermoeglicht haben. es gibt keinen internationalen buchversand mehr, nur noch regulaere paeckchen. lissabon-connection muss jetzt auf ihre buecher warten, bis ich naechsten monat dort bin; zu teuer. t. schreibt mir einen waschzettel fuer den presseversand. er schreibt so gut. und: man merkt ihm den fehlenden hintergrund einer branche an, der ein verwertungs- und dienstleistungsdenken eingeschrieben ist; kein pr-geseier, keine geschliffenen verkaufsargumente, einfach guter, kontextualisierender text.
gefuehlte siebentausend mails schreiben, am ende so sehr das gefuehl, leerkommuniziert zu sein, dass eine veranstaltung im pudel ausfallen muss, zu der ich wirklich gern gegangen waere. ertrage die vorstellung nicht, mich mit menschen auseinandersetzen zu muessen.
um 11 im bett. morgenfrueh um 7 kommt nika; wuerde gern um 6 aufstehen, um vorher laufen zu gehen.



2019 | 9. APRIL
wach um 5. was gut ist, so schaffe ich es tatsaechlich noch, laufen zu gehen. wieder wach um 7. das haette beinahe geklappt. rumhaengen mit hund, presseversand fertig gemacht und auf den weg geschickt.
nachdem hund wieder weg, »m« im buchladen abgeholt. dann in den verlag, jour fixe. buch vorstellen. bzw da sein, und das buch ist auch da, und falls jemand fragen hat, kann ich sie eventuell beantworten. und kurzen text lesen, nicht aus dem buch. kann eigeninitiiertes freies sprechen nicht gut bzw kann es nicht gut leiden bzw beides, wahrscheinlich. deswegen lieber lesen. da bin ich stringenter, praeziser, ich rede nicht einfach in die gegend und koste menschen konzentration und zeit und mich selbstachtung. text ging/geht so –

DINGE SAGEN – ich glaube, ich wusste immer, warum ich ueber meine texte nicht sprechen moechte. was ich nicht wusste: warum ich es nicht gut kann. ich spreche, im gegensatz zu geplanten, noch nicht existenten texten, ungern ueber text, der gerade entsteht oder bereits entstanden ist, weil mir in der regel nicht klar ist, was da gerade passiert. textgenesis ist immer eine mischung aus: text passiert mir und ich forciere text. weil schreiben in erster linie, zumindest bislang, ein verstehenswerkzeug ist. selbst die texte, die wie blosze DARSTELLUNGEN erscheinen, denen ein wissen oder eine klare meinung zugrunde zu liegen scheinen, sind immer teilweise auch ein mich-konfrontieren mit diesem vermeintlichen wissen oder dieser meinung. um herauszufinden, ob das so alles richtig und stichhaltig ist. auch dieser text, der, den ich hier gerade schreibe. ich formuliere dinge, von denen ich denke oder finde, dass sie stimmen, und dann wird ueberprueft, ob das wirklich so ist. ich brauche menschen oder text vor mir, um diskursives denken zu provozieren. text ist eben keine wahrheit, sondern etwas situativ eingefaerbtes, dem eine momentane lebenssituation, eine tagesform, stimmungslagen eingeschrieben sind. text ist immer teil von mir und immer zugleich eine eigene entitaet, weil er nie universell und immer im moment seines entstehens verankert ist. ich schleife text, und text schleift mich, das ist der deal. im optimalfall wird dabei der text besser und ich schlauer.

und damit zum eigentlichen punkt: was wie die beschreibung des schreibprozesses als solcher klingt, ist auch auf veroeffentlichte texte anwendbar. irgendwann kommt der zeitpunkt, da man sich dafuer entscheidet, einen text rauszugeben. texte, die erscheinen, sind immer mindestens die manifestation, im falle eines buches sogar die verdinglichung eines stadiums. eines stadiums im denken, im fuehlen, im etwas-irgendwie-finden. texte werden nie fertig, immer quasi-fertig. sie werden vorlaeufig endgueltig. irgendwann gibt man sie aus der hand. dann sind sie in der welt, und ich muss damit zurechtkommen, dass menschen sich auf sie beziehen. mir wird dann sehr bewusst, dass, was da steht, nicht nur sehr subjektiv ist, sondern meistens schon sehr bald nicht mal mehr MEIN aktueller erkenntnis- oder gefuehlsstand. ueber texte zu sprechen ist immer ein bisschen wie mit anderen menschen jugendfotos anzugucken und sich dabei peinlich beruehrt zu fragen, wie man hatte denken koennen, diese frisur sei eine gute idee gewesen. nur dass ich im moment einer frisur zu wesentlich groeszerer ueberzeungskraft faehig bin, sie sei exakt das richtige, als bei dingen, ueber die ich schreibe. fuer frisuren entscheidet man sich immerhin bewusst. wie oft passiert es schon, dass man sich am haar rumschnippelt, und am ende denkt man: so ist super! wusste ich gar nicht, das ich das wollte. aber genau so ist es mit texten. am ende schaut man ein dutzend mal drueber und stellt dann fest: ah, darum geht’s also. oder zumindest: ueber DIESES thema schreibst du ganz schoen viel, scheint dich ja irgendwie umzutreiben. aber eine vorsaetzlichkeit im sinne von AB HEUTE UNDERCUT gibt es selten. dieses umgehen-muessen mit einer textinhaerenten vorlaeufigkeit praegt mein arbeiten sehr. leider. ich brauche fuer lange texte nicht nur lange, weil sie lang sind, sondern auch, weil ich das, was schon da ist, laufend korrekturen unterziehe, weit ehe der text fertig ist. mitunter wird der schon bestehende text taeglich entlang aktualisierter vorstellungen von inhaltlicher und stilistischer integritaet undoder sinnhaftigkeit korrigiert. dahinter steht wohl nichts anderes als eine profilneurose bzw der wunsch, den unrealistischen eindruck zu erwecken, ich sei schon immer auf dem gedanklichen, moralischen, aesthetischen stand gewesen, der den aktuellen moment kennzeichnet. dieser eindruck ginge nicht nur relativ offensichtlich an der wahrheit vorbei, er gibt auch weniger her als die erkenntnis, dass dinge im fluss sind, sich entwickeln. dieses updaten von texten, die sich noch im entstehen befinden, kostet nicht nur viel zeit. es fuehlt sich auch immer ein wenig nach schummeln an. weil eben dieser eindruck, den zu entstehen ich beabsichtige, zwar irgendwie eine berechtigung hat; schlieszlich geht es nicht darum, irgendwas zu faelschen oder wissen zu behaupten, das ich nicht habe. ABER: die fadenscheinige behauptung, man sei schon immer auf dem stand eines jeweiligen heute gewesen, ist eben eine luege. und, wie gesagt, nicht mal eine, die jenseits von eitelkeit sinn ergibt. sie ist nicht spannend. luegen in texten: unbedingt! aber dann muss der wahrheit immerhin etwas aufregendes hinzugefuegt werden. auszerdem: selbst wenn die posse bzw pose gelingt, selbst wenn erfolgreich ein falscher eindruck konstanter und retrospektiver integritaet erzeugt wird, gibt es einen entscheidenden nachteil: ein befriedigtes eitles ego neigt nicht dazu, sich zu hinterfragen. dazu zu fragen, WARUM man dinge vielleicht mal anders wahrgenommen hat. und damit geht ein entscheidender, zentraler teil von dem, was das schreiben fuer mich eigentlich ausmacht, verloren: das selbst-explorative. das tastende, in sich selbst wuehlende, das fragende. es gibt einzelheiten in »DISTINKTION JUCHEI«, die mir heute unangenehm sind. zB diverse momente, die den rosaroten faden einer amouroesen bekanntschaft betreffen. ich finde mich, beim wiederlesen, oft kitschig, zu pathetisch, zu blumig. ein anderes detail: im buch erwaehne ich, mehr lobend als nicht, maxim biller. nachdem das buch erschienen ist, lese ich dann, dass ein mir nahes medium eine erzuernte replik auf einen seiner texte veroeffentlicht und denke: shit. vielleicht haette ich ihn nicht loben sollen, gar nichts an ihm, nicht mal das, was ich ja tatsaechlich gut fand und finde. und das, obwohl ich ihn bereits in meinem text als ambivalente figur zeichne. da bricht sich dann das beduerfnis bahn, mich von zweifelhaftem einhundertprozentig abzugrenzen, auf keinen fall beruehrungspunkte mit themen und menschen zu haben, denen ein mir wichtiges umfeld berechtigte vorwuerfe machen kann. warum das eindeutig murks ist, erspare ich mir hier zu erklaeren. darueber hinaus geht es tiefer in die sprache hinein: formulierungen, die ich heute so nicht mehr verwenden wuerde, komisches potenzial, das verschenkt wurde, nicht-komisches, das ich im moment des schreibens wahnsinnig komisch fand. fuer mich begann das projekt in dem moment sinn zu ergeben, als mir aufging, dass ich es als moeglichlichkeit wahrnehmen konnte, einem text, der normalerweise zwanghaftem revisionismus zum opfer fallen wuerde, zu fixieren. ihm die eben erwaehnte vorlaeufige endgueltigkeit zu geben. zu fixiertem, gerade zu oeffentlich fixiertem, das in seiner fixierten form von jeder*m einsehbar ist, kann und muss ich mich verhalten. – ich finde es ganz schoen, dass das englische to fix reparieren bedeutet. weil gerade das, was ich fixiere, sich der neurotischen reparatur eben durch sein fixiertsein erst einmal vorenthaelt. gleichzeitig bleibt es stehen und ist der erosion durch neues wissen und neue gefuehle und neue vorstellungen von moral ausgesetzt wie ein langsam rostendes fahrrad dem regen, das ebenfalls irgendwann nur durch eine reparatur noch zu gebrauchen waere. und selbst, wenn man es dann einfach wegwirft und sich ein neues besorgt, wird man wohl haeufiger zu einer antwort genoetigt werden, die ungefaehr so ausfaellt: das alte hat nicht mehr getaugt.


2019 | 10. APRIL
laufen. »m« durchgelesen. starkes buch.
fahrrad in den kleinanzeigen gekauft. bisschen rostig, aber das wusste ich. flugrost. dass ich ein bisschen dran rumwerkeln muss, ist ein bonus, kein aergernis. mache ich morgen.
zum essen bei e. trinken schlechten wein und guten schnaps, reden. heim auf dem noch quietschenden, noch zu niedrigsatteligen rad. knie unterm kinn, stimmung gut. muede.

2019 | 11. APRIL
fahrrad entrostet. zitronensaft und alufolie. sieht schon besser aus jetzt. neuen sattel braucht es noch, der alte nur noch erodierte lederhuelle ueber federn und stangen, hintern tut jetzt schon weh.
treffen mit f. wegen eines projekts. noch unter verschluss, passiert aber bald. es passieren ueberhaupt dinge. weil man dinge macht. dinge einfach machen.
tresenarbeit. unspektakulaere alles-wie-immer-tresenarbeit. umsatz mittelmaeszig, leute mittelmaeszig. nicht so schlecht.


2019 | 12. APRIL
laufen, druckkosten fuers buch bezahlen. bald endlich um foerdergelder fuer den roman bemuehen. vor allem deshalb erleichternd, dass das tagebuch nun erschienen ist: vorige veroeffentlichung grundvoraussetzung fuer die bewerbung auf viele stipendien etc. ansonsten: freude ueber release ziemlich abgeklungen. nicht, dass da nun ein gegenteiliges gefuehl waere, das nicht. aber da ist viel ungeruehrtheit, indifferenz. fuehlt sich interessanterweise gut an. realistisch. an meiner arbeit aendert sich ebenso wenig, wie sich vorher etwas geaendert hat, wenn ich einen text beendet habe. dass aus diesem text ein buch wurde, hat pragmatische vorteile, siehe stipendien, aendert aber nichts daran, dass man eben tut, was man immer getan hat, wenn ein text fertig war: man schreibt den naechsten. timeline jetzt folgende: anfang mai kurz in lissabon, wenn wieder zurueck, beginnen mit dem roman. auch nicht, wie geplant, weiterschreiben, sondern neu anfangen. zu viel passiert, seit urspruenglich angefangen. tabula rasa einfacher als der versuch, tonlagen und geschwindigkeiten zu imitieren, die damals richtig erschienen. lieber neu & intuitiv rausfeuern.


2019 | 13. APRIL
laufen. wollte eigentlich noch neuen sibylle berg besorgen. auszerdem hélène cixous, uwe nettelbeck. null sinnvoll, stapelt sich hier eh wie bescheuert. dann wieder: sind ja gute stapel. reservestapel, gute reservestapel. gibt schlimmeres.
anlage geht doch schon wieder nicht, oder vielleicht: geht doch nicht wieder. wobei sie kurz behauptet hat, wieder zu gehen. also stereo zu gehen. aux-quellen erklingen jetzt aus der linken, der plattenspieler aus der rechten box. was soll das.
tresen. feierabendgetraenk bei f. noch langes & sehr persoenliches gespraech. noch ein getraenk. ueberhaupt nicht muede, dabei waere das sehr sinnvoll. aber so funktioniert das ja nicht.


2019 | 14. APRIL
laufen, ab 15 uhr fuszballschicht. das groehlpatriarchat erscheint nur so mittelzahlreich und betrinkt sich nur so mittelmotiviert. frueher schluss als befuerchtet, weniger genervt als oft. zuhause essen bestellen, zum essen folge »veep«, sofort ins bett.


2019 | 15.–22. APRIL
HIATUS –
luecken im tagebuch nur ganz am anfang und ganz am ende. ich wusste noch nicht, was das hier werden sollte. dann: wusste ich, was es ist, und wollte nicht mehr. auserzaehlt. ausgeschoepft. weniger ernuechternd als befriedigend. format erstmal durch. bereit fuer fiktion.


2019 | 23. APRIL
(a) seit ich mit dem onlinetagebuch angefangen habe, habe ich mich im schnitt 6,1 kilometer am tag zu fusz fortbewegt. liegt auch am laufengehen. (b) seit ich mit dem onlinetagebuch angefangen habe, habe ich 1 buch veroeffentlicht. liegt an: geltungsdrang, zufall. nicht sicher, was wichtiger war. beim laufen verschwindet beduerftigkeit.

2019 | 24. APRIL
UND ICH, ICH BIN DER TEXT, DEN DU NICHT KUNST NENNEN SOLLST / WEIL DAS FUER ALLES STEHT, WAS FALSCH IST –

1 jahr. gut 43.000 woerter. gut 290.000 zeichen. haare sind kurz, der angebrochene kiefer noch immer spuerbar. ich vielleicht ein wenig selbstsicherer geworden. nichts davon liegt in diesem tagebuch begruendet, aber alles steckt drin.

– ENDE



Foto Lasse Eskold Nehren